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majestätische Schönheit, mit frommen, unschuldigen Blicken und dann unter Brotest den Saal berlaffen. Aber sie blicken. Eie die beiden Männer begrüßend, den Gatten und den Geliebten, langweilten sich fogar. Nur als oben auf dem Bühnchen die Herren mit denen sie in einer von der ganzen Stadt wohlwollend Lieutenants der Wachtparade mit wippenden Hüften und stelzenden Beinen gemimt wurden, lächelten die wirklichen Lieutenants unten mit angesehenen dreieckigen Ehe lebte. Chatelard ergriff mit einer überlegenen Verlegenheit und ironischer Abwehr, als ob ihre Hand und füßte fie galant wie am ersten Tage, während sie sagen wollten: Was der Fagenmacher da oben von uns weiß!" der Gemahl seine Blide liebevoll auf den beiden ruhen ließ, Gleichwohl harrten die Lieutenants bis zum Schluß aus, der als ein Mann, der sich anderweitig entschädigte und dessen Befehl zum Rüdzug kommt einem deutschen Offizier auch dann nicht Glück in geordnete Bahnen gelenkt war. old bruid saline auf die Lippen, wenn er sich mit dem Programmi einer Ueberbrettl Bist Du bereit? Also gehen wir, wie, Châtelard? Vorstellung schlagen muß Seien Sie nur ganz ruhig, ich bin vorsichtig und habe Im Ueberbretfl war es nämlich, wo ich die beiden Krieger fand, und feine Lust, mich in eine mangenehme Sache hineinzuwagen, fte wurden für mich die Symbolfiguren für das Geschid jenes rabiaten die unfre Ruhe gefährden könnte. Nur, wissen Sie, wenn bürgerlichen Litterateutumns, das sich vom revolutionären Anarchismus wir jetzt zu Delaveau kommen, müssen wir mit in den Ton der und Nihilismus schleunigst zur Töchterpensions-, Offizierskafino- und Kriegervereinsreife entwickelt, sobald mur das Geld im Kasten Jubiu si bil slingt. Insofern erfüllt das Ueberbrettl zwar keine Mission in

andren einstimmen."

Um dieselbe Stunde erwartete der Präsident Gaume Kunst und Kultur, aber es hat die moralische und fulturelle Zu­feine Tochter Lucile und seinen Schwiegersohn, den Haupt- verlässigkeit jener freien Geister der Bourgeoisie wieder einmal aufgedeckt, mann Jollibet, um mit ihnen gemeinsam der Einladung die nach all den wilden Worten und himmelschweifenden Plänen Delabeaus zu folgen. Der Präsident war in den letzten vier schleunigst sich zu stilgerechten Philistern zähmen, die auch dadurch Jahren sehr gealtert, er war noch ernster und düsterer ge- nicht gigantisch zu werden vermögen, daß fie behaupten, jeden Abend worden und seine Gesezesstrenge hatte sich zur Manie ent- ein andres füßes Mädel nach Hause zu geleiten. Die polizeilich ge­wickelt. Er verwendete lange Stunden darauf, seine Urteile botene Vorsicht wird noch überboten durch die eigne willig geleistete Selbstentäußerung dieser Herren. mit peinlicher Genauigkeit zu motivieren, und man erzählte, Zum legten Mittwoch hatte das Ueberbrettl gegenüber dem Bolizei­daß man ihn an manchen Abenden habe schluchzen hören, präsidium das Publikum zu einem funkelnagelneuen Programm geladen. als ob alles unter ihm zusammenbräche, selbst die mensch- Das Kunstunternehmen steht jetzt unter der Leitung des Herrn Hanns liche Justiz, an die er sich so verzweifelt flammerte, um sich Heinz Ewers , nachdem der Gründer, der Freiherr v. Wolzogen, mit durch diesen legten Balfen vor dem Untergange zu retten. Der erften leberbrettlgarnitur auf Reisen gegangen und Deutschland Und während die Erinnerung an das schredliche Drama fowie Destreich auf ihre Bahlungsfähigkeit prüft. Hanns Heinz seines Lebens, an den Verrat und gewaltsamen Tod seiner Ewers, der einst mit einer anerkennenswerten Fachkenntnis die zwölf Frau noch qualvoll an seiner Seele zerrte, mußte er den Farbenmuster der zwölf Hemden feiner Geliebten befang, verfügt über eine nicht gewöhnliche Dosis von Biglosigkeit, die er in allen Schmerz erleben, daß dieses Drama fich wiederholte, daß Lagen eines gelangweilten Regiffeurs vor den Coulissen bewährt. feine Tochter, diese Lucile mit dem jungfräulichen Antlik, die Auch Geschmack und Feingefühl hat er übermäßig. Eine er so abgöttisch liebte, und die ihrer Mutter so auffallend Sängerin, die sich offenbar an dem Kehlgewimmer der jungen ähnelte, ihren Mann betrog, so wie die Mutter ihn betrogen japanischen Theemädchen geschult hat, trägt ein Gelbstern"-Couplet hatte. Sie war noch nicht sechs Monate die Frau des Haupt- vor. Hanns Heinz Ewers unterrichtet das ahnungslose Publitum, manns Jollivet, als fie fich einem Advokatengehilfen ergab, was Gelbstern" bedeute: die schlanke, aber zugleich rundliche Figur einem großen, blonden jungen Menschen mit blauen Mädchen­augen, der jünger war als sie. Der Präsident, der von der Liebschaft erfuhr, litt entsetzlich darunter, wie unter dem Wieder­aufleben des Verrats, der seinem Herzen eine so tiefe, noch immer blutende Wunde geschlagen hatte. Er scheute davor zurück, seine Tochter zur Rechenschaft zu ziehen, er fürchtete, den entseglichen Tag noch einmal zu durchleben, wo seine Frau sich vor seinen Augen getötet hatte, indem sie ihren Fehltritt bekannte. Aber welch eine grauenhafte Welt war dies, wo alles, was er je geliebt hatte, ihn berriet! Und wie sollte er an eine Gerechtigkeit glauben, wenn gerade die Schönsten und Besten so viel Leiden verursachten? stroni 19 stFortsetzung folgt.) on dril

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Sonntagsplandevei.

einer Probiermamfell. Nachdem er diese Definition geliefert, geruht dieser weltmännische freie Geist eine Stühnheit zu wagen, er weist auf die neben ihm stehende, aus dem secessionistischen Lilienstengelileid nördlich start herausgewachsene Dame hin und bemerkt launig: Etwa so wie unser Fräulein Mizzi". Alles sieht sorgfältig hiu, ob die Definition fich au Fräulein Mizzi bewahrheitet, auch die beiden Lieutenants genialische Ueberbrettl - Kedheit

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Aber die Ueberbrettler haben auch eine gewiffe auf die Staffe gerichtete schalthafte Fähigkeit, Illufionen zu erwecken. Auf die ein­fachste Weise: fie tündigen ein neues Programm an. Das lockt, und alle Welt erwartet fich ein Fest. Bis zur zehnten Stunde bemerke ich zwei Funkelnagelneuheiten: Erstlich die erhabene Tanzweise von weise noch immer vorgetragen urter teilweiser Benuzung eines Inftigen Ehemann, und giveitens die Wiederholung selbiger Tanz­halb galizischen Biedermehertons mit dem charakteristischen h. Sonst gab es die alten Lieder und Späße: Die bierbaumelnden sidisini anatreontischen Tändeleien, deren dünne spielerische Sinnlichkeit in der dasid at Bühnenschärfe unangenehm lüstern wirkt, Grifettencouplets, Scherze aus füßem Kindermund, und auch einige Poefie, dazu nicht allzu ungewöhnliche mufitalische Tanzilluftrationen. Alles Politische und Sociale ist streng berpönt. Was das benachbarte Polizeipräsidium durchgelassen hat, unterdrückt der finanzielle Erfolg. Höchftens vergreift man fich ein wenig an dem föniglich serbischen Familiengläd. Wenn die llmsturzvorlage Gefeß geworden wäre, die auch fremde Gottesgnaden­tümer schüßen wollte, hätte man sich vermutlich dieses Späßchen ver­fuiffen. Gewiß, Herr Marcel Salzer ist ein tüchtiger Recitator und Fran Gisela Nissen erfreut durch einen Hausmütterlich frischen, jungen und reinlichen Humor. Aber was ist in aller Heiligen Namen an dieser zahmen, gutbürgerlichen Produktion neu, frech und verwegen? Es ist nichts über" an dem Alexanderplay- Betil, als daß es jedem Kunstehrlichen über" werden muß.

Im Parkett, das sich durch eine unregelmäßige Verteilung der Size, durch einige stilifierte Moabiter Anklagebänke und durch bereits recht tröbelhaft wirkenden secessionistischen Wandschmud auszeichnet, faßen zwei Lieutenants einer mir fremden Waffengattung. Mir ist jebe Waffengattung fremd, man braucht also nichts Besouderes, Seltenes hinter den beiden Lieutenants zu vermuten. Jeder ber­fügte über ein drilliges Garnisonsantlig, nur war in dem einen mehr rötliche, in dem andern mehr grau gelbliche Farbe des inneren Gedankenlebens taferniert.

Wenn plötzlich ein Lieutenant, in voller Uniform, auf der Redner­tribüne einer socialdemokratischen Volksversammlung erschiene, und gegen den Militarismus donnern würde, so könnte mich das nicht mehr erschrecken und erstaunen, als mich der Anblick der beiden Offiziere in dem erwähnten secessionistischen Parkett überraschte. Wie, diese unglückseligen, tollfühnen Militärs, die nicht einmal mehr die Woche" lesen dürfen, weil sie gar zu revolutionär ist, wagen es, glänzend in des Königs Rod, an einer Beranstaltung teilzunehmen, in der mit dem Heiligsten und Höchsten der herrschenden Welt frecher Spott getrieben, in der die Größten der Erde dem Gelächter preisgegeben, in der alle Naupennester der Kultur verbrannt, die groß­artigsten Aktionen, die hehrsten Persönlichkeiten mit Narrenschlägen trattiert werden, und der feinste weltmännische Geist Liebe und Ehe, Sitt­lichkeit und Gesellschaft, Kunst und Politik grausam und fidel zugleich auslaugt! Ohr armen Lieutenants, man wird Eure Missethat ent­becken, übermorgen werdet Ihr bereits den bunten Rock ausziehen müssen, und ein paar Tage darauf werde ich Euch in meiner Wohnung begrüßen als höfliche Bittsteller und Mahner, den männe lichen Sprößling ja in der Militärversicherung und die weiblichen in der Ausstattungsversicherung einzutaufen.

Immer noch erwartete ich, die sonderbaren Gäfte würden nach irgend einer gar zu faftigen Nummer entrüstet aufspringen, ihre Nachbaren, die Schauspieler und die Autoren in aller Eile fordern

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Nach zweiftündiger Tauer Unterhaltung gebar dann die Brett Muse mit einiger Mühe noch zwei echte Novitäten. Heines Secessions­plakat, das grüne Malveib und der Berlinische Bottelbär, wurde lebendig. Der Bär brummte höchst gemigreich und wischte sich mit tiefer Empfindung das Maul, das Malweib aber fang Unendliches, Reim folgte auf Reim in ängstigender Schnelligkeit fehlte uur irgend ein Inhalt. Es war das reine Obstruktionsgedicht. Den Be schluß machte eine dramatische Schmurre, in der ein gefoppter Stanzlei­schreiber von seinem Direktor die amtliche Hasenpfote begehrte recht niedlich, strebsam fogar nach tragikomischer Rührung, aber jedes Sommerbühnchen der Vorstadt kann solche Winzigkeit seinem Pro­gramm einverleiben. Auch die Novitäten beschtvichtigten nicht den Merger über die Prätensionen eines Unternehmens, das sich von dem richtigen Specialitäten- Theater nur dadurch unterscheidet, daß es weniger Produktionskosten beansprucht, daß es viel langweiliger ist, und daß hier jeder Dilettantismus willige Unterkunft findet, während der rechtschaffene Gaufler im Bariété immer etwas eignes and in seiner Art Bollendetes tönnen muß.

Als die Uebelbrettler hinausgezogen, lündigten fie unter andern schönen Dingen die künstlerische Erhebung des üblichen Tingeltangels an. Man wollte das ganze große Weltgetriebe der Zeit in fleinen