Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Mr. 183.
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Drauf los!
Donnerstag, den 19. September.
( Nachdrud verboten.)
Noman von Jonas Lie.
Rejer erwiderte kein Wort. Er ging auf der Außenseite des Holms herum, starrte auf die Medusen herab und grübelte... fast schien es, als habe sein Vater recht gehabt, als er dies die Neuerungssucht träger Unruhestifter" nannte, welche sich nicht scheuten, ihre Mitmenschen ins Unglück zu treiben! Er dachte daran, wie es sich ausnehmen würde, wenn der junge Juhl zum Spott und Gelächter der Bygds mit dem Stirchenboot vom Heringsfang fäme... das Hammernäs ver loren! Er hörte deutlich, wie zum Hohn ihn die Pferde anwieherten und die Ziegen anmeckerten; er hatte ja dort nichts mehr zu suchen! Der Schreiberbock auf Haarstad, der paßte gerade für seine Schenkel!
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1901
Sie erwarteten mit fieberhafter Spannung den Landgang des Herings, bemerkten schon am Saume des Meeres das Sprißen des Walfisches hinter dem Fische, die Vogelschar über demselben.
Es galt den Watneybaasen, die Nichtung des Einströmens genau zu beurteilen, ob östlich, ob westlich von den Inseln, damit sie auf den Plätzen, wo die Nebe zu befestigen waren, als die ersten eintrafen und Bunde und Buchten zu rechter Beit besetzten.
Die Meeresfläche entlang sah man in meilenweiten Reihen die schimmernden Segel von mehr als tausend Fischerbooten und dazwischen Jachten und Schaluppen, holzschuhähnliche Galeassen, breite, untersetzt gebaute Briggs, feingeschnittene federnde Schoner, welche insgesammt nach Norden strebten und wie bei einem Wettsegeln mit allem Tuch behängt waren, das sie nur vertrugen.
Sie kamen von dem äußeren Hafen, wo sie vor dem Sturm Schutz gesucht. Es war wie eine einzige Segelmaner Dies sollte also das Ende sein! Es zitterte in ihm auf dem Meere! vor Troß. Nein, eher...!" er warf das Kinn auf Plötzlich bemerkte man, daß ein langer Streifen von gut Juhlisch hinauf, dies bedeutete, daß Anders, der Groß- Booten über Stag ging und sich auf den andren Bug legte. fnecht, warten müsse, bis ihm die Eingeweide brannten! Er- Das war auffallend... mußte einen Grund haben. selbst wollte sich zu Tode hungern, wenn es sonst nicht man signalisierte eifrig auf jede mögliche Art! Viele Yachten ging... der Lohn konnte ja nicht ausbleiben! wendeten und schlugen denselben Kurs ein... Das mußte der Hering sein!
Eines jedoch hatte Rejer außer Rechnung gelassen, nämlich seinen eignen unermeßlichen Appetit! Er war in dem Alter, in dem man noch wuchs, und des Nachts lag er wach und wälzte sich herum beim Gedanken an das Effen. Er hatte nicht geahnt, wie es sei, zu hungern. Er suchte sich abzulenken, indem er an die Fischmagd dachte, von der er ein paar Tage hindurch nichts gehört hatte. Dies gelang ihm auch; er sah sie vor sich, an Kringeln oder Honig fuchen tauend! Er suchte wieder und wieder, fie in andren Situationen vor seinen Geist zu locken, aber das Bild von Haferbrot und Butter gewann den Vorrang...
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Und eine Stunde später bot sich ein Anblick dar, welcher bewirkte, was einem Aafjording noch nie vorher geschehen war, daß er vergaß, an das Mittagsmahl zu denken! Die ganze Meeresfläche nichts als Springstrahl und Jagd! Der Hering war in einem Keil von der hohen See hereingekommen und eilte die Raubvögel über sich, den Walfisch hinter sich in unermeßlichen Mengen dem Lande zu, um hier zu laichen...
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So weit hinaus das Auge reichte, sprigte Wassersäule um Wasserfäule mit dem Lärm einer Dampfmaschine empor. Es war der große Wal, der den Hering unter Land trieb und preßte.
Er legte sich mit Hunger nieder und ging tagsüber unruhig auf dem Holm herum, um den Hunger fernzuhalten; da gab es jedenfalls im Seegras des Strandes blaue Meer- Die See wurde ruhiger und ruhiger, fast grünlich; sie muscheln, zu denen man Zuflucht nehmen konnte. In seinem tochte, warf Luftblasen, das Atmen des Herings!- Kopf, den der Hunger erfinderisch machte, regte sich der Ge- und plöglich jagte und hüpfte der Sejfisch in großen danke, Möwen zu fangen... es war ja ein förmliches Bügen von Tausenden und wieder Tausenden um ihn herum. Vorratshaus voll Fleisch in der Luft... aber er kannte Die Boote befanden sich mit einmal mitten im Heringsfeine Leute zu gut; es war umsonst, den Aafjordingen etwas strom; die ganze Luft bis weit hinein ins graue Wolfenso Ungenießbares, so Uureines anzubieten, dach ein wahres Schneegestöber von Vögeln, ein HimmelsHungerten sie! heer, das mit ohrenbetäubendem Geschrei, mit Heringen im Schnabel auf- und niederfuhr, die Beute gierig in der Luft verschlang, sich um dieselbe stritt, riß und jagte, so daß es Hering regnete und die Maste der Jachten gleichsam einen Weg in die Vogelwolfe zogen.
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eher ver
Nun war wieder graues, wildes Wetter heraufgezogen; der Südwest kam in immer stärkeren Stößen, grauschwarz eilten die Wolken durch die Luft, und das Meer brach sich in grünen Sturzwellen..
Im Dämmerlicht des Morgens schoß ein Frachtboot durch die Wogen; der Seeschaum spritte ihm um die Ohren, sein Boden war zur Hälfte mit Wasser gefüllt, und das Großsegel war dreimal gerefft.
Gleich darauf entstand überall große Bewegung. Auf den Fahrzeugen zündete man ein Licht um das andre an, und die Leute liefen oben bei der Sulzerei zusammen.
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Die schlauen Schmarogermöwen folgten ihrer Natur und bestahlen lieber die großen, gefräßigen Mantelraubmöwen, als daß sie sich die Nahrung geradewegs aus dem Meere holten. Die Seeschwalbe folgte gleichfalls ihrer Natur und nippte mitten in der Verwirrung, dem Gewimmel, ebenso zierlich, nett und leicht, als wenn sie ungestört über blankem Wasser geschwebt wäre; aber alle stürzten sie wild, hißig, um Man wies ein Vierteleimerschaff voll Heringe vor, den die Wette topfüber hinab in die Wasserstrahlen, in das Geman nordwärts von Stolmen gefangen hatte. Auf dem wimmel von Stören, Springwalen und„ Nordkapern",*) Rücken hatten die Fische ein Zeichen wie von einer Net- welche daher stürmten und jagten, daß die See weiß auf masche der rechte Schlag! Es war offenbar, der Hering tochte. Hie und da kami gierig ein versprengter Wittling emströmite ein! por und mühte sich vergeblich, unter die Wasserfläche hinab Diese Kunde flog wie ein elektrischer Funke über alle zu gelangen und dem Schnabel der Möwe zu entgehen. Holmte hin! Das war der erste Teil der Heringsmenge. Dicht wie Das bedeutete Aufbruch der ganzen Menge, der vielen eine Mauer strömte der Fisch in großen, schwarzblauen Tausende von Personen, nach dem Norden von Stolmen... Streifen, nicht eine Elle unter dem Bootskiel mitten in den bedeutete, daß der Heringsflecken morgen leer sein würde und Fjord ein. Es gab Momente, wo die Leute mit dem ängstvon Menschen entblößt, fahl wie der Rücken einer Hand. lichen Gefühle dasaßen, daß das Fahrzeug von einem Heringsberg gleichsam emporgelupft werde, wo sie den Hering unter die Ruder kriegten, mit dem Steuer im Hering wühlten und fie merkten, wie der große Walfisch vorsichtig und achtsam unter ihnen hinwegglitt. Die Garnboote versuchten umsonst auszuiverfen. Walfisch, Stör und Sej verdarben bloß die Nege.
Unter den Schiffen, ivelche raumschoots, im Luftdruck dieses Vormittags tief gerefft ausliefen, befand sich auch das Kirchenboot der Juhls.
3.
Bei der Reihe kleiner Schären draußen, welche die Ausficht auf die hohe See versperrten, hatte sich eine Menge von Watnetz und Garnbooten versammelt.
Die Klippen schienen ringsum besetzt von nackten Masten, und alles war schwarz vor Menschen.
Der Heringszug setzte sich landeinwärts fort
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*) Der sogenannte nördliche Walfisch, die größte Walfischart..
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