In flüchtigen Liebschaften den besten Teil seiner Zeit und seiiier Kraft. Darüber verging eine weitere Epoche von zehn Jahren, während welcher die Werke langsam zurückgingen, an deren Spitze nicht mehr der siegende Feldherr aus derZeit des mächtigen Aufschwungs stand, sondern ein schlaffer und schwelgerischer Chef, der den ganzen Ertrag verzehrte. Ein Fieber des Luxus hatte ihn ergriffen, Fest folgte auf Fest, das Vergnügen, der ver- schwenderische Lebensgenuß verschlang große Summen Geldes. Und zu allem Unglück trat zu diesen Ursachen des Rrnns, der schlechten Führung, der täglich mehr abgeschwächten Geschäfts- energie, eine industrielle Katastrophe hinzu, die die ganze Metallindustrie der Gegend nahezu vernichtete. Die Fabrikation der billigen Sorten, der Schienen und Träger, wurde all- mählich zur Unmöglichkeit gegenüber der erdrückenden Kon- kurrenz des Nordens und Ostens, welche infolge der Er- findung eines neuen chemischen Verfahrens in die Lage ge- kommen waren, bis dahin unbenutzt liegende magere Minen mit geringen Kosten auszubeuten. In zwei Jahren fühlte Michel, daß die Werke zusammenzubrechen drohten; und an dem Tage, wo er für hinausgeschobene Verbindlichkeiten einer Summe von dreimalhunderttausend Frank bedurste, die er nicht besaß und hätte borgen muffen, trieb ein abscheulicher Vorfall ihn vollends zum Wahnsinn. Er war damals, im Alter von beinahe vierundfünfzig Jahren, mit Leib und Seele im Banne eines hübschen Mädchens, das er aus Paris mitgebracht und in Beauclair verborgen hatte; so hielt ihn dieses Geschöpf gefangen, daß er oft dem tollen Traume nachgesonnen hatte, mit ihr in ein fernes, heiteres Land zu fliehen und dort, aller Mühen und Qualen ledig, nur der Liebe zu leben. Sein Sohn Gustave, der mit siebenundzwanzig Jahren ein Leben des Müßiggangs sührte, nachdem er die Schulen mit denkbar schlechtestem Erfolge verlassen hatte, neckte ihn oft mit diesem Liebesverhältnis, denn er lebte mit seinem Vater aus einem Fuße freier Kameradschaft. Er spottete übrigens auch über die Werke, weigette sich, den Fuß in diese schmutzige und übelriechende Schmiede zu setzen, ritt spazieren, jagte, führte die leere Existenz eines liebenswürdigen jungen Edelmanns, als ob er von einer in ferne Jahrhunderte zurückreichenden Reihe vornehmer Ahnen abstammte. Und eines schönen Tages nahm er dann aus dem Schreibtisch die hundert- tausend Franks, die sein Vater für die morgigen Fälligkeiten mühsam zusammengebracht hatte, und verschwand niitPapas Maitresse", entführte das schöne Mädchen, das sich ihm an den Hals geworfen hatte. Ins Herz getroffen durch diesen furchtbaren Schlag, der sein Vermögen und seine Liebe in der- selben Minute vernichtete, zerschmettert und seiner Sinne be- raubt, tötete sich Michel am nächsten Tage mit einem Revolver- schuß. �Fortsetzung folgt.) (Nachdruck vervoteu). 88) Die lhmko Neihe. Berliner Roman. Von Fritz Mauthner . Bohrmann verließ das Boudoir mit den anderen, aber er blieb hinter der Thür stehen und vernahm wie im Traume, daß der Schlüssel abgedreht wurde. Was machst Du hier?" Hörte er Hildes harte Stimme. Was machst Du überhaupt für Geschichten... Du siehst halb verhungert aus... natürlich, keinen Kaffee und dann bis neun aufs Abendbrot warten... keine zehn Pferde bringen mich mehr her." Bohrmann schlich sich auf den Flur hinaus und that, als suche er etwas unter den Hüten und Stöcken. Es kamen neue Gäste. Nieniand achtete auf ihn. Er ging leise vor der Flnrthür des Boudoirs auf und nieder und lauschte. Von ferne glaubte er Maschas Stimme zu ver- nehmen. Ihm schwindelte. Ohne zu denken, ohne zu wissen, was er wollte, versuchte er. ob auch diese Thür verschloffen war. Im nächsten Augenblick stand er allein im Boudoir. Die Thür zu Maschas Schlafzimmer war nur angelehnt. Er hörte Seide knistern und eine fremde Frauenstimme, die Mascha über ihren Teüit Schmeichelhaftes sagte. Aber hinten muß wo eine Falte sein," vernahm er plötzlich Maschas Sttmme.Ich bin doch nicht bucklig! Alle Herren finden immer meinen Rücken am schönsten." Er kommt auch großartig zur Geltung," sagte die fremde Stimme.Gnädige Frau sollten sich nur von rückwärts sehen können. Es ist wirklich zum Anbeißen." Bohrmann schleppte sich zur Chaiselongue und sank da völlig kraftlos auf den Teppich nieder. Den Kopf legte er in das Kissen und weinte, er wußte selbst nicht, warum. Das alles war nur so häßlich, so furchtbar häßlich. Er hörte nicht mehr zu. Äls er wieder zu sich kam, schien Mascha wieder guter Laune zu fem. Sie plauderte mit ihrem Dienstmädchen, das ihr ebenfalls Schmeicheleien sagte. Bohrmann stand auf und rückte dabei an der Chaiselongue. Wer ist da?" fragte Mascha, und das Dienstmädchen kicherte. Wer ist da?" rief Mascha noch einmal. Jetzt hörte Bohrmann, wie sie das Dienstmädchen hinaus- schickte. Es sei wohl niemand. Dann trat sie auf die Schwelle des Boudoirs mit einenr Lächeln auf den Lippen, wie Bohr- mann es noch nie an ihr gesehen hatte. Das Lächeln ver- schwand sofort, als sie Bohrmann erkannte. Sie sind es?" rief sie verwundert.Was wollen Sie denn hier?" Noch nie war sie dem Lehrer so schön erschienen wie jetzt. Was sie an hatte, sah er nicht. Er sah nur, wie der Kopf und Hals und Busen aus ettvas Hellcni, Duftigem, aus. etivas wie gemalte Rosenblätter oder wie Spitzen oder wie Spinngewebe, herausleuchteten. Er wußte nicht, was er wollte und was er sprach. Er schlug nur in angstvoller Not die Hände zusammen und rief: Mascha, hilf mir l Mascha, was hast Du ans mir ge- macht?" Sie lehnte sich an die Thür und strich ein Lvckchen hinters Ohr zurück. Seien Sie doch nicht kindisch, lieber... mein lieber Hansl Was wollen Sie denn? Seien Sie doch zufrieden! Sie gehören jetzt unsrein Kreise an und werden Ihren Weg schon machen." Mascha I" rief Bohrmann und rang verzweifelt die Hände. Was hast Du aus mir gemacht I Liebst Du mich denn nicht mehr?" Mascha ließ die Augen über ihn hingleiten. Schott zuckte etivas um ihre Lippen, dann streckte sie sich in ihrent neuen Kleide, daß es knisterte, und sagte rasch: Jetzt nicht." Mascha!" Was wollen Sic denn?" Bohrmann stöhnte: Küssen 1" Und wild sprang er auf sie zu. Sie hielt ihm den Arm entgegen und rief kichernd: Jetzt nicht. Rühren Sie mich nicht an!... Einen einzigen Kuß meinetwegen. Aber vorsichtig I Hände weg l" Sie lehnte den Kopf zurück und bot ihm die Lippen. Begierig beugte Bohrmann sich hinab und berührte die Lippen und preßte ihre Hände, und langsam, langsam fühlte er, daß sie ihn noch liebte, daß sie noch sein war. Da stieß ihn Mascha plötzlich mit einem heftigen Stoß von sich. Hilde stand mit ihrem träumerischen Gesicht neben ihnen auf der Schwelle des Schlafzimmers. Da haben wtr's! Esel l" rief Mascha und stampfte mit dem Fuße auf. Verloren I" rief Bohrmann und stürzte aus dem Boudoir hinaus. XXXIII. Atlf dem Flur begegnete Bohrmann dem Doktor Hantinger. Ich begreife Ihre Aufregung." rief dieser ihn au.Ich suche Sie überall. Hat Mascha Sie trösten muffen? Ich komme nächstens zu Ihnen, und wir machen die Sache ab, schriftlich." Ganz wie Sie wollen," sagte Bohrmann gedanken- los. Nur allein sein wollte er, allein niit seinem Gewissen, uni rasch und kurz zu einem männlichen Entschluß zu kommen. Aber überall waren Menschen, Gäste oder die Leute von der Dienerschaft. Die Gäste sprachen ihn an, und Diener und Dienstmädchen fragten ih«, wohin er wolle. Einer der Lohndiener fragte gar nicht erst und wies ihm dienst- gefällig einen Weg. Bohrmann kehrte entrüstet um und wollte auf die Straße hinunter. Aber hatte er nicht Pflichten gegen Hilde? Entschlossen öffnete er noch einmal vom Flur aus die Thür zum Boudoir. Er wollte seine Frau in Schutz nehmen oder ihr Rede stehen, je nachdem. Nur nicht feige sein! Die beiden Frauen mußten das Zimmer verlassen haben. Wer weiß, nach welchen Worten! Einerlei, er war