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Wäre dieses Konzert am Ende der Saison und nicht an ihrem Anfang gekommen, so würde es uns vielleicht sehr erivärmt haben. Das Rechnen mit gegebenen Verhältnissen" nß sich eben erst eiu stellen.
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Namen befinden, ändert an dem gleichbleibenden Grundzug des I gegenseitigen Kampf der Themen sowie der einzelnen Stimmen ents Berliner Konzertlebens nichts. Einen oder den andren Winter mits faltet werden kann. Alles in allem eine ehrliche, echte, sympathische gemacht, und man fennt in der Hauptsache auch die nächsten. Unfre Mufit in einem beschränkten und für heute doch schon ziemlich früheren Musilberichte könnten, nur nach einigen Daten geändert, auch historischen Rahmen. für den weiteren Trott der Konzerte gelten, zumal wenn sie nicht ihren Ehrgeiz darein setzten, das zu sehen, zu hören und bekannt zu machen, was nicht auf der Heer straße liegt und bon der Masse aufgelesen wird. Am liebsten möchten sie ihre Gegenstände gar nicht auf dem Konzertboden suchen, auf dem ja das Reproduzieren, das Nachschaffen in mehrfachem Sinne des Wortes so üppig blüht; möchten vielmehr dorthinein greifen, wo wider den Tagesstrom Selbständiges, Eigenfräftiges, Individuelles geschaffen wird: in die mur erst still, doch ficher aufblühende Musikpädagogik und ihre Geschichtsforschung, in Student. den nun doch schon einiger öffentlichen Aufmerksamkeit gewissen Ausbau der Musikwissenschaft, und in manches andre.
Kleines Feuilleton.
dg. Der Raffehund. Einen Hund habt Ihr?" rief det Ist ja ganz unglaublich. Seit wann denn die Liebe? Ich denke, Ihr könnt Hunde nicht leiden, Laßt ja nicht mal die
Mieter welche halten!"
Na das ist doch auch ganz ettvas andres!" Frau Heinze warf dem Neffen einen verächtlichen Blick zu: Wenn alle Mieter Hunde halten wollten „ Bekäme die Stadt famose Stenern. Wißt Ihr, das ist gar nicht hübsch von Euch, konservativ wollt Ihr immer sein und schädigt die Stadt am Steuersäckel; wie ich das finde!"
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Ach laß doch Deine dummen Wige!" Der Onkel drehte sich herum, er saß in der Sofaecke und laß die Zeitung, jetzt legte er das Blatt beiseite und that einen langen Zug aus der Pfeife: Alle Mieter Hunde, könnt'' ne schöne Sache werden, stell' Dir. mal bloß vor so zehn Köter im Hause, was die anrichten, meine armen Treppen." Eurer ist natürlich ganz artig, was? Dies Kind, kein Engel ist so rein."
" Is er auch," brummte der Hausherr.
Doch bereits kommen die Tagespflichten und rufen uns aus der ersehnten Originalwelt zurück zu den täglichen Abdrücken alter Typen. Immerhin giebt es auch da frendvolle Ent schädigungen. So konnte man wahrlich zufrieden damit sein, daß das erste Konzert in der Reihe des winterlichen Alltags eines des Hamburger Lehrer Gesangvereins war. In Hamburg und ganz besonders in der dortigen Lehrerschaft herrscht feit einiger Zeit ein fräftiger Zug nach Kunstpädagogik und nach Kunstbildung überhaupt, mit der bekannten Richtung zum Dilettantis: mus im guten Sinn, der eben doch hauptsächlich auf eine Geschmacksfultur weiterer Kreise hinauskommt. Ein Zeugnis künstlerischen Geschmackes war schon das Programm dieses Konzerts: vorwiegend Stücke, die über der Niederung der Liedertafelei liegen, und die auch noch zu den schwersten Gesangsaufgaben gehören. Dann aber war der sprechende Ausdruck, mit dem die Herren die Einzelheiten ausgestalteten, aller Ehren wert. Dahinter blieb das Stimmtechnische „ Das liegt schon so in ihm drin," rühmte die Tante, die ein wenig zurück; die Klangfülle ist nicht even die vollendetste, zu Mieter, sich mal, die schleppen ja alles mögliche Vichzeug ins Haus, mal in den Bässen, und manche Verfäummis der vollen Reinheit wir haben aber' n echten genommen,' n Wolfsspig, allerfeinste Rasse, war namentlich gegen das Ende des einen oder andren Liedes die haben schon von vorn herein ganz andre Manieren!" zu merken, vielleicht infolge eines Sinkens der einen uud" Fünfzig Mart haben wir für gegeben," brüstete sich der Haus eines Festhaltens andrer Stimmen. Gerne hätten wir eine genauere Vollständigkeit der Aufzeichnung des Programms gesehen, zumal nicht wenige Stüde llebertragungen waren, die doch als solche bezeichnet sein sollten. Zu einer immer weiteren Verfeinerung des Geschmacks mag es sich empfehlen, ein so kunstvolles Stück wie Cornelius'„ Der alte Soldat"( neunstimmig, in 3 dreistimmigen Chören) zu vergleichen mit dem mehr effektvollen, doch immer noch Künstlerisch bedeutenden„ Totenvolk" von Hegar, in welchem doch schon manches seicht ist; dann dieses mit Hegars leiermäßiger Blütenfee"; und endlich von den givei Hochzeitsgesängen Södermanns den zweiten( der denn auch da capo fam) mit dem fast schon parodistischen ersten, dem Marsch. Hiefige Gefangvereine hatten das ihre gethan, um den Hamburger Kollegen( die zum Besten der Witwenkasse des Berliner Lehrervereins sangen) und ihrem Leiter Prof. R. Barth ein dankbares Publitum in der großen Philharmonie zu schaffen.
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herr.
Die Tante feufzte: Ja, es ist' n bißchen viel, nicht wahr? Aber sichste, nu is man so allein. Irgend etwas fürs Herz will der Mensch doch haben!"
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Und dazu eignet sich' n Sund natürlich am besten," nickte der Student.
Die Tante überhörte seinen Spott, fie erzählte weiter:„ Er ist nämlich wirklich' n Raffehund, er hat sogar' n beglaubigten Stamme baum. Sein Urgroßvater war Alarich!"
" Der Gotenkönig?"
„ Konrad, wenn Du keinen Hundeverstand hast, brauchst Du Dich wenigstens nicht auch noch über vernünftige Vente luftig zu machen, natürlich nicht der Gotenkönig, sondern der große Wolfsspiz Alarich , der in Bankow die goldene Medaille bekommen hat."
„ Es stand in den Zeitungen," fiel der Onkel ein, hast Du es nicht gelesen? Nein, Du liest natürlich nur die Politik oder die Auktionen im Leibhaus. Die Zeitungen nennen ihn gar nicht anders wie: den edlen Rüden Alarich .
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„ Der Händler hat uns die Berichte gezeigt," fagte die Tante. Es find lange Berichte, er hat nämlich aus der Box ausrücken wollen, aber seine Wette war zu kurz und so fam er nicht über das Gatter und hat sich erhängt. Ist das nicht ein Jammer, solch' edler Hund?"
Man hätte Trauer um ihn anlegen sollen," sagte der Student; er fagte das ganz ernsthaft, aber der Onkel fuhr doch auf: Konrad, ich verbitte mir Deine Fopperei, aber ganz energisch, hörst Du?"
„ Du hast tein Herz, Konrad," stimmte die Tante vorwurfsvoll bei." Ich hab' es schon Deiner Mutter gefagt, als Du' n kleiner Junge warst und Eurem Staarmaß lebendige Mehlivürmer gabst. Du fühlst nicht mit den Geschöpfen Gottes, Du hast tein Herz!" Aber ich fühle tief für Alarich ," verteidigte sich der Student. " Ja und von ihm stammt unser Frizze," rühmte die Tante. Frizze heißt die Canaille?" Der Student lachte." Frize ist eigentlich' n ordinärer Name, jeder dritte Hausknecht heißt Frige." ,, Und jeder dritte Prinz," verbesserte die Tante.
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Von der Massenwirkung eines solchen Gesangvereines zu den intimen Wirkungen einer Kammermufit- Vereinigung ist ein fleinerer Schritt, als es wohl scheinen mag, zumal wenn dort vielleicht sogar mehr an echter fünstlerischer Gestaltung geleistet wird, als hier. Jedenfalls verdient es schon überhaupt Dant, wenn Künstler zu einem so eigenartigen Ensemble zusammentreten, wie es durch die vier hauptsächlichen Holzblasinstrumente: Flöte, Oboe, Klarinette, Fagott, ergänzt durch das diesen nahestehende Horn und durch das Klavier, gebildet wird. Die Herren Prill, Bundfuß, Esberger, Gütter, Littmann und Fuhrmeister haben in ihrem auf fallend gut besuchten Konzert vom 1. Oktober wieder gezeigt, welchen Künstlerischen Genuß es bietet, wenn ohne irgend einen Gedanken an äußerliche Wirkung so fein und zart und ruhig gespielt wird, wie es eben nutr Künstlerschaft fann. Sie haben aber boran ganzen; auch der Klavierspieler, wieder den Typus des gewöhnlichen Konzertspieles bewährt: eine Note gleich der andren, als gäbe es fein leicht" und schwer", teine Accente, keine Bewegung innerhalb des Zeitmaßes. Am meisten siel dies wenn derartiges überhaupt mehr als Wenigen auffällt in Mozarts Es- dur- Quintett auf. Man sollte hier mal den Klaviervortrag des Anfanges von Largo, vom Allegro und besonders vom Rondo phonographisch aufnehmen und in einer Schule des musikalischen Vortrags wiedergeben, beleuchtet durch einen wirklich gliedernden Vortrag der nämlichen Stellen; davor mußten doch selbst weite Kreise zur Erkenntnis kommen, daß jene ungegliederte Musik eben nicht mehr wert ist als ein ausdrucksloses Sprechen, und daß„ Er ist schon auf der Treppe!" Der Hausherr horchte auf: wir im Bann einer traurigen Ansicht von„ klassischer" Auffassung Ja, er bellt schon, was ist denn da los? Er bellt ja so laut!" stehen. Auch Beethovens schlichtes Trio für Klavier, Flöte, Er quietscht!" fchrie der Student, o jch, er kriegt Wichje!" Fagott ist nicht deshalb schlicht, damit es„ Klassisch" Sie sprangen alle drei auf und stürzten nach dem Korridor. Der gespielt werde. Cher paßte diese harmlose Vortragsweise Hausherr riß die Thür auf, heulend schoß der Hund ihm unter den zu der harmlosen Novität des Abends. August Plug hardt, Beinen fort in den Korridor herein, auf den obersten Treppenstufe Hoftapellmeister zu Deffau, ist seit der Aufführung seines Oratoriums stand die Tischlersfrau aus dem Souterrain im Hofe, sie zitterte " Die Zerstörung Jerusalems " bei uns nicht unbeliebt. Vou feiner am ganzen Körper: Aber Herr Heinze, nu is Ihr Hund schon ehemaligen Entwicklung in der„ neudeutschen" Schule merkt man wieder auf'm Hof, passen Se doch man bloß auf den Hund auf, jetzt allerdings in seinen gegenwärtigen Kompositionen nicht viel. Sie is es über'n Houtlot in meine Küche gesprungen und hat mir's entfalten innerhalb älterer Formen einen vorwiegend Ihriſchen, Fleisch aus'm Topf geholt,' n halbes Pfund Fleisch, Herr Heinze, speciell idyllischen Zug; zahlreiche ammutige Themen stehen mit 3 Mittagbrot für mein'n Mann! Nu jeben Se mir man fufzig Hilbscher Harmonisierung nebeneinander, ohne die dramatische Kraft, Pfennige, damit ich neues Fleisch kaufen kann!" Sie hielt ihm die die auch in einer rein instrumentalen Musik durch Entwicklung und Hand hin.
" Ja, dann hat er aber noch' n Namen dran, nennt ihn Frige Alarich , das hört sich feiner an und man weiß gleich, wo er her ist. Stann man es übrigens nicht mal sehen, das Wundervieh?"
„ Wirst Du sehr bald könen, er ist unten auf dem Hof, er muß aber bald raufkommen," sagte die Tante.
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