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eines arbeitenden Riesen, eines an die ewige Arbeit ge- 1 schmiedeten leidensvollen Prometheus glichen. Und seine Be­flemmung steigerte sich, sein Fieber ließ nicht nach, die Menschen und Dinge der drei letzten Tage erhoben sich in Maffen in seinem Gedächtnisse, zogen in schicksalsschwerem Gedränge vorbei, dessen Deutung er vergeblich zu erfassen strebte, quälten ihn mit dem furchtbaren Problem, das mehr und mehr von seiner Seele Besiz ergriffen hatte, und das ihn nun, er fühlte es, nicht würde schlafen lassen, ehe er seine Lösung gefunden.

Blöblich glaubte er unter dem Fenster, auf der gegen­überliegenden Seite der Straße, zwischen den Gebüschen und Felsblöcken ein andres Geräusch zu hören, so schwach und leise, daß er es nicht zu deuten wußte. War es das Flattern eines Vogels, das Rascheln einer Eidechse zwischen den Steinen? Er blickte aufmerksam hin und sah nichts als die endlose, wogende Finsternis. Es war offenbar eine Täuschung gewesen. Da tam das Geräusch wieder und aus dichterer Nähe. Lebhaft interessiert, von einer seltsamen Bewegung ergriffen, über die er selbst erstaunt war, bemühte er sich, die Finsternis zu durchdringen, und unterschied endlich eine schatten­hafte, zarte, feine Gestalt, die auf den Spizen der Gräfer zu schweben schien. Er konnte sich über die Natur der Erscheinung nicht klar werden und wollte schon an eine Sinnestäuschung glauben, als plöglich eine weibliche Gestalt mit dem leichten Sprung eines Rehs die Straße übersetzte, und ihm ein fleines Sträußchen so geschickt zuwarf, daß es gleich einer Liebkofung seine Wange streifte. Es war ein Sträußchen eben erst gepflückter Bergnelfen von so starkem Geruch, daß die Luft um ihn davon ganz durchduftet war. 19 Josine? Er erriet, daß es Jofine war, er erkannte sie an diesem erneuten Ausdruck ihrer innigen Erkenntlichkeit, an diesem zarten Zeichen ihres dankbaren Gedankens. Wie entzückend war dieser ihm in später Nacht aus der Finsternis zufliegende Blumengruß! Er konnte sich nicht erklären, wie sie hierher tam, wo sie seine Heimkehr abgewartet hatte, wieso sie vom Haufe hatte fortfchlüpfen können vermutlich hatte Ragu heute Nachtarbeit. Ohne ein Wort, ihm bloß mit diesen einfachen Blumen ihre Seele zusendend, eilte sie von dannen, verschwand in der Finsternis des felsigen Geländes; und Lucas bemerkte jetzt erst einen andren, fleineren Schatten, Nanet offenbar, der neben ihr herlief. Dann sah er nichts mehr und hörte mur wieder dasou taktmäßige Pochen der Hämmer der Hölle aus der Ferne. Sein Seelenbedrängnis war nicht behoben, aber ein heißes Gefühl ergoß sich kräftigend über sein Herz. Güte, die du das brüderliche Band zwischen alle Menschen schlingst, Sanftmut, die du den Frieden bringst, Liebe, die du die Welt erlösen und neugestalten wirst out

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Das edle Vich.

Von Hans Ostwald .

( Nachdruck verboten.)

" Ja, Herr, nu müssen Sie mi aberst seggen, ob id bleiben soll, ob Sie mir uff meinen Lohn zulegen. Der Herr drüben von Gampischtehmen will nu all bis heut abend das legte Wort hören- ich muß doch nu wissen..." " Ja, ja! Nu spannen Sie man an, Kußner. Wir sprechen nachher noch drüber!"

" Nachher, nachher is't tau- spät!"

" Na, nu reden Sie nicht zu viel! Es eilt! Es eilt!"

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Der Gutsbefizer lief ungeduldig auf der Veranda hin und her. Die Fohlen, die jenseits der gepflasterten Fahrstraße zwischen den Hofgebäuden fich tummelten, hielten nicht wie sonst seinen Blid fest. Er jah nur dem Kutscher nach, der haftig nach der Remise lief, die Kutsche hervorzog und die Pferde, die ein alter Mann herausführte, anschirrte. Dann kamen sie mit geblähten Nüstern heran. Der Kutscher hatte Mühe, fie fo lange zu bändigen, bis der Gutsbefizer ein­gestiegen. Ueber den Hof gingen sie noch ruhig. Das Pflaster, über das der Wagen hinwegknatterte, ließ sie nicht so vorwärts­schießen. Aber im freien Wege raften sie dahin. Der Gutsbefizer atmete wie befreit auf, als der Wind ihm so am Hut zerrie und die weißfleckigen Stämmen einen Augenblick auf, dann waren sie schon Mantelpellerine schüttelte. Die Birken am Wege tauchten mit ihren im Rüden. Und die Felderstreifen mit den eggenden Gruppen, bei denen der Wind leichte Staubwollen aufwirbelte, rollten wir im Fluge vorüber.

Was die Rappen doch hinter sich schaffen! dachte der Gutsbesizer. Da komme ich vielleicht doch noch zur Zeit, ehe der Bengel wieder Pferde und Wagen verspielt hat...

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treiben könne. Aber Rußner hatte den Rappen schon die Zügel ganz Und er beugte sich vor, ob man die Tiere nicht noch etwas an frei gegeben, daß sie schlapp auf den glänzenden, glatten Rüden lagen. Aha, der wollte also auch so rasch wie möglich am Biel sein und dann zurück. Ja, das mochte dem wohl so paffen. Dann noch rüber nach Gampischkehmen. Damit der Bauer da den besten Kutscher friegte. Nee, die Freunde wollte er den Beiden doch nicht gönnen. Gewiß, wenn er dem Kußner dreißig Mark im Jahr mehr gab aber das sollte ihm grade einfallen. Jezt, wo der Bengel, der Wilhelm wieder solche Geschichten machte! Daß man dem auch nichts anvertrauen fonnte! Da sollte er i bloß Chilifalpeter holen gleich fett er sich wieder im Russischen Hof" fest.

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Na, aber diesmal sollte das doch nicht so abgehen. Es war doch fein, daß er sich das Telephon hatte legen lassen. Da hätte ihm doch der Doktor gleich die Sache mit dem Bengel durchsprechen) tönnen. Nun war schließlich noch das Fuhrwert zu retten. Und die paar hundert Markna, die mochten flöten gehen....

Die Rappen hatten schon vor der Dämmerung die Stadt erreicht. die Stufen hinaufsprangen, und die Frauen, die über den Damm Das rasselte nun über das holprige Pflaster, daß die Kinder erschreckt wollten, schen an die Mauern zurüdwichen.

Ehe das Gasthaus in Sicht war, hatte der Gutsbesitzer das 16 dit tints in mod dini ploppiSchutzleder zurückgeschlagen und stand auf dem Tritt.. Als der Gun@ si cijele godiV. Kutscher die Pferde parierte, war der Gutsbesitzer schon abgesprungen und eilte die Stufen hinaufted and trade at othe Hinter ihm drein rief der Kutscher : sid

Lucas verlöschte das Licht und legte sich zu Bett, in der Hoffnung, daß seine körperliche und geistige Ermattung ihm den Schlaf bringen werde, in welchem das Fieber Aber Herr von Rees , id muß heut noch Bescheid haben!" Ungeduldig, ohne sich anzudrehen, winkte der Gutsbefizer mit seines Wesens zur Ruhe käme. Aber er lag in der der Hand. Wird schon werden. Was, bei solcher Sache, da mußte Dunkelheit und tiefen Stille des großen Zimmers, ohne die der Kerl doch denken, daß sein Herr den Kopf mit andren Dingen Lider schließen zu können; mit weitgeöffneten Augen starrte er voll hatte

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Macht mal Blayz... hier, auf der Furche gehe ich von der einen was, ich kann nich mehr auf einer Linie gehen? Plat Wand bis zur andren, ohne abzuweichen!"

in die Finsternis, der nicht abzuweisende, verzehrende Gedanke Ohne sich im ersten Zimmer, wo der Schanktisch stand, lange brannte glühend in seiner Seele und hielt ihn in qualvoller aufzuhalten, ging Herr von Rees nach dem letzten Raun. Er sah Schlaflosigkeit wach. za 914 19joi schichon von weitem durch die offenen Thüren, wie dort hinten sich, cine Und wieder und immer wieder tauchte Josine vor seinen luftige Gesellschaft unterhielt. Augen auf, mit ihrer zarten Gestalt, mit dem leidensvoll an­mutigen Kindergefichtchen. Er sah sie weinend, hungernd, ein­geschüchtert beim Thor der Hölle warten; er sah sie in der Es war Wilhelm, der mit schwer vornüber geneigtem Kopf am Schenke, von Ragu zur Thür hinausgestoßen mit solcher Brutalität, Thürpfosten stand, die Beine vorsetzte, aber den Körper nicht mit daß ihre verstümmelte Hand zu bluten begann; er sah sie fortbekommen konnte und langsam am Thürpfosten hinab auf den auf der Bank am Ufer der Mionne sigen, allein und verlassen Boden glitt.thar in der unbarmherzigen Nacht, ohne andren Ausweg als das Versinken in den tiefsten Pfuhl der Schande, gierig ihren Hunger stillend wie ein verirrtes Tier. Und jetzt, nach diesen ereignisreichen drei Tagen, in welchen ihm das Schicksal un­verhofft und fast ohne sein Dazuthun Bild auf Bild von der ungerecht verteilten, gleich einer Schande verachteten, das entsetzliche Elend der weitaus meisten herbeiführenden Arbeit gezeigt hatte, vereinigte sich alles Gefehene für ihn in der leidenden Gestalt dieses armen Mädchens, das so schreckliches zu erdulden hatte. Fortsetzung folgt.)

Das machte ihm selbst so viel Spaß, daß er mit den andren lachte: älteren dicbäuchigen Kerlen mit vollen, brutalen Gefichtern. Nur einer sah vornehmer aus. Das war der Getreidehändler Matutat. Er war hager, fast vertrocknet. Aber seine schmale, scharfe Nase, die grauen Koteletten vor den Ohren und die aufrechte Haltung gaben ihm ein würdiges Ansehen. Seinen schmalen feinrunzeligen Händen konnte man nicht ansehen, wie geschickt sie beim Banthalten das Geld einfcharren konnten...

Herr von Reez atmete auf. Na, heute schienen sie hier gar nicht zu spielen. Aber da ſagte sein auf der Erde fitzender Sohn: Ach. Papa, das ist aber mal fein, daß Du kommst. Ich hätte mir sonst ein Fuhrwert nehmen müssen. Der Kerl da hat mal wieder alles. alles hat er!"

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Und er lachte und legte seinen Oberkörper weit vornüber.

Bitte schön, Herr von Reeg," meinte Matutat zuvorkommend, wenn Ihnen an den Tieren liegt, ich gebe sie gern zurück gegen achtzehnhundert Mart."