Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Str. 57.

# 15]

Donnerstag, den 21. März

( Nachdruck verboten).

Die bunke Reihe.

Berliner Roman. Von Frik Mauthner. Ohne auf Fräulein Reymonds Miene und den Ton dieser Worte zu achten, griff Bohrmann nach dem Stück Papier   und las halblaut mit einem unklaren Gefühl der Genugthuung: ..Liebe Freundin, verehrte Gönnerin!

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Mit zuckenden Lippen lächelnd beugte sich Fräulein Ney­mond herab und gab Siegfried einen Kuß.

" Ich liebe ihn nicht, Herr Bohrmann. Aber ich sagte es Ihnen schon, ich bin ihm zu Dank verpflichtet."

Da stürmte es die Treppe herauf, und an Frau Spindler vorbei, die mit dem geleerten Kaffeetopf neugierig folgte, eilte Hantinger in die Stube.

Ich sehe nichts, ich weiß nichts!" rief er. Tausendmal Pardon, mein gnädiges Fräulein! Ich bin dem Lopinsky entschlüpft! Hören Sie, Bohrmann, Freund, Menschenskind! Die Gelegenheit findet sich nicht ein zweites Mal! Wer dem Schmidt Lefebvre seine Stonzession abfauft, der wird Direktor Wieder hat mich der Umschwung meines abenteuer des Kronprinzen Theaters! Ich bin zehnmal mehr befähigt Iuftigen Geschicks an den Abgrund des Nichts geführt: Sein als Lopinsky! Er ist ein Esel! Und wenn ich die Konzession oder Nichtsein ist wieder die Frage. Wieder mußte ich die habe, so wird man mir glauben, daß er auch kein Glück hat! Bufluchtsstätte aufsuchen, welche die Götter Nirvana nennen, Bohrmann! Wir gehen allein zu Schmidt Lefebvre! Mein die Menschen aber das Asyl, in welchem zerschmetterte gnädiges Fräulein, ich gebe ihm das doppelte, was Lopinsky Existenzen bei Roggensuppe neue Kraft zu neuem Aufschwung ihm versprochen hat. Und Ihr Drama, Herr Bohrmann, suchen. Ich bin ein Elender und Ihres Mitleids nicht wert. foll ausgestattet werden, wie... wie. Ich werde mich aber aufraffen, denn noch lebt in mir der Was bedeutet das?" fragte Fräulein Reymond. heilige Ruach. Ich weiß, daß man bei der Armut nicht leicht" Das wäre nicht anständig von mir", sagte Bohrmann vergebens bettelt. Mammon erwarte ich nicht von Ihnen, einfach. Ich habe Herrn Direktor Lopinsky die Adresse zu­obgleich ein Viergroschenstück in meiner heillosen Lage ein gefagt, feinem andern. Das übrige müssen Sie mit Herrn unerschöpfliches Schakhaus wäre, besonders aber wäre ich für Lopinsky abmachen." ein blütenweißes Herrenhemd von gutem Siß und wenig Hantinger schlug flehend die Hände zusammen, dann rieb Löchern lebenslang dankbar, nicht minder für ein Paar er fie und brachte endlich einen Ton heraus, der zwischen sogenannte Stiefel von zusammenhängendem Oberleder. Weinen und einem hüstelnden Lachen in der Mitte lag. Unterseite gleichgültig. Schmach und Gramt, daß ich zur Welt sie einzurichten fam!

Meine Huldreiche Gönnerin! Nur bis Montag früh dulden mich hier die unbarmherzigen Geseze meiner Zufluchtsstätte. Grübeln Sie, schaffen Sie, helfen Sie Möge Jhuen für all Ihre Güte Apollo gnädiger sein als mir!

Behüt Dich Gott  , es wär' so schön gewesen, Vehüt Dich Gott  , es hat nicht sollen sein.

Ihr ewig dankbarer

Konrad Schmidt- Lefebvre, Direktor. Nachschrift. Meine Kleider sind in vorzüglichem 3 Staude. Habe ich das übrige, besonders das Blüten weiße, so stelle ich mich meinen Stollegen von Schauspiel­hause vor. Ich muß wieder einmal den Hamlet   spielen, um meinen Glauben au mich selbst wiederzugewinnen. Doch auch für Kopierung von Rollen und andren schrift­lichen Arbeiten wäre ich verhältnismäßig dankbar. Sie sehen, ich bin wieder blank."

Er ist also ein Mann von Bildung." fagte Herr Bohr manu und legte den Brief zurück. Ist er aber auch souft Ihrer würdig?"

Traurig blickte Fräntein Reymond dem Lehrer ins Gesicht.

Würdig! Welch ein Wort. Ich bin ihm dankbar. Er ist bodenlos leichtsinnig, aber er war einmal gut zu mir, als niemand gut zu mir war was haben Sie für ihn ge­funden? Rollen ausschreiben?"

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..Mehr, viel mehr," rief Bohrmann. Der fünftige Direktor des Kronprinzen Theaters wenn ich es sagen darf will fich mit ihm verbinden, weil Schmidt Lefebvre die Ston­zession hat." iled dis

Trübe lächelnd senkte Fräulein Reymond den Kopf. Also wieder dieser unselige Ausweg! Da habe ich nichts

zu sagen. Der arme Mensch!"

,, Nur seine Adresse soll ich von Ihnen erfahren."

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,, Herr Bohrmann, das war ja nur Spaß, ein Theater­wig. Nicht wahr, gnädiges Fräulein? Ich kam mur herauf, weil der Lopinsky zur Gesellschaft zurückgefahren ist... und weil ich mit Ihnen allein zu Schmidt- Lefebvre gehen soll. in seinem Auftrage... Wo ist er zu finden?... Bei Gott, in seinem Auftrage."

Bohrmann sah die Augen seiner Freundin streng auf Hantinger gerichtet, und darum fragte er

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Ist das auch wahr, Herr Hantinger?" Bevor der noch antworten konnte, stürmte es wieder die Treppe herauf. Während aber früher lärmend jede Stufe ge­nonumen worden war, schien jetzt sein leichter Schritt immer drei Stufen auf einmal zu nehmen.

Direktor Lopinsky stand in der Stube, schiver atmend, mit einem vernichtenden Blick auf Hantinger.nut( b ,, Elender Verräter!... Weiß er sie?

Verzeihen Sie, mein gnädiges Fräulein, ich habe in der Eile des Ein­tretens vergessen, der Schönheit zu huldigen."

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Die Adresse weiß ich nun," sagte Bohrmann. Daimi wollen wir fliehen. Unten stampfen die Nosse. Fort! Mein gnädiges Fräulein.."

Eine elegante französische   Verbeugung machte Lopinsky, und dann mußte ihm Bohrmann folgen, ob er wollte oder nicht. Hantinger schien unschlüssig, ob er mitgehen oder bei dem Fräulein sein Glück versuchen sollte. sind Lopinsky und Bohrmann faßen schon im Wagen. Wohin?" fragte der Kutscher  . Wohin?" fragte der Kutscher  .

"

Zögernd stotterte Bohrmann:

Can that night, mist

Ich weiß nicht, was der Kutscher   denken wird. Es scheint dem Herrn noch schlechter zu gehen, als ich mir vor stellte... er ist augenblicklich im... Asyl für Obdachlose."

,, Herrlich!" rief Lopinsky. Kutscher  , Sie fahren uns wie der Wind nach dem Asyl für Obdachlose. Sie wissen doch, wo es ist?"

Und Lopinsky legte sein schönes Gesicht in Falten, als ob

Sie haben sie doch schon gelesen. Sie steht ja ganz er als Arzt über ein schweren Fall nachdächte. deutlich in seinem Brief."

"

Wo denn?" fragte Bohrmann verwundert.

Jin Ahl ist er wieder. In Asyl für Obdachlose." Leise nur fagte Fräulein Reymond diese Worte und legte Sabei ihre beiden Hände wie schüßend um den Lockenkopf Siegfrieds.

Im Asyl für Obdachlose."

Bewegt legte Bohrmann seine Rechte auf ihre Hände, so daß Siegfried seinen Kopf verdugt hervorzog.

.Sie lieben ihn, Fräulein Reymond? Selig der Mann, dem Sie Ihr Herz schenken, Sie edles Mädchen! Selig der Manu..

Ganz genau wissen duh ich's nich," sagte der Kutscher  . Da friegt man selten' ne Fuhre hin. Die Sorte geht zu Fuß. Aber ich werde schon finden, irgendwo beim Teufel uff de Rinne." Vorwärts!" schrie plötzlich Lopinsky, Geben Sie Ihrem Roß die Sporen Elender Verräter!"

"

Die letten Worte galten dem Dramaturgen, der eben aus dem Hause stürzte. Er wollte in die Droschke, da aber Lopinsky beide Hände vorhielt, schwang er sich geschickt auf den Bock, während der Wagen sich eben in Bewegung fette. Herr Neumann hat mich beauftragt, mitzugehen," rief er mit einent frechen Achselzuden.