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so principiell wie bei früheren Gelegenheiten. Als geborene Buite die unerhört lächerliche Niederlage der Fuselparteien hatte ihm offens famer verstand fie genug von der Branntweingesetzgebung, um die bar die Farbe aus dem Antlig getrieben. Jetzt war alles verloren. Man Wichtigkeit der Sache einzusehen. Wie der Graf ihr dann mit un hatte sich unsterblich blamiert. Nicht nur die Verdoppelung der Brennsteuer gewöhnlicher Lebhaftigkeit und und einem durchaus einwandfreien war dahin, die Steuer war ganz und gar futsch. Der Graf berechnete den Ernst die ökonomischen Folgen des Gesetzes für das eigne Schaden, so gut es bei seineni zermarterten Hiru gehen wollte. Das Wirtschaftsbudget auseinanderseßte, war die geborne Buttfamer allerschlimmste dabei war: das Fehlen einer einzigen Stimme schon halb gewonnen. Und als er mit betvegter Stimme, den war an dem Ganzen schuld. Segen der Verdoppelung der Brennsteuer beweisend, ausrief: Der Dem Grafen war nicht wohl. Er fürchtete sich vor den Auss alte Gott der Junker lebt noch, der läßt die Landwirtschaft nicht zu einanderseyungen mit seiner treuen Gattin. Mit dem letzten Auf­Schanden werden da war die fromme Seele der Gemahlin tief gebot seiner ihm jeden Augenblick entfliehenden Geisteskraft überlegte erschüttert und nur noch schwach sträubte sie sich gegen die Fahrt in er, wie er das erste Zusammentreffen am schicklichsten einrichten den Sündenpfuhl. Schließlich wurde auch der letzte Rest des Wider- könnte. Da half mur Eines: er mußte den wilden Mann spielen, Er dachte spruchs beseitigt durch den zahlenmäßigen Hinweis auf die durch er mußte Furcht und Schrecken verbreiten, er mußte die Reise und das Gesez ermöglichten Liebesgaben für die Familie: qualvoll an den Belz, den er nicht hatte kaufen können. Von der der Gräfin würde er einen neuen Belz für die Winter- Schweizer Pension war nun auch keine Rede, und die Zulage des gottesdienste in der ungeheizten Dorffirche mitbringen können. Lieutenants mußte entsprechend den verminderten Erträgnissen des Ferner würde die Verdoppelung der Brennsteuer es erlauben, Branntweins gekürzt werden. Der unglückliche Junker war dem dem Lieblingssohn der Gräfin, der Lieutenant bei den Garde- Weinen nah! Husaren war, die Zulage nicht unbeträchtlich zu erhöhen, und endlich fönne man dann auch daran denken, die fünfzehnjährige Tochter nach Vevey oder Lausanne auf drei Jahre in ein Pensionat zu schicken.

Da ließ die Gräfin den Gemahl gen Berlin fahren, sie packte ihm eigenhändig und zärtlich seinen Reisekoffer und legte zwischen feine wollenen Strümpfe ihre Photographie, das Rene Testament und das Gesangbuch. Zum Schluß gab sie ihm noch das Wort der Lebensweisheit auf den Weg: Ich bitte Dich, Botho, sorge dafür, daß Deine persönlichen Ausgaben in Berlin nicht den Ertrag des ganzen Gesetzes übersteigen. Und am Dienstagabend bist Du wieder hier!"

Botho Graf Kietz- Geierhorst stürzte sich sofort nach seiner Ankunft in die parlamentarischen Geschäfte. Er übte sich im Aufstehen, im Ja- Rufen, in Heiterkeit, großer Heiterfeit, stürmischer Heiterkeit, in Widerspruch rechts und lebhafter Unruhe, in Lachen rechts, Bravo , Hört- Hört, Sehr richtig und Schluß; auch eine Reihe von Unter brechungen und minder gewöhnlichen Zwischenrufen, wie Maul halten" studierte er fleißig und hingebend. Am Montag verließ er während der ganzen Sigung nur einmal für fünf Minuten den Saal den Naturgesehen den schuldigen Tribut zollend. Das parlamentarische Leben ist doch schön rief er einmal über das

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andre aus.

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Mit stiller heiterer Gelassenheit ertrug er es auch, als die Socialdemokraten es durchseßten, daß die entscheidende Sigung statt am Dienstag am Mitwoch stattfinden würde, und nur die eine leise Sorge umdüsterte ihn vorübergehend, daß die Mittwochssigung be­reits nicht lange nach Sonnenaufgang beginnen sollte. Aber auch dieser Schwierigkeit würde er gewachsen sein, hatte doch das Hotel, in dem er abgestiegen war, einen elektrischen Weckapparat: Unten beim Portier wird einfach die Weckuhr auf fieben gestellt, dann läutet es zur ersten Stunde in seinem Zimmer über den Bett so lange, bis er aufwacht und den Klingelapparat abstellt.

Am Montagnachmittag sandte er an die Gattin daheim ein Telegramın, in dem er erst heftig über die durch die Gemeinheit der Gegner veranlaßte unliebfame Verzögerung der Rückkehr schalt, zum Schluß jedoch den Sieg der guten Sache als Lohn für alle Wider­wärtigkeiten in Aussicht stellte.

Den Montagnachmittag und-abend benutzte der Graf, um sich gründlich über die Sittenverderbnis des Großstadtlebens zu unter­richten. Am Dienstagmittag, nachdem er seinen Morgenkaffee ge­trunken, besuchte er schnell einige der neu erbauten Kirchen und das Zeughaus, um auch mit seiner Gattin über die Entwicklung Berlins fachkundig plaudern zu können. Der übrige Tag wurde im wesentlichen damit ausgefüllt, daß er sich bei jüngeren Damen, die er zufällig traf, nach den Verhältniffen in den Schweizer Pensionaten zu erkundigen suchte. Die Mitternacht war längst vorüber und immer noch war das Auskunftsmaterial nicht in hinreichender Fülle beijammen. Der Kopf braufte und brannte dem Grafen von Stunde zu Stunde mehr, je weniger die von ihm befragten Damen in der Lage waren, über das Pensionatsleben in der Schweiz ihn zuverlässig zu informieren. Dagegen wußte ihm die eine oder die andre renommierte Geschäfte zu nennen, in denen es vorzügliche Belze zu kaufen giebt; auch eriviesen sie sich darin außerordentlich unterrichtet, daß fie genau abschätzen konnten, wie hoch die Zulage des Garde lieutenants sein müsse. So eilte der Tag, der Abend und die Nacht..

Am Mittwoch, präcis 7 Uhr, stimmte das Weckwerk über seinem Bett einen Lärm an, nicht anders, als wollte es die zähesten Schläfer zum jüngsten Gericht rufen. Der Graf Botho schrat empor, fluchte über die höllische Erfindung und hatte den Eindruck, als hätte er eben erst das Hotelzimmer betreten.

Die Glocke lärmte weiter. Das hochgeborne Mitglied des Reichs­tags hatte eine Empfindung, als ob dieser entsetzliche Klingelteufel in seinem eigenen Schädel hauste. Aber, Gottlob, die Sigung begann ja erst um 9 Uhr, eine halbe Stunde konnte er wohl noch schlafen. Da richtete sich der Graf empor, drückte den Hebel an den Apparat herunter und nun schwieg die Maschinerie der Hölle. Die Stille wob in dem verdunkelten Gemach geheimnisvolle Träume, Graf Botho schnarchyte...

Am Nachmittag desselbigen Tags faß Graf Kiez- Geierhorst in dem gemächlich trödelnden Zug, der ihn in seine hinterpommerische Heimat bringen sollte. Er sah sehr bleich aus, der arme Graf, die Wut über

Endlich war er in der Heimat. Mit der Miene des grollenden Achill entstieg er dem Zug, schnauzte den Kutscher, der ihn abholte, fürchterlich an, und als ihm in der Thür des Herrenhauses die geliebte Gefponfin erwartungsvoll entgegentrat, schleuderte er mit einem wilden Fluch den Hut an die Decke des Flurs, stieß ein höhnisches Gelächter aus und versant dann in dumpfes Brüten.

" Was hast Du, Botho?", rief die Gräfin ängstlich aus, Du bis fo anders." Graf Botho ächzte dreimal erschrecklich, dann erzählte er in ab gerissenen Sägen fieberhaft aufgeregt den Hergang der scheußlichen Niederlage. Seinen Bericht aber schloß er: Der Demokratenbande tann man es schließlich nicht verdenken, daß sie uns den Streich ge­spielt. Die ganze Verantwortung frifft den einen pflichtvergeffenen Schurfen von den Unsrigen, der nicht oder nicht rechtzeitig zur Ab ftimmung gekommen ist. Die eine fehlende Stimme hat uns jer schmettert. Der Kerl müßte mit Schimpf und Schande ausgestoßen, der allgemeinen Verachtung preisgegeben werden."

Und wer ist der Eine, der Bube?" fragte die Gräfin zorn

bebend.

Wie soll ich das wiffen?" entgegnete Graf Botho unwirsch. Dann lief er davon, legte sich zu Bette und schlief achtzehn Stunden hintereinander. So hatte ihn die Wut angegriffen.

Drei Tage darauf traf das amtliche Stenogramm der verhäng nisvollen Sigung auf dem Gute des gräflichen Paares an. Die Gräfin hatte dem Postboten aufgepaßt und nahm ihm eigenhändig die amtliche Reichstagsfendung ab. Mit dem großen Couvert eilte fie in ihr Schlafzimmer, riegelte ab und ergriff mit zitternden Händen das Heft, das den Sigungsbericht enthielt. Hastig durch blätterte sie das Stenogramm. Jetzt hatte sie gefunden, was sie suchte: Das Verzeichnis der letzten namentlichen Abstimmung. Gänz langsam und sorgfältig prüfte sie die Liste, Namen für Namen. Einmal, zweimal, dreimal las sie die Namen von Anfang bis zu Ende den Grafen Botho zu Kiez- Geierhorst fand sie nicht.-

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Die fromme und fittenstrenge Frau hat sofort die Scheidungs flage gegen ihren Gatten eingeleitet.

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Kleines Feuilleton.

dg. Durch die Tegeler Heide .

Blaue Havel , Grunewald , Grüß mir alle beide,

Grüß sie, und ich komme bald!- Und die Tegeler Heide!-

Hente gehen wir in den Märchenwald.

Joc.

Kennt Ihr den Märchenwald? Still und dunkel liegen feine Gründe, Schlingpflanzen spinnen wehende Ketten von Strauch zu Strauch , von Baum zu Baum. In den Thälern funkelt es feucht, durch das Sumpfgras blinken abgrundtiefe Wasser.

Und ringsum fein Lant.

Aber dann auf einmal ein Rauschen; in den finstern Wipfeln flüstert und raunt cs, geheimnisvolle Stimmen, was wollen sie fagen? Das verirrte Kind hebt den Kopf und lauscht, sind es die Heren oder die Feen, die um die jahrhundertalten Eichen lugen? Ein goldnes Leuchten flimmert an der Halde.

Das ist der Zauberwald, das ist die Tegeler Heide. Wunderbare Tegeler Heide! Es giebt keine Heren und Feen darin, aber was sind alle Wälder unsrer Marken neben ihr?

Der Grunewald ist schön, die Tegeler Heide ist tausendmal schöner, der Grunewald hat Kiefern, dürftige Föhren, die Tegeler Heide dichtes rauschendes Laub.

Buchenhaine giebt es da, wo die Zweige fich wölben, wie gothische Münsterhallen. Laubengänge, in denen der Wald so dicht fich schließt, daß kaum das Tageslicht herein kann. Zitternd mur spielt hier und da ein Sonnenstrahl durch die grüne Dämmerung, tanzende Lichter huschen über Laub und Moos, bunt und glühend, als fielen sie durch gemalte Fenster. Thäler und Hügel in ewigem Wechsel, und jeden Schritt ein andres Bild. Unterholz so üppig und