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oder Anwendungen, die das Blut nach den Füßen ziehen. Aber ich weiß ein Mittel! Da unten in Wassungen wohnt eine alte Frau, die schon manchen armen Menschen mit noch schlechterer Haut, als Du sie hast, ja, viel schlechterer, geholfen hat; ich versichere Dich. Sie bereitet einen Kräutersaft, und willst Du, so will ich Dir Aber was ist Dir denn, liebste Julia? Ist Dir nicht wohl?"

Ach nein... mir fehlt nichts 1 Mir fiel mur ein, daß ich einen Brief zum Elf- Uhr- 8ug fertig machen muß. Du verzeihst wohl, Liebe..

" Da gehe ich gleich! Aber die Sache wollen wir nicht vergessen. Ich werde selbst an die Alte für Dich schreiben!"

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Danke! Adieu!" sagte die Frau Lectorin und stand so steif da, als hätte sie ein Lineal im Rücken gehabt.

Die Freundschaft war zu Ende; Frau Wohlgesinnt weiß noch heute nicht warum.-

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Im Herbst war die arme, herzensgute, so hilfsbereite Frau so übel daran, daß ich nicht begreife, daß nicht die härtesten Herzen der ganzen Stadt weich wurden. Sie hatte nämlich. sichern Beweis bekommen, daß der alte Schwindler Kapitän Kupferschild sich bei Ratsherr Klintbergs einzunisten begonnen habe und Klintbergs ver­locke, ihm mit Geld und anderem zu helfen. Sie meinte, das wäre schade um Amalie Klintbergs willen, ihrer einstigen Pensionskameradin, und so geht sie denn, bloß um guten Rat zu erteilen, zu Ratsherr Klintbergs hin und sagt:

,, Geliebte Amalie, verzeihe, daß ich mich in Eure Angelegenheiten mische, aber, nehmt Euch nicht dieses schrecklichen Kupfer..." Liebste, wir haben.

nicht daran gedacht, ihm zu helfen, meinst Du? Na, das ift ja gut! Das dachte ich mir ja auch! Aber dann bekam ich den Einfall: Gch' doch jedenfalls zu Klintbergs hin, denn der Ratsherr hat solch ein gutes Herz, so daß man doch nie sicher ist, und sag' ihnen ein wenig von all' dem, was Du gehört hast, von dem Ku.."

Liebste, ich möchte Dir nur sa..."

gen, daß jeder seine Bürde zu tragen hat und man nicht noch Vorwürfe auf seine Schultern laden soll. Ja, darin hast Du sehr recht, meine teure Amalie, aber da wir immer Herzens­freundinnen gewesen sind, meinte ich nur, ich sollte Dir sagen, daß mein Johann, der bei der Bank angestellt ist, sagt, es sei nun mit dem Elenden ganz aus, und man spricht sogar von bedenklichen Papieren,

die..."

" Ich hoffe, es wird sich nun ordnen, weißt Du, nachdem Klintberg ihm zehntausend geliehen und mir fünf auf den Schuld­ichein gesetzt hat. Danke für Deine gute Absicht, Liebste, aber wir fangen ja nun an, alt genug zu werden, um uns selbst..." Ha... abt Ihr das gethan? Aber warum in des Herrn Namen liebste Amalie.

" Ja, was soll man thun! Wenn sein Sohn unsre Ellen haben soll, müssen wir doch

Ach Gott, ach Gott  ! Amalchen, ich glaube, ich sterbe! Ja, Du weißt wohl, daß keiner den jungen Leuten herzlicher Glück wünschen kann, als ich! Bon all' dem, was über die Familie Kupferschild ge­redet wird, habe ich auch gejagt, man soll nicht mehr als die Hälfte davon glauben. Na, viel Glück! Adieu, Du Liebe, ich muß noch vor dem Mittag Einkäufe machen!" In der darauf folgenden Woche alterte Frau Wohlgesinnt um fünf Jahre. Es ist schrecklich, sich so festzufahren, wenn man in bester Absicht handelt.

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Na, die wurde freilich groß. Als er den Schlafrock anzog, schrie er auf, als hätte er tief unten in einem heißen Wurstfessel gelegen. Der Schlafrock reichte ihm nur noch gerade bis zum Knie. Als die Frauen das sahen, erbleichten sie beide.

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Es sollte eine leberraschung sein; aber ich kann hoch und heilig versichern, daß ich nicht mehr als drei goll abnahm," sagte Frau Wohlgefiunt.

" Jesus   im Himmel!" schrie Frau Agnes. Ich nahm ja gestern abend, als Wilhelm zu Bett gegangen war, schon drei Zoll ab!" Dergleichen ist bitter, wenn man es so von Herzen gut meint. Ihre eigne rechte Schwester geht umher und sagt, Tante Lina habe ihren Sohn um seine Zukunftsaussichten und eine gute Stellung gebracht. Dieser junge Mann war Agent und verdiente gerade so viel, als er für Getränke und Cigarren brauchte. Da fragte eines Tages ein reicher Großhändler Frau Wohlgesinnt, wie es ihrem Neffen ginge, und die gute Frau antwortete in bester Absicht und aus Liebe zu ihrem Neffen: Ausgezeichnet, ganz ausgezeichnet! Er hat mehr zu thun, als er fertig bringen kann, und verdient riesig viel Geld!"

So!" jagte der Großhändler, und ein halbes Jahr später erzählte er, er hätte dem jungen Manne eine gute Stelle in seinem Geschäft anbieten wollen, aber die Absicht aufgegeben, als er von seiner eignen Tante hörte, daß es ihm so gut ginge.

Einige Zeit später kam ein dicker Gutsbesizer und fragte sie, wie das Geschäft ihres Neffen Johannes ginge.

Schlecht! Der arme Junge! Er kann nicht davon leben. Der Zusammenbruch steht nahe bevor," sagte Frau Wohlgefinnt, gewarnt durch ihr früheres Mißgeschick, in bester Absicht.

" Ich danke Ihnen, liebe Fran! Er hat mir das gerade Gegens teil einzureden versucht, als er um die Hand meiner Tochter anhielt," antwortete der Gutsbefizer.

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Kleines Feuilleton.

Beitung" lesen wir: Der Münchener   Historienmaler G. Walten­Waltenbergers Reichstagsbild. In der Münchner Allg. berger, deffen große Schöpfung Weltuntergang" bei den Kunst­ausstellungen in München   1896 und in Dresden   1897 fich goldene schon verspricht, feiner Zeit berechtigtes Aufsehen zu erregen. Das Medaillen errang, arbeitet an einem neuen Kolossalbild, das jetzt bereits weit über die Skizzierung hinaus gedichene Werk stellt den Deutschen Reichstag" mit einer größeren Anzahl seiner fanzler Graf v. Bülow von seinem Blaze aus spricht. Wir Mitglieder in halb lebensgroßen Portraits dar, wie eben Reichs­Reichstags- Präsidenten Grafen v. Ballestrem, in militärischer Haltung sehen seitwärts über dem Redner das wohlgetroffene Bild des an den zum Sitze des Reichskanzlers führenden Stufen, stehen in aufmerksam dem Redner lauschend. Im Vordergrunde, ganz nahe lebensvoller Gruppierung Dr. Dr. v. Frege und Graf v. Kaniz. von Levezzow, Fürst Radziwill  , schreibend, die Sekretäre und Stenographen des Reichstags. Neben diesen fizen, emfig In einem der letzteren glauben wir die Züge des Vaters des Künstlers zu erkennen. Hart daran lehnt an einer Stiegenbrüstung in " Bollblutgermanen" erinnert. Diesem zur Seite steht Singer, mehr spannender Haltung Auer, dessen blonder Kopf ant den bewußt und siegesgewiß, Bebel. Nun folgen, wirkungsvoll die Mitte im Vordergrunde Bassermann und dahinter in voller Figur, selbst­des Bildes einnehmend, Frhr. v. Hehl, Graf v. Hompesch und Dr. Lieber, vor diesen Dreien v. Kardorff. Hieran reihen sich b. Vollmar, sigend in stolz zurückgebeugter Haltung, daneben Dr. Schädler und Gröber, davor Prinz v. Arenberg. Eine weitere interessante Gruppe bilden in vornehmer Darstellung Träger,

Im Sommer glaubte sie einen kurzen Augenblick, einen behag lichen Erholungsplatz und reizende Gesellschaft in Borgholm   gefunden zu haben, wo sie während einiger kurzer Nachmittagstunden eine sehr nette Dame aus Schonen kennen gelernt hatte. Sie wurden mit jeder halben Stunde vertrauter und faßen und schwatzten ganz für sich allein. Plötzlich sieht die Frau Wohlgesinnt wieder eine Gelegenheit, Gutes zu thun, und sagt: Ach, kommen Sie nur, liebe Frau Elgren, wir wollen ein Münch- Ferber und Dr. Freiherr von Hertling, diesen rückwärts bißchen in den Eichenwald gehen, hier wird es nun doch unruhig! Bilde ungemein belebt und sehr ähnlich, da die betreffenden zur Seite Emil Wetterlé. Alle Köpfe erscheinen auf dem Sehen Sie nur die schreckliche Vogelscheuche dort, ja, ich meine das Reichstags- Abgeordneten dem Künstler wiederholt in liebenswürdigster alte, närrische Gestell dort im grauen Jackettanzug! Meiner Treu, Weise Sigungen bewilligt haben. Leider fehlt noch der Abgeordncte ich glaube, es kommt gerade auf uns zu!" Es blizte grimmig in den Augen der netten Frau aus Schonen Richter. Dieser hat auch hier wieder auf die Bitte des Künstlers auf und sie rief schnell: Komm' her, Oskar! Darf ich vorstellen: daß seine nunmehr veränderten Familienverhältnisse ihn auch in um eine Sigungsbewilligung verneinend geantwortet. Hoffen wir, Mein Bruder, Herr Stadtmakler Holmblatt Frau Wohlgesinnt!" Zu Weihnachten war Frau Wohlgesinnt bei einer Freundin ein- diesem Falle zu einem" Ja" umſtimmen. Sonst müßte sich der geladen, die mit einem Gutsbesitzer verheiratet war. Künstler mit einer Reproduktion begnügen. Das große Wert Walten­Lange hatte bergers, das der schweren Aufgabe in vollem Maße gerecht werden fie keine so schönen Weinachtstage verlebt. An einem Abend nach Weihnachten   sagt der Mann der Freundin: wird, dürfte noch in diesem Jahre seiner Vollendung entgegen Liebe Agnes, mein neuer Weihnachts- Schlafrock ist ganz vortrefflich, aber drei Zoll zu lang. Sei so gut und nimm so viel ab, mein liebes Alterchen!"

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Ja, gewiß; aber das eilt wohl nicht so!" sagte Frau Agnes. Frau Wohlgefinnts scharfe Augen sahen, daß das Gesicht des Mannes fich ein wenig bei dieser gleichgültigen Antwort verdunkelte, obgleich er zu wohlerzogen war, seinem Mißfallen Luft zu machen, und als sie am folgenden Morgen eine ganze Stunde früher her­unter tam, als die Herrschaft sich sehen zu lassen pflegte, und den Schlafrock auf demselben Stuhl im Wohnzimmer, wie am Abend vorher, liegen fand, nahm sie ihn und trennte flink die Einkantung ab, schnitt vom Stoff drei Zoll weg und ratterte dann auf der Nähmaschine wie im Fluge die Einkantung wieder an; in bester Absicht legte sie den Schlafrock auf denselben Stuhl und freute sich im voraus auf die Ueberraschung des lieben Wilhelm.

gehen.

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k. Arabische Medizin. Erbauliche Mitteilungen über den gegenwärtigen Stand der Medizin bei den Eingeborenen in Algerien  werden von einem französischen   Regimentsarzt in der" Nature" gemacht: Der arabische Arzt( toubib) ist ein beliebiger Araber, der keine andre geistige Bildung befizt, als daß er seine Sprache lesen und schreiben kann. Er kennt die giftigen Eigenschaften einiger Pflanzen und die heilkräftigen einiger anderer, die er ohne Unter­schied bei allen Krankheiten anwendet. Für ihn sind die wirksamsten Medikamente( addoua) diejenigen, die er bereitet, indem er auf Papier­stückchen von verschiedenen Farben und mannigfachen Größen aus­gewählte Verse aus dem Koran   schreibt. Diese Papierstücke werden von den Kranken verschlungen, die kurz darauf geheilt sein sollen. In andern Fällen wird das Papier sorgfältig gerollt und dann in irgend einem Wasser gekocht; nach einer bestimmten Zeit wird das