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das Gnadenbrot gelvährt hätte, das sie ihn übrigens in] fortwährenden Vorwürfen und Entbehrungen aller Art ent­gelten ließ.

Die Kompresse war flatschend gegen die Wand geflogen. Doktor Kattowizer hatte den Kopf fortgebeugt und nahm jezt ruhig Hut und Stock.

XXX.

Seit dem Besuche des Doktor Rattowiger war in Bohr­mann das Bild Maschas wieder lebendig. Nach seiner Rück­kunft von Ostende hatte er die Erinnerung an seine Sünde mühsam zu verscheuchen gesucht, bis er nach einigen Tagen wahrnahnt, daß dieser Gedanke ihn eigentlich nicht so recht quälte. Anfangs lastete noch die Verpflichtung auf ihm, in der alten Weise häufig Briefe zu senden. Als er aber den Ton nicht fand und erst acht Tage ohne einen Brief hatte verstreichen lassen, da verblaßte Mascha vor ihm. Freilich nur bei Tage, um in entsetzlichen Träumen desto gewaltsamer von seiner Seele Besitz zu ergreifen. Er wollte sich's gar nicht eingestehen, was er träunite. Unfittlich, nichtswürdig waren diese Vorstellungen, am nichtswürdigsten, wenn er Mascha in den Armen andrer Männer sah. Als ob sie eine Dirne ge­wesen wäre.

" Ja, ja," wiederholte er langsam, ich habe sie gefannt, Es freut mich übrigens, daß mein erster Eindruck doch die Qurignon! Der letzte war Monsieur Michel, der heute der richtige war. Bohrmann ist und bleibt eine Nummer. tot ist und der fünf Jahre älter war als ich. Und vor Sie auch, Direktor. Sie beide sind Nummern." ihm war Monsieur Jérôme, unter dem ich in die Hölle eingetreten bin, mit achtzehn Jahren, wie er fünfundvierzig war, was nicht hindert, daß er noch immer lebt. Aber vor Monfieur Jérôme war Monsieur Blaise, der Gründer, der mit seinen zwei Hämmern das Werk angefangen hat vor nun beinahe achtzig Jahren. Den habe ich nicht mehr gefannt. Aber mein Vater, Jean Ragu, und mein Großvater, Pierre Ragu, haben mit ihm gearbeitet; und man kann sogar fagen, daß Pierre Ragu sein Kamerad war, da sie beide Streck arbeiter waren, ohne einen Sou in der Tasche, wie sie sich beide in dieser Schlucht der Monts Bleuses, die damals am Ufer der Mionne, die ihnen die Wasser­traft lieferte, an die Arbeit machten. Die Qurignon haben heute ein großes Vermögen gewonnen, und hier bin ich, Jacques Ragu, noch immer ohne einen Sou in der Tasche, mit meinen schlimmen Beinen, und hier ist mein Sohn Auguste Ragu, der nach dreißig Jahren Arbeit nicht reicher sein wird als ich, ohne von meiner Tochter und ihren Kindern zu reden, die alle davon bedroht sind, Hunger zu leiden, so wie die Ragu nun schon seit beinahe hundert Jahren Hunger leiden!" Er sagte das alles ohne Zorn, in der stumpfergebenen Weise eines alten abgearbeiteten Tieres. Einen Augenblick betrachtete er seine Pfeife, erstaunt, daß er ihr keinen Rauch mehr entlocken konnte. Und als er sah, daß Lucas ihm mit mitleidigem Interesse zuhörte, fuhr er fort, indem er leicht die Achseln zuckte:

öde war,

Während er aber bis zum Besuche Kattowizers dabei ruhig seinem Berufe nachgehen konnte und Mascha eben nur im Traume vor ihm erschien, während er sich sogar sagen mußte, daß er nicht immer träumte, sondern oft recht gut schlief, trieb es ihn jetzt wieder umher.

Mascha in Berlin ! Bei Tag und Nacht verfolgte ihn der Gedanke, daß sie für ihn wieder erreichbar sei, daß sie ihn liebe, daß sie ihn weiter tüssen lehren werde. Im Schul­zimmer konnte es geschehen, wenn er von der weißen Frau int Berliner Schloß erzählte, oder bei den harmlosesten An­lässen, daß er vor den unschuldigen Schulkindern plötzlich stockte, weil Mascha vor ihm erschien, wie sie damals im Boot ihm erschienen war.

Bah, Herr, das ist das Schicksal von uns allen armen Teufeln. Es wird immer Herren und Arbeiter geben. Mein Großvater und mein Vater waren so, wie ich jetzt bin, und mein Sohn wird ebenso sein. Wozu hilft's, sich aufzulehnen? Und erst in der Dunkelheit... es war grauenhaft Jeder zieht sein Los bei der Geburt. Nur wäre es zu er schämte sich vor seinen Siegfried, so laut, so schmetternd wünschen, daß man sich, wenn man alt ist, so viel Tabak rief es wieder in seine Träume hinein: Ninum mich, nimm taufen könnte, als man braucht." mich!"

L

,, Tabak? " schrie die Toupe. Du hast heute wieder für zwei Sous verraucht. Glaubst Du, daß ich das Geld für den Labat hinauswerfen werde, wenn wir bald nicht einmal Brot zu effen haben werden?"

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( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten).

Die bunke Reihe.

Berliner Roman. Von Frik Mauthner. Konrad hatte sich erhoben. Mit der Linken hielt er seine Hose fest, in der Rechten schwang er die nasse Essig­tompresse.

Johannes," fagte er, daß Du ein Lamm bist, freut mich immer, daß Du aber ein Schaf bist, das thut mir mit unter weh. Collegium logicum! Nicht abgewiesen hat ihn Elisabeth, unsre heilige Elisabeth, sondern rausgeschmissen. Hast Du das Wort nicht vernommen, Johannes? Merkst Du immer noch nicht, daß Elisabeth Gnade gefunden hat bor den Augen dieses Orientalen, und daß er sie mit An­trägen verfolgt, die auch nur anzudeuten meine keusche Seele schaudert?"

" Ich bin wirklich ein guter Kerl, Bohrmann," sagte Kattowiger, und will Ihnen also die Freude machen. Ja, es ist unglaublich, aber die Person hat mir einen Korb gegeben. Sie muß furchtbar verliebt in Sie sein."

..

Die ganze Woche verging ihm so, scheinbar friedlich, aber unter entfeglichen Seelenqualen. Am Sonntag machte Bohr­mann mit Siegfried einen langen Spaziergang in den Humboldthain. Er hatte eine helle Freude daran, wie der Knabe die Bäume und Sträucher unterschied, und ein Dant gebet zu Gott stieg in seinem Herzen auf, als Siegfried gar einige lateinische Namen behalten hatte, wie sie sein Vater bei jedem Besuche dieses Parks von den Täfelchen abzulesen pflegte.

Bohrmann machte ein stilles Gelübde. Siegfried mußte ein Mann von akademischer Bildung werden, die Quellen der klassischen Weisheit mußten für ihn strömen, und dieser Auf­gabe, dieser Pflicht mußte jede andre Absicht, müßte jeder Ehrgeiz, jeder Egoismus, jeder Schmerz weichen. Unflar, aber fonntäglich zog es durch Bohrmanns Seele, während der Knabe plauderte und fragte, wißbegierig und vertrauensvoll, ganz anders als zu Hause, wo die Mutter leider solche Neigungen unterdrückte. Es mußte von jetzt ab anders werden in seinem Heim. Eine rechte Ehe mußte es wieder werden. Er wollte Hilde seine schwere Sünde beichten, auch Fräulein Reymond sollte alles erfahren; dann war es möglich, Mascha und ihren Kreis zu meiden, zu vergessen, ein neues Leben zu beginnen.

Auch seinen Ehrzeiz, seine dichterische Zukunft hätte er, wenn es notwendig gewesen wäre, mitgeopfert.

Als er aber um die Mittagsstunde nach Hause kam und das grundlegende ernste Gespräch mit Hilde beginnen wollte, Hinaus," schrie Bohrmann, der sich plötzlich erhoben da hörte sie einfach nicht zu. Sie war dabei, Kartoffeltlöße hatte, hinaus, unfittlicher Mensch! Gott , o Gott , welch zu bereiten, die Lieblingsspeise Konrads. Sie sagte auch eine Welt! Und ich gehöre dazu! Ich habe kein Recht mehr, jetzt so wie der Direktor: Erdäpfelknödel, was dem Lehrer den Richter zu spielen." wie eine ungebildete Bezeichnung des vortrefflichen Gerichts erschien.

Schluchzend setzte Bohrmann sich wieder nieder und barg den Kopf in den Händen.

" Hinaus," schrie aber jetzt auch Konrad, hinaus, unfitt licher Mensch! Oder ich belange Sie wegen Hausfriedens­bruchs! Ich bin der Vicewirt und schmeiße Sie hinaus. Sie sind ein frivoler Mensch. Wissen Sie, wer ich bin? Ich bin der Nitter der heiligen Elisabetb, und hier sind meine Waffen."

Hinter ihr, an der Kochmaschine stehend, fuhr Bohrmann in seiner Einleitung fort. Beide müßten sie den alten Adamt ablegen. Beide seien sie nicht frei von Schuld.

Daß ich's nicht vergesse," unterbrach ihn Hilde plötzlich, es ist ein Brief für Dich gekommen, Lenchen, wo hast Du Vater seinen Brief hingelegt?"

Es gab Zant und Poltern. Dann fand sich der Brief Kräftig schleuderte er die nasse Kompresse nach Doktor endlich irgendwo beim Kaffeegeschirr, das unabgewaschen umher Kattowiger und setzte sich dann wieder stöhnend aufs Sofa. stand. Bohrmann erkannte auf den ersten Blick die mangel­Mein Kopf!" Ihaft ausgebildeten Schriftzüge Maschas. Still ging er auf