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Er fuhr auf. Der Diener hatte hinter seinem Stuhle etwas angeboten, Bohrmann hatte eine rasche Bewegung geDie Bemerkung schien richtig zu sein, denn niemand er- macht, und ein Tropfen von der Sauce sprang auf seinen widerte etwas. So fühlte sich Bohrmann ermutigt, trank noch gelb- grauen Rock und auf Maschas Seide. König Pharao ein Glas von dem feurigen Rheinwein und benutte die entschuldigte sich so lange, bis Mascha ihn unterbrach: es sei Pause, um das Gespräch tapfer wieder auf sein Drama zu ein alter Lappen.
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bringen. Fräulein Szekal hatte vorhin gesagt, sie werde es Das verdarb ihm die Stimmung. Ohne Zusammenhang in Ostende mit ihren Freunden lesen. Auch mit dem Prinzen. tam ihm der Gedanke: Was wird König Pharao thun, wenn er Jetzt wollte Bohrmann das Eisen schmieden, nach Maschas Worten. feine Pyramide nicht bezahlen kann? Nicht einmal begraben lassen Da ich nicht daran denken kann, mein geehrtes Fräulein, fann man sich in einer Pyramide, wenn man sie schuldig geebenfalls nach diesem Bade zu kommen, so wäre ich doppelt blieben ist. Dann kommt der Exekutor und pfändet die beglückt gewesen, wenn unsre verehrte Wirtin mir zu einer Pyramide. Freilich, die Pharaonen waren anständige Menschen, Vorlesung vor solchen Gönnern. die hatten Geld. War er selbst aber reich genug, um den kostbaren Anzug besudeln zu dürfen? Und wovon hatte Hilde ihn bezahlen können? Wenn sie am Ende Schulden gemacht hätte! Ein einziges Mal, soweit er sich zurückerinnern konnte, hatte sein Vater eine Schuld aufgenommen, dreißig Thaler, nicht für einen neuen Anzug, nein, um einen Kartoffelacker zu erwerben. Und an dieser Schuld war seine Mutter gestorben, daß hatte sie kurz vor ihrem Tode gesagt und ihn gewarnt.
Gelegenheit zu geben, die Güte gehabt hätte," ergänzte der Assessor ernsthaft, als Bohrmann unter allen Augen, die auf ihn gerichtet waren, zu stottern anfing.
" Ich höre Dichter sehr gern vorlesen," sagte die Szekal recht herablassend mit ihrem schönsten R.„ Sardou liest sehr gut vor, man fann von ihm lernen. Wildenbruch liest nicht gut vor, aber sehr dramatisch. In Wien hat mir..." ihr fiel der Name des verstorbenen Dichters nicht ein. Wenn ich aber eine Rolle kreieren soll, so lasse ich mich nicht gern vom Dichter bestechen. Man giebt leicht zu viel auf den Dichter. Und eine Rolle ist doch eigentlich etwas Ernsthaftes. Der Prinz liest gewöhnlich neue Rollen für mich. Vielleicht sind Sie so freundlich, mir die Handschrift für ihn zu überlassen. Ich vertraue ihm vollständig."
Bohrmann fragte nach der Adresse des Prinzen. Die Szekal lächelte aufs anmutigste, als der Assessor statt ihrer antwortete:
Den Prinzen hat noch niemand gesehen außer der göttlichen Afra. Wir kennen aber alle feine Decadresse: Otto Petters, in Firma Petters u. Henkel, Tabatfabrikanten in Bremen . Ich wette darauf, daß Otto Petters in Ostende sein wird. Da kann ihm danu Mascha Ihr Drama selbst übergeben. Otto Petters ist bekannt für sein Urteil über Tabak und Dramen."
" Ja, es ist eine romantische Geschichte," sagte die Szekal. " Ich darf sie leider nicht zum besten geben. Uebrigens ist auch Herr Petters ein Patrizier und ein Millionär. Seine Beziehungen zum Prinzen bieten Stoff zu einem Lustspiel." Bohrmann freute sich, daß seine Handschrift in so hohe Hände fam. Und da hatte Hilde wegen des teuren Papiers gescholten!
So wird es am besten sein," rief jetzt Mascha. Wie ich die Leute vom Theater kenne, wird man manche Aenderung von Ihnen verlangen, lieber Hans Bohrmann, und da ist es doch gut, wenn wir bei der Vorlesung schon das endgültige Stück fennen lernen. Warten Sie nur! Nach der Sommerreise zur Einweihung der Saison lesen Sie es hier vor. Wer irgend in Berlin was zu sagen hat, wird eingeladen."
Nun hatte jeder der Gäste einen Vorschlag zu machen. Es war wirklich eine bunte Reihe von Frauen und Männern, denen man nachsagte, daß sie vielleicht etwas zu sagen hätten. Nannte Herr Lose den und den, so fügte der Assessor gewiß hinzu: dann müsse man aber auch die und die einladen. Und als ob Bohrmann hinter die Coulissen des Berliner Kunstlebens getreten wäre, hörte er wieder einflußreiche Männer mit schönen Frauen, einflußreiche Frauen mit reichen Männern in Verbindung bringen. Hundert Namen schwirrten durcheinander, und so, als ob es kein sechstes Gebot auf der Welt gäbe.
Ganz Berlin , sagte einmal der Assessor auf Französisch, tout Berlin , sollte aufgeboten werden, damit das" Hohe Lied" eine günstige Aufnahme erfahre.
Um der dreißig Thaler willen hatte das ganze Haus darben müssen, oder eigentlich nur die Mutter. Der Kartoffelacer hatte schlechten Boden. Wenn nun sein Drama auch schlechten Ertrag lieferte? Wie, wenn der Anzug auf Schuld geborgt war?...
Mascha sprach an ihm vorüber mit der Szefal, und beide verteilten die Rollen des Dramas, das die Künstlerin gar nicht kannte und Mascha nur wenig. Er trank, und es wurde ihm, als ob auch ihre Liebe ihm nur geliehen wäre, geliehen auf ein Unterpfand, auf den Erfolg seines Dramas. War es nicht schrecklich, daß er Bratensauce gespritzt hatte... auf... worauf denn? Auf geliehene Liebe?. Ach, was!
Er hielt feine Elbogen ängstlich an den Leib. Der Assessor trant ihm und den beiden Nachbarinnen mit einem Glase Champagner zu, Herr Lose ließ das„ Hohe Lied" noch höher leben, Mascha streifte seinen Aermel und er trank den feltenen prickelnden Wein. Ach was! Nur Mut! Warum sollte er nicht auch das Glück schlürfen, wenn es ihm geboten wurde wie dieser krystallene Kelch?
Er stellte das Champagnerglas fest hin, und es zerbrach. Mascha lachte und die Szekal wünschte ihm Glück. Das wäre das beste Vorzeichen, wenn er es nicht absichtlich gethan hätte. Bohrmann beteuerte, er hätte es nicht absichtlich gethan... einen so kostbaren Krystall.
( Fortsetzung folgt.)
Kinderspiele.
( Nachdruck verboten.)
Bon Friedrich Müller.
In der Zeit, da der Winter der Frühlingswelt zu weichen, das Wetter erträglicher und die Straße schnee- und schmutzfrei zu werden beginnt, entfaltet sich vor unsren Häusern noch eine andre naturfrische Welt. Auf den Gehwegen und Ausweitungen der Straße erscheinen Kreidestriche oder Furchungen, die oft ganze Systeme von Figuren bilden: Rechtecke, Dreiece, Kreise, Ei- Ovale, Schneckens Bu Zeiten sind sie verlassen, zu Zeiten sind linien usw. befett bon Gruppen spielender Kinder; man fieht fie diese in den Figuren herumhüpfen oder Steinchen in sie werfen oder dergleichen mehr. Andre Gruppen von Kindern spielen andre Spiele ohne Zeichnungen. Wer sich näher um all das kümmert, wird bald vor einer reich ausgebildeten Systematik stehen: er wird erfahren, welche Rolle hier die Tradition spielt, indem gewisse Spiele mit ihren festen Regeln von einer Kindergeneration auf die andre vererben, doch auch, welche Rolle die Mode und das Moderne spielen. Nicht nur gleichzeitige Kriege spiegeln sich in den Straßen wieder: auch die Ersegung des Steinpflasters durch Asphaltpflaster und andre derartige Umstände pflegen hier zu neuen„ Produktionen" anzuregen. Vor Jahren hielt zu Berlin Rettor J. Kopsch einen Vortrag über Berliner Jugendspiele"( wiedergegeben in der Zeit schrift„ Der Deutsche", April 1893), der sozusagen eine Naturgeschichte und Naturlehre dieser Spiele enthielt.
Bohrmann lehnte sich in seinen Stuhl zurück, es faßte ihn wie ein Schwindel. Er hatte seinen Schülern einmal in der Nationalgalerie eine Darstellung des Pyramidenbaus erflärt. Jetzt fam er sich selbst wie ein solcher Pharao vor. In seinem Kopfe war der Plan enstanden, ein unsterbliches Wert aufzurichten, sein Drama. Geschrieben nur hatte er das„ Hohe Lied"; jekt auf einmal wurde ihm klar, daß tausend Hände nötig waren, um seinen Plan leibhaftig zu Eine Großstadt wie Berlin ist jedenfalls eine günstige Stelle machen, daß hunderttausend Hände nötig waren, hundert- nicht nur für das Vorkommen und Neufchaffen solcher Spiele, sondern tausend flatschende Hände, um ihn, den neuen Pharao, auch für ihre Beobachtung und Bekanntmachung. Wer sich in zu befriedigen, der dazu behaglich seinen Wein tranf. Die deffen die Mühe nähme, andre Städte daraufhin zu durchHerrschaften um ihn herum gaben sich freiwillig zu Aufsehern und Vögten des Pharao her. Dazu war so ein unbedeutender Kopf wie der Assessor gerade recht. Mascha freilich war mehr. Mascha war das Weib des Pharao und in einer Sänfte.
wandern, der würde wohl überrascht sein sowohl über die Gleichheit vieler Spiele an verschiedenen Orten als auch über ihre Verschieden heit, insbesondere gemäß den lokalen Berhältnissen. Ist es in Berlin an zahlreichen Stellen der märkische Sand", der das Bes dürfnis der Kinder nach dem Gestalten, nach dem Hinausprojicieren" innerer Vorgänge zu befriedigen vermag, so sind es anderswo das