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Er ging hinab und pflegte den Steuermann forgfältig| wie ein Kind, trug ihn in die luftigere Kajüte, öffnete bald Scheilicht, bald Thür.

Er betrachtete das bleiche, ausgezehrte Geficht mit den schwarzen Bartzotteln, fühlte, daß er im Begriff stehe, seinen einzigen Freund auf dieser Welt zu verlieren, und es ergriff ihn ein Kummer, der ihm das Herz abdrückte. Auf keiner norwegischen Laufplanke gab es einen zweiten Steuermann Lind! Und wenn er eine Zeitlang am Rad gestanden, die gleichen Gedanken in gleicher Ordnung!

Hatte er auch schon Fieber?

Nein, aber es herrschte ein wahrer Unstern über seinem Schicksal! Nun sollte er zerrissen werden von Widerstreit zwischen seinem Feeund und ihr!-

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Noch ein paar luftige Tage bei laberer Brise, und man sah im Schatten des Roofs, unter dem Schweinsrücken im Luv und auf der Back verschiedene Gestalten figen; blaß waren sie und ausgemergelt, daß die Kleider ihnen auf dem Leibe schlotterten, aber in den Augen war Leben und sie atmeten mit einem Wohlbehagen, als ob jeder Lufthauch ein er­lesenes Herrschaftsgericht sei.

,, Nun, denke ich, ist das Aergste überstanden," sagte der Zimmermann, als er eines Nachmittags den Götheborger vorn auf der Back spielen" hörte.

"

Es ist nicht luftig genug in der Kajüte, vielleicht auch feucht vom Kielwasser!" und so trug Rejer Lind aufs Verdeck, wo er aus einem Sonnensegel und Leinwand eine Art Zelt hergerichtet hatte.

Aber erst als der Alert" bei Kap Agulhas   lag, konnte Lind das Kommando übernehmen, und alles fam wieder ins gewohnte Geleise, da er die Steuerbords- und Rejer die Backbordswache übernahm.

Wochen- und monatelang zog der Kiel des Schiffes feine Furche durch die See, schäumend bei Tag, in Phosphor sprühend bei Nacht. Sie waren die blaue Sternenkarte über den Mastspitzen wieder zurückgewandert und hatten schon längst den Polarstern   neu begrüßt, hatten die Azoren   und Teneriffa   passiert und, dank Linds Geschicklichkeit, sich bei ver­schiedenen bösen Zufällen trotz der verminderten Mannschafts­zahl zu helfen gewußt.

Je mehr sie sich Europa   näherten, desto trauriger wurde Rejer. Verstimmt und nachgrübelnd ging er herum... Was sollte er eigentlich daheim? Hatte er einen Zweck, für den er lebte? Das Hammernäs und das heimische Bygd mit all dem Engen  , Verkümmerten?- er dachte an diesen Ort wie an einen halbdunklen Keller, in welchem die Kartoffel auszuschlagen be­gonnen. Schrieb ihm seine Mutter doch, einige fännen in Ser Stille auf Heringsfang, andre auf Auswanderung nach

Amerika  .

Ja, Amerika  ! Er wanderte gedankenvoll hin und her. Der Götheborger saß quer bei der Großrüste auf der Rehling   und arbeitete.

Bo hast Du Dein Odelsheim, Götheborger? wohnt Dein Vater?"

" Habe teinen Vater!"

"

Aber Deine Mutter?"

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Wo

Habe teine Mutter!- Auch keine Geschwister!" fügte er furz bei. Rejer merkte, daß er ein figliches Thema berührt hatte, und versuchte eine scherzhafte Wendung:

"

und vielleicht auch keine Liebste?"

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" Just so!" Nach einer Pause setzte er aber hinzu, indem er den Blick über Bord wendete:" Einmal bildete ich mir ein, eine Liebste zu haben; sie aber heiratete den Patron Bromander."

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,, Ah so! Darum tomm ft" Du also im Winter nie nach Hause?"

" Ja wohl."

" Was sagst Du zu Amerika  , Götheborger?"

"

Geht der Steuermann hin?"- er machte ein erstauntes Gesicht und sentte seinen Merlspieker.

,, Möchte wohl einmal hinübergucken!

dienen dort!"

Viel zu ver­Wenn der Steuermann mir's rechtzeitig sagt, mache ich die Tour hinüber mit."

"

Entschließe mich erst in Hamburg  ." " Sehr wohl, Steuermann!"

Und so kämpften sie denn im Weichnachtsmonat wieder mit den Winterſtürmen der Nordsee  ... ein gewaltsamer Nordwest! Wie fühlten sie sich dabei wohl!

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5. Gelgolan

Jm Dunkel der Nacht waren sie so glücklich, Helgoland zu finden, und so strebten sie denn in der Nötigung, in welcher sie sich befanden, hinab und hofften auf Neuwark und die Leuchtfeuer von Kurhafen und auf Lotsenhilfe, um die Einfahrt nach Hamburg   zu finden.

Die großen Krahne des Quais hatten den Lastraum ge­leert und nun lag der Alert" vor dem Steinwerder in Ham­ burg  , gegenüber St. Pauli.

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Da konnten sie allabendlich von dem Schiffsbord aus die Lichter glänzen sehen und den Lärm des Seemannstreibens auf dem Lande hören. Sie hätten nach der herübertönenden Musik tanzen fönnen, wenn dieselbe nicht von zwei Ver­von zwei gnügungslokalen auf einmal erklungen wäre Caroussels, wo man bei rauschender Musik und dem Scheine farbiger Lampen auf einem wilden, blauen Meere mit ver­schiedenartig aufgetakelten Fahrzeugen oder- wenn man den festen Boden vorzog auf Giraffen, Zebras  , Löwen  , Tigern, Straußen herumreiten konnte.

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Nach seinem einmal gefaßten Entschlusse, zu sparen, hielt fich Rejer die Taschen fest zu. Er blieb an Bord und spekulierte auf Amerika  .

Eines Sonntagnachmittags, furz vor dem Ankerlichten, war er aber doch ans Land. Steuermann Lind hatte ihm ein Stelldichein gegeben.

mo

( Fortsegung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

Neues aus der Technik.

In Rumänien   hat eine ungewöhnlich tragische Eisenbahn­tatastrophe, die Einäscherung eines ganzen Schnellzuges durch die Kollision mit einem Petroleumzug, aufs neue daran er­innert, daß Eisenbahn- und Schiffskatastrophen stets dann am verheerendsten ausfallen, wenn sie zur Ursache einer gleich zeitigen Feuersbrunft werden. Das schreckliche Offenbacher  Eisenbahnunglück vor Jahresfrist ist ja ebenfalls noch nicht vergessen und hat auch in der Wagenbautechnik einige hoffent lich wohlthätige Folgen hinterlassen. Zu der vom Publikum stürmisch verlangten Anbringung seitlicher Abteilthüren haben sich allerdings die Konstrukteure nicht entschließen können: wenn der bei den Wagen der Schnell und D- Züge erivünschte feste Bau des Gestells nicht leiden soll, so muß es bei den bisherigen End­ausgängen der Wagen bleiben. Dagegen werden künftighin, um bei Feuersausbruch das rasche Verlassen der Wagen zu ermöglichen, die Fenster so eingerichtet, daß sie ganz heruntergelassen werden tönnen, und unter ihnen werden innen wie außen Tritte und Hand­Die inneren Thüren der Durchgänge an den Harmonikawagen haben angebracht, die die Benutzung dieser, Notausgänge" erleichtern. konnten bisher, da sie sich nur nach einer Seite öffnen ließen, auch zur Ursache einer Banit werden, falls die zum Ausgang drängenden Insaffen sich an einer Seite aufftauten und die Oeffnung verhinderten. Es werden deshalb diese Thüren jezt pendelartig nach beiden Seiten aufschlagen, so daß sie dem Drud, von welcher Seite er auch erfolgen mag, unbedingt nachgeben müssen.

Für Schiffe, auf denen ein plöglich ausbrechender Brand ebenso schrecklich wie auf Eisenbahnen während der Fahrt ist, soll ein neues, von Gronwald erfundenes Löschsystem von großer Bedeutung sein. Das Mittel besteht in Kohlensäure, deren Vorhandensein in einem Raume, wenn auch nur zu 25 Proz. der Luftmenge, jedes Feuer mit Sichers heit ersticht. Die Kohlenstoffmenge, die ein Schiff mitführen muß, um dieser Bedingung wenigstens in den unteren Laderäumen zu genügen, ist nicht sehr groß, da ja die Kohlensäure in komprimierter, flüssiger Gestalt mitgenommen wird und die erforderlichen Ballons leicht auf die einzelnen Räume verteilt werden können. Der Norddeutsche Verfahren Leichterschiffe in Bremerhaven   Bersuche mit dem neuen Verfahren angestellt, die zwar noch fortgesetzt werden sollen, aber doch schon befriedigende Erfolge gehabt haben. Leider hat dieses System für Eisenbahnwagen, wie überhaupt für Räume, die mit Personen gefüllt find, keinen Wert, doch stehen vielleicht, wenn die Erfindungskunst sich dieses Gebietes einmal bemächtigen würde, andre Mittel zum automatischen Löschen oder Ersticken von Feuer in solchen menschenerfüllten Räumen offent.

In marinetechnischen Kreisen ist der kürzlich erfolgte Untergang des englischen Torpedobootes, Cobra"( abgesehen von den betrübenden Menschenverlusten dieser Katastrophe) auch vom technischen Stand­punkt sehr bedauert worden. Die Cobra", mit mehr als dreißig Knoten das schnellste Schiff der Welt", war ein Turbinenschiff, eine bedeutsame technische Neuerung, die möglicherweise einen tolossalen Umschwung im Schiffsmaschinenbau herbeiführen kann, da sie erlaubt, mit dem halben Raumbedarf und Gewicht wie bisher die größten Kräfte hervorzubringen. Aber ein Unstern scheint über dieser Neue rung zu schweben. Das ältere Schwesterschiff der Cobra", die Biper", das ebenfalls von der englischen Parson- Co. mit Dampf­turbinen ausgerüstet war, ist nach kurzer Benutzung unter gegangen, das zweite Turbinenboot ist nunmehr gleich bei den