323
verehrte Freundin, auf die Schwägerin dieses gastfreien Hauses, auf Frau Marie Neumann.
11
Mieze, er uzt Dir," rief Herr Neumann dazwischen. Aber alles, was zum Kronprinzen- Theater gehörte, ja auch die Partei des Schauspielers Dracklin, und sogar er selbst that sich ein Gutes nach dem vornehmen Zwange, und laut schallte es zur Decke, als man die Frau des Theaterbesizers dreimal in vielstimmigem Gesange hochleben ließ.
-
bei Ihrem Anblick die alten Römer und Griechen bedauern muß... die klassischen Völker haben niemals eine so schöne Dame auf der Bühne sehen können."
Reden Sie doch keinen Unsinn, Dokter!! Damals haben wir doch nicht einmal ein Korsett getragen, und die Kleider waren durchfichtig. Denken Sie nur an die schöne Helena." Bohrmann erschrat, dann fuhr er tapfer fort: ,, Ass, tss," flüsterte Doktor Kattowizer. Eine Frech-" Die Griechen und Römer konnten eine so schöne heit hat dieser Hantinger!„ Das hätte nicht einmal ich ge- Dame in ihrem Theater nicht sehen, weil es damals wagt!... Ich glaube, die beiden Schwägerinnen reißen weder auf der Bühne noch im Zuschauerraum weibliche sich noch heute gegenseitig die Perücken vom Kopfe, wie Wesen gab. Nur Männer spielten und nur Männer Brunnhilde und Kriemhilde vor der Kirche gethan haben hörten zu." sollen." " Haben denn die beiden Damen einen gemeinsamen Liebhaber?" fragte die bildschöne Fifi.
,, Wenn Sie halb so naiv sind wie Ihr Mund, Fräulein Fifi", flüsterte Doktor Kattowißer lachend, so ist die Mauerhofer..., wie soll ich sagen?... so ist die Mauerhofer eine ausgediente Heldenmutter gegen Sie!... Nein, mein Schatz, die beiden Damen sind edle Frauen und uneigennüßige Freundinnen der Kunst. Nur daß unsre holde Wirtin den Dracklin protegiert und ihre Schwägerin den gerissenen Kerl, den Hantinger. Salche Sachen wie Liebhaber dürfen Sie nicht sagen, edle Fifi. So unfittlich ist man nur in Berlin W. Da geben Börsenspekulanten und Journalisten, Juden und Zeitungen, den Ton an. Berlin W. ist von Paris angesteckt, dem Sündenbabel. Hier sind wir im Herzen Deutschlands , in Berlin N. Hier gedeiht noch ehrliche Arbeit; blicken Sie auf Neumann, den festbegründeten Hausbesizer, blicken Sie auf Lose, der sich für das Wohl seiner Mitbürger aufreibt. Hier haben die Frauen keine Liebhaber, gute Fifi. Und wenn fie einander nachher doch in die Haare fahren werden... Es hat eben ein Vorspiel gegeben."
Und Dottor Kattowiger erzählte, daß Herr Neumann vor Tisch alle Beteiligten zusammengebracht habe, um eine Aussprache über das Theater herbeizuführen. Hantinger habe den Dracklin zu überzeugen gesucht, daß ein mehrjähriger garantierter Vertrag für ihn günstiger sei, als die Direktor stelle. Da habe Mascha das Gespräch damit unterbrochen, daß sie über die hohe Taille ihrer Schwägerin eine freundliche Bemerkung machte. Eine köstliche, freundliche Bemerkung; sie habe mit keinem Worte gesagt, daß Frau Neumann es nötig hätte, hoch zu gehen. Aber Hantinger werde bis an sein Lebensende der Wüstenprediger heißen. Frau Neumann habe sich famos benommen. Er habe an den Bank- zwischen Elisabeth und Maria Stuart denken müssen. Sie wissen doch! Das mit der allgemeinen Schönh", wenn man die gemeine ist für alle. Es war ganz unpersönlich. Niemand brauchte etwas zu bemerken."
"
Aber es war doch wunderschön. Ich hoffe und glaube, die Neumann setzt es durch."
Fräulein Fifi stieß ein Ah! der Verwunderung hervor. Dann sagte sie ruhig:
" Ich weiß, daß ich ungebildet bin. Aber für so dumm müssen Sie mich nicht halten. Die schöne Helena und die Euridice sind gewiß nicht von Männern gesungen worden. Und dann... ich glaub's nicht. Die Herren gehen doch nur unsertwegen ins Theater und die Damen der Herren wegen. Es kann also nicht wahr sein, was Sie sagen."
Doktor Kattowizer hatte dem Gespräche unter den Beichen höchster Beluftigung zugehört.
,, Sie sind nicht nur das schönste Weib, Fifi, Sie sind auch das weifeste Weib. Und er redete tolles Zeug über griechische Sitten und Unfitten. ( Fortsetzung folgt.)
Eine Geschichte der Karikatur.")
Eine Weltgeschichte der verzerrten Welt zu schreiben, hat Eduard Fuchs im Verein mit Hans Krämer unternommen. Der vorliegende Anfang des großen Unternehmens berechtigt zu den besten Erwartungen. Die Verfasser des Werks vereinigen in glücklicher Weise die Eigenschaften, die zum Gelingen eines solchen Versuchs, der in haften Enthusiasmus für ihre Aufgabe, Sachkenntnis sowie eine deutscher Sprache bisher nicht unternommen worden ist: einen lebschriftstellerisch gestaltende und geschichtsfritisch sondernde Kraft, die die Fülle des von ihnen zusammengebrachten Materials zu sichten und zu ordnen versteht.
In der Geschichte der Karikatur spiegelt sich vielleicht am grellsten und anschaulichsten die Entwicklung der Gesellschaft, der politisch- wirtschaftlichen Verhältnisse, der Weltanschauumg, des fittlichen Lebens, der Ideale, und nebfidem erhalten wir noch in ihr eine Geschichte das Ewige und das Bergängliche, das Höchste und das Gemeinste formt sich der künstlerisch- phantastischen Ausdrucksfähigkeit. Menschen und Moden, in diesem Universum des Lachens und des Gelächters. Bom gelinden Spaß, der harmlos Unbeträchtliches tibelt, steigt die Karikatur bald in neckender Uebertreibung der natürlichen Körperformen, bald int phantastischer Kontrastierung des Widersprechenden, in zierlicher Frivolität und roher Zote, technisch vollendet oder künstlerisch dürftig, empor zum heufenden Hohn, der in Bohrmann hatte alle diese häßlichen Gespräche, die ihn erscheint als allerliebster Spötter über gesellschaftliche Schwächen, als dämonischer Gewalt Welten zu zertrümmern vermag. Die Karikatur schmerzten, über sich ergehen lassen müssen. Frau Kietz an fabulierender Kobold und Buck, als Mephistopheles , der boshaft zeigt, feiner andren Seite sprach kein Wort und knurrte nur von Zeit wie alles Menschliche im Dreck zu Grunde geht, aber auch als zu Zeit bei einem besonders guten Bissen behaglich vor sich Eiferer, Schwärmer und furchtbarer Ankläger. Judem die Ueber hin. Dabei schien sie alle Bemerkungen Kattowitzers zu vertreibung das Charakteristische auswählt, trifft die Geschichte des nehmen und sie sogar hübsch zu finden. Denn wenn er eine Spottes immer das Wesentliche der Zeit. Die Geschichte der Pause machte, um ein paar tiefe Atemzüge zu holen, so nickte Karikatur ist eine Weltgeschichte in Epigrammen der Anschauung. sie dem boshaften Menschen mitunter aufmunternd zu. Ein Kein noch so ausführliches Pamphlet gegen den römischen mal hatte sie sogar gesagt: Kaiser Caligula vermag die Bestialität des wahnsinnigen Unabgebildete zeitgenössische Starikatur auf den Kaiser, in der die edlen holds deutlicher zu zeichnen, als jene in dem vorliegenden Werk Linien des menschlichen Körpers zu einem Slumpen ellen Unflats geschwollen sind; in diesem verzerrten Portrait des Kaisers fühlt man die Gemeinheit seiner Natur noch heute mit allen Sinnen. Und da in der Karikatur das letzte Wort fühn ausgesprochen, da alle Schleier fallen und der wirkliche Mensch aus seinen Verstecken der Scham und Heuchelei erbarmungslos hervorgeschleppt wird, so gestaltet sich diese scheinbare Lügenwelt der Uebertreibung
Janz so jemeene jeht es uf der Welt zu. Auch in die Rosenthaler Gegend Aber die Menschen sind doch jut. Darieber muß ich mir immer wundern."
Jezt atmete sie schwer und ruhig; sie hatte die Gabel hingelegt, sie konnte nicht mehr. Bohrmann erwachte aus seinem Brüten und dachte an sirgend eine Unterhaltung, die jekt anzufangen wohl die höchste Zeit war. Die Rietz tam ihm aber zuvor.
" Nee, lieber Herr Elaufing, meinetivegen brauchen Sie sich kein Bein auszureißen. Aber der bildschönen Person neben Ihnen müssen Sie mal sagen, daß sie bildschön ist. Sie wird's nicht übelnehmen."
einem wahreren Bilde der Eigentümlichkeiten und Schicksale der Geschichtsschreibung, die doch immer nur die verworfene Vermenschlichen Gesellschaft, als die dicken Bücher angeblich objektiver gänglichkeit der herrschenden Gewalten schminkend einbalsamieren.
Gewiß hat auch der Genius der Karikatur sich prostituiert und Bohrmann sann eine Weile nach, drechselte sich im Geist sich den Mächten der Finsternis verdungen, im Grunde seines Wesens ein feines Kompliment zurecht, räusperte sich und sagte war der Schalt aber allezeit ein guter und tapferer Revolutionär, endlich: der mit seiner Geißel lachend die Götzen seiner Zeit blutig
Gestatten Sie, mein gnädiges Fräulein Fifi... entschuldigen Sie, aber ich hörte Sie Fift nennen und erlaubte mir deshalb
der europäischen Völker vom Altertum bis zur *) Eduard Fuchs und Hans Krämer, DieKarikatur Neuzeit. Mit 450 Bildern und 60 Beilagen. Verlag von A. Hof mann u. Comp., Berlin . 20 Lieferungen. Jedes Heft 75 Pf.„ Erlauben Sie mir die Bemerkung, Fräulein Fift, daß ich Bisher find 3 Lieferungen erschienen.
,, So heiß' ich doch."