Sic meine Einladung angenommen haben, mit der ich Sie so plötzlich überfiel!" Sie streckte ihm lächelnd die Hand entgegen. Sie war nicht hübsch, aber ungemein anziehend, eine kleine, zierliche Hellblondine mit einem feinen, runden Köpfchen, gekrausten Haaren und sauftblauen Augen. Ihr Gatte hatte sie stets beklagenswert unbedeutend gefunden, ohne anscheinend irgend­welches Verständnis zu besitzen für die unerschöpfliche Herzens- güte und den gesunden Verstand, die sich unter ihrer Einfach­heit bargen. Lucas hatte ihre Hand erfaßt und einen Augenblick zwischen seinen beiden festgehalten. Ich bin es, der Ihnen zu danken hat, daß Sie so liebenswürdig waren, meiner zu gedenken. Ich bin so glück­lich, so glücklich, Sie wiederzusehen!" Sie war um drei Jahre älter als er, und sie hatte ihn in dem armseligen Hause in der Nue de Bercy kennen gelernt, das er damals bewohnte und das in der Nähe der Fabrik lag, in welcher er als Hilfsingenienr seine Laufbahn begonnen hatte. Im stillen ihre Wohlthätigkeit ausübend, machte sie selbst ihre Besuche bei den Armen, und so war sie auch zu einem Maurer gekommen, der mit sechs Kindern, wovon zwei Mädchen in zartem Alter, Witwer geworden war. In der elenden Behausung des Maurers hatte sie nun, als sie eines Abends Brot und Wäsche hinbrachte, den jungen Mann an- getroffen, der die zwei kleinen Mädchen auf den Knien hielt. So wurden sie bekannt, und er hatte bald Gelegenheit, in ihrem Palais im Park Monceau vorzusprechen, um ihre gemeinsamen mild- thätigen Werkesjmit ihr zu beraten. Eine starke Sympathie hatte sie einander genähert, er ward ihr Gehilfe, ihr geheimer Bote bei Besorgungen, von denen niemand außer ihnen wußte. Er war dann ein regelmäßiger Gast des Hauses ge- worden, war zwei Winter hindurch zu deu Soireen geladen gewesen und hatte dort auch die Geschwister Jordan kennen gelernt. Wenn Sie wüßten, wie Sie fehlen, wie Sie beweint werden!" begnügte er sich hinzuzufügen, als einzige An- spielung auf ihre einstige gemeinsame geheime Thätigkeit. Sie erwiderte leise und bewegt: Wenn ich an Sie denke, bin ich tief betrübt, daß Sie Nicht hier sind, wo eS so viel z» thun gäbe!" Der kleine Paul lief jetzt mit Blumen in der Hand herbei, und Lucas war erstaunt, ihn so gewachsen zu finden. Der Knabe, ein blandes, zartes, sanftes und heiteres Kind, ähnelte seiner Mutter sehr. Ei ja," sagte diese fröhlich,«er wird nun bald sieben Jahre alt und ist schon ein kleiner Mami. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verboten). 4v) Vio bunkv Vvtho. Berliner Roman. Von Fritz Mauthner . Bohrmann konnte nicht folgen. Seit einer Weile stand der Kaiser Nero, der Schauspieler Dracklin, der mit Herrn Neumann zusammen Lizzi zu Tisch geführt und am Ende der zweiten Tafel gesessen hatte, hinter Mascha und flüsterte mit ihr, ernst und geheim. Denn Mascha wurde unruhig und stand plötzlich auf, während die Gäste beim Naschwerk waren und da und dort schon einer der Herren mit einer Cigarette spielte. Die Beiden flüsterten und Mascha wurde rot. Dann kam sie plötzlich mit dem Champagnerglase in der Hand um den Tisch herum. Sie stieß mit einigen Herren im Vorübergehen flüch- tig an, rief ihnen auch wohl einige Worte zu, aber Bohrmann glaubte zu sehen, daß Mascha zu ihm wollte. Sie hatte etwas vor. Jetzt stand sie hinter der Kietz und sagte zu ihr so leise, daß er es wohl nicht hören sollte: Liebste, beste Kietz I Du mußt Deinem Herzen einen Stoß geben. Der Dracklin I Es handelt sich um eine Lebens- rettung. Du mußt mir tausend Thaler geben. Er schießt sich sonst tot." Der arme Mensch," rief die Kietz, und ihre Augen schwammen in Schweiß und Thräuen. Daß Mascha sie wieder mal duzte.Auf der Stelle kann er eine Anweisung auf zweihundert Thaler haben." Das nützt mir nichts," rief Mascha erregt.Sei doch nicht so ein Bock, Kietz. Er braucht tausend." Die kriegt er nicht," sagte die Kietz heftig und laut. »So viel giebt es nicht, so viel hat es nicht. Du kennst mich." Mit blaffen Lippen und frenndlichem Lächeln stieß Mascha mit der Kietz und mit Bohnnaun an. Dann ging sie hener und ruhig weiter, nickte jedem zu, plauderte da und dort einen Augenblick, und als sie wieder an ihrem Platze war, schüttelte sie, zu Dracklin gewendet, den Kopf und hob die Tafel auf. Es dauerte eine ganze Weile, bis alle Gäste einander die Hand gedrückt, die Bekannten einander begrüßt und die Herren ihre Cigarren erhalten hatten. Bohrmann wollte wieder in sein stilles Brüten versinken, als Doktor Kattowitzer, mit Doktor Raskel und der Mauerhofer eilig auf ihn zukamen und ihn in eine Ecke drängten. Wenn Sie es durchsetzen," sagte Doktor Raskel und warf teilte blonde Mähne znrück,so sind wir gute Freunde." Was denn?" fragte Bohrmann, erstaunt, daß man sich noch um ihn bekümmerte. Sein Drama hatte man ihm ans der Hand gewunden! Mascha wird ihm seine Unvorsichtigkeit nie verzeihen I Was machte er noch hier? So geht das nicht, Raskel," sagte Kattowitzer.Mit diesem Mann muß man laugsam und deutlich reden. Hören Sie, Bohrmann! Unsere Interessen sind dieselben. Wenn Hautinger nicht Direktor wird, wenn Mascha ihren Dracklin durchsetzt, so ist das Kronprinzen- Theater für uns alle ver- loren. Dann macht Dracklin mit der Szckal klassisches Re- pertoire, dann wirdDie gelbe Katze" nur als Lückenbüßer gegeben, und dann wirdDas Hohe Lied " überhaupt nicht aufgeführt... aus Rücksicht auf Goethe. Sie verstehen doch?... Siegt Dracklin über Hautinger, so siegt die Szekal über die Mauerhofer und der Cigarren Fabrikant über unsren Freund Raskel. Das verstehen sie doch. Bohr- mann?" Gewiß, gewiß, meine Herren." Es ist die höchste Zeit. Mascha hat es über sich ge- Wonnen, ihren Dracklin neben Lizzi zu setzen, nur damit Neu» mann und Dracklin sich anfreunden. Bohnnaun, Mensch, haben Sie denn keine Ehre im Leibe! Sie dürfen sich das doch nicht gefallen lassen! Sie haben ja Mascha Lose in der Hand! Zeigen Sie ihr den Mann. Sie können es verlangen, daß Sie den Dracklin preisgiebt." Gewiß, meine Herren," sagte Bohrmann, und er fühlte etwas wie Fröhlichkeit im Herzen. So hatte er zu schwarz gesehen. So achtete man ihn noch als den Dichter desHohen Lieds"! So glaubte man noch an Maschas reine Neigung zu ihm l Zu diesem Doktor Kattoivitzer hatte er unbegrenztes Vertrauen! Wohl hatte Bohrmann das Bedürfnis, zu rufen: Es ist alles vorbei I Mein Stück habe ich verkauft und verraten I Und ich selbst bin verraten und verkauft von Mascha I Aber Doktor Kattowitzer mußte das besser wiffen. Was soll ich Mascha sagen?" fragte Bohrmann. Er bemerkte gar nicht, daß er die Freundin vor Fremden einfach Mascha genannt hatte. Sie werden doch wiffen, wie man solche Weiber be- handelt," sagte Doktor Raskel.Mit Zuckerbrot und Peitsche. Sie haben doch eine Peitsche bei sich?" Bevor Bohnnaun noch etwas antworten konnte, trat Frau Neumann zu der Gruppe. Mit ihrer steifen Haltung, in ihrem hohen schwarzen Kleide sah sie aus wie ein Pfarrer auf einer Hochzeit. Wie steht's?" riefen Doktor Raskel und Doktor Katto- witzer ihr zu. Ich habe die Ueberzeugung, daß die Tüchtigkeit und das Recht des Herrn Doktor Hantinger siegen werden," sagte Frau Neumann ruhig: dabei aber zuckte es nervös um ihren Mund. Frau Mieze, Frau Mieze," rief die Mauerhofer.Wie konnten Sie nur zugeben, daß Dracklin zu Ihrem Manne ge- setzt wurde? Ihr Manu hätte sich's verbitten müssen." Ich vertraue blindlings der Klugheit des Herrn Doktor Hantiuger," sagte Frau Neumaun und blickte suchend umher. Es war gar nicht Maschas Einfall. Neumaun hat darum ersucht. Auf den Rat des Herrn Doktor Hantinger." Dann hat Hantinger was vor!" rief Doktor Kattowitzer. Leise, wie beschämt von der Nennung des Namens, sagte Frau Neumann: Lizzi ist für uns. Fräulein Lizzi sollte für uns arbeiten... Sehen Sie nur! Hantiuger ist doch der Klügste l" Eben kamen Hantinger und Dracklin wie die vertrautesten Freunde Arm in Arm durch den Saal und begaben sich eilig