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sonders bei jemand, der nicht im stande war, einem andern als dem eignen Kopf zu folgen!

und

Der Sekretär( mit leisen Zeichen von Unruhe): Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen, doch ich glaube

Seine Nase streckte er mehr als je witternd in die Luft Der Maire: Nein, das können Sie nicht wissen, Sie haben und spürte mit ihr überall nach; die Miene fragte da' ne Menge Gesuche, was?' s muß Ihnen also einer sagen, wer forschte und holte die Leute schon von weitem aus die richtigen Leute sind! Sehen Sie, ich bin Maire von Donezy- Lahme. Der Maire ist der Vater seiner Gemeinde; er kennt fie, als wenn er ihr wirklicher Bater wäre. Ich werde Ihnen die nennen, die Sie dekorieren müssen.

Eines Tages hörte er, daß mehrere Aafjordinger auf das Auswandererschiff König Sverre" gekommen feien, welches außerhalb der Reede lag und nach Amerika bestimmt war; sogleich entschloß sich Rejer und ließ sich hinüber rudern.

E3 war ein stiller, flarer Sommerabend und er fonnte schon vom Boote aus nach bekannten Gestalten aus­spähen; aber mit Ausnahme von einigen Matrosen sah er niemand auf dem Verdeck. An Bord wies man ihn hin­

unter.

An der Treppe, die zum Zwischendeck führte, blieb er plötzlich stehen mit der Empfindung, als schnürte sich ihm die Brust zusammen... Er erkannte den Aafjorddialekt!

Ein Weib war's mit einer groben Stimme, und das lehrte ein kleines Knäblein das Regenwetterlied von Peter dem Pfeifer:

Sieh dort auf der Flühe

Mit Kunst und mit Mühe,

So pfeifet und lockt er die Wolfen herbei,

Bis in schwärzlichen Haufen

Sie kommen gelaufen

Wie Schafe, wenn tönet des Hirten Schalmci." Das rief ihm die frühesten Erinnerungen der Kindheit zurück!

Niemand kannte den kräftigen, hochgewachsenen Seemann, der herabstieg, obgleich viele forschende Augen sich auf ihn richteten; man dachte wohl, es sei einer der Befehlshaber an Bord.

Er stand mit dem Gefühl da, plöglich in eine Welt ge­zaubert zu sein, in der er früher einmal gelebt!

-

Der da mit dem Haarschopf auf der Stirn, der Bursche, welcher vornübergebeugt mit dem Bechklecks auf dem Brett und der Ahle im Munde dasaß und einen Fleck für die Sohle eines Frauenschuhs zurechtschnitt, war niemand andres als sein guter alter Freund, der Schuster Jo, runzelig und in der Krone droben etwas fahl geworden, aber, wie es schien, noch immer bissig und gleich eifrig bei der Arbeit. Der Mund sah aus wie in alten Tagen, wenn Jo mit dem Leisten drohte; bielleicht famt aber das Eingekniffene um die Lippen von dem Verlust einiger Zähne...

( Fortsetzung folgt.)

( Nachdruck verboten.)

Dev Here Maire.

Von Léon Xanrof . Autorisierte Ueberfegung. Ein Bureau des Ministeriums der Schönen Künste, mit dem ent­sprechenden tünstlerischen Geschmack eingerichtet, der zum Glüd aber von dem bureaukratischen Geiſt gemildert wird. Die zierlichen Monumental­guirlanden, die dem Gemach die Grazie des 18. Jahrhunderts ver­leihen, werden vont viereckigen und schwerfälligen Möbeli aus weißem Holz mrterbrochen; ant den weißen Wänden stehen aufgestapelt vollgestopfte Kartons; vor einem schenßlichen Tisch im Empireſtil steht miiten auf dem Kamin eine Venus von Milo ; fie macht ein tieftrauriges Gesicht darüber, daß sie keine Arme mehr hat, um den Schnurrbart abzuwischen, den ihr ein Beamter in einer Anwandlung jener geisivollen Fröhlichkeit, die den Grundzug des französischen Charakters bildet, auf der rechten Seite mit Blauſtift, auf der linken mit Rotstift aufgezeichnet hat.

M

Der Sekretär( immer unruhiger): Aber Herr Maire, ich will nicht

Der Maire: Dante, das strengt mich gar nicht an. Man hat mich in Donézy- Lahme 279 Gesuche unterzeichnen lassen Der Sekretär( entfest): 279 Gesuche! Aber wir haben ja mur 400 Kreuze zu verteilen!

Der Maire: Donnerwetter! Bierhundert Kreuze! Dann fehlen Ihnen ja noch Gesuche! So viel werde ich gar nicht zu fammenbringen, um die vierhundert voll zu bekommen... Der Ort hat ja bloß 316 Einwohner!

Der Sekretär: Verzeihung, Herr Maire, Verzeihung... vierhundert Kreuze für ganz Frankreich

Der Maire: Ach, verflucht! Na, da wird's für Donézha Lahme nicht viel geben, was?

Der Sekretär: Du lieber Gott, wir werden für Ihren Ort wohl höchstens über ein Kreuz verfügen können... und auch nur, wein ganz besonders begründete Ansprüche vorliegen.

Der Maire: Ein einziges! Himmeldonnerwetter! Na, schließlich!( zieht einen Stoß Briefe aus der Tasche.) Na, ich werd' Ihnen die nennen, die begründete Ansprüche haben. Ich spreche natürlich bloß von denen, die mich gebeten haben, ich solle mich mit ihnen beschäftigen... die andren!

( Der Sekretär macht, etwas beruhigt, eine zustimmende Bes wegung.) Der Maire: Das sind zweiundfünfzig!

Der Setretär( erschrocken): Sprechen Sie nur von denen, die begründete Ansprüche haben.

Der Maire: Ja, natürlich!. Da ist in erster Reihe Becajong, der Schullehrer... das ist' n sehr tüchtiger Mensch, und der Pfarrer wäre wütend..

( Der Sekretär ergreift die Feder und taucht sie in das Tintenfaß.)

Der Maire: Aber da sind noch Klatschereien mit der Post­halterin vorgekommen; also lieber nicht!

( Der Sefretär trocknet die Feder ab.)

Maire gewesen und infolge dessen ein Mann von Bedeutung... ( Der Sekretär nimmt die Feder wieder auf und taucht sie in die Tinte.)

Der Maire: Da ist weiter der Vater Maquinet, der ist

Der Maire: Aber' s ist' n Reaktionär;' 3 würde' nen schlechten Eindruck machen.

( Der Sekretär legt die Feder wieder hin.)

Der Maire: Dann ist da der Gendarmerie Brigadier; das ist' n Mann von Erziehung, der schreibt Ihnen Berichte, darüber wären Sie vielleicht selber paff mit Verlaub zu sagen.

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( Der Sekretär nimmt die Feder wieder in die Hand.) Der Maire: Aber er besäuft sich wie' n Schwein und würde sein Kreuz in' n Schmutz ziehen, wenn er nicht Dienst hat. ( Der Sekretär läßt die Feder verzweifelt fallen.)

Der Maire: Mir würde z. B. der Briefträger sehr gefallen. Erstens ist er doch' n Stück Journalist...( der Sekretär sieht ihn erstaunt an). Na, er trägt doch Journale aus,( Er ist über diesen geistvollen Scherz so erheitert, daß er sich längere Zeit vor Rachen windet und dann aufsteht, um dem Sekretär auf den Bauch zu klopfen, da der Tisch aber zu breit ist, so verzichtet er auf dies Projekt und schlägt sich auf seinen eignen.)

Der Sekretär( nimmt ruhig die Feder und wartet.) Der Maire( nachdem er sich erholt hat): Aber er hat mal mit einem Geldbrief faule Sachen gemacht... Da würden die Leute drüber schreien!

( Der Sekretär wirft abgespannt wieder seinen Federhalter hin. Die Prüfung der 52 geht in dieser Weise weiter. Schließlich kommt nicht ein einziger in Betracht.) Der Sekretär( erleichtert): Nun, Herr Maire, da Sie In seinem Seffel sigt der Herr Sekretär der Prüfungskommission niemand finden.. für die Ansprüche auf das Parma Veilchen" und schickt sich mit Der Maire( fuchend): Nee... unter denen, die mich gebeten tiefer Resignation an, auf die Worte des Herrn Maire von Donézy- haben, finde ich keinen ich empfehl sie Ihnen aber doch wie Lahme zu laufchen, der ein Beglaubigungsschreiben eines der wegen ich's versprochen habe... aber schließlich kann ich doch nicht lügen; feines Unterbrechungstalents vom Ministerium gefürchteten Depu- ein Maire fann nicht lügen Namentlich, da Sie bloß ein Krenz tierten überreicht hat.( Der betreffende Deputierte kopiert zu vergeben haben... Das müßte also jemand, jemand höheres mit größter Vollendung das Krähen des Hahnes, sowie den Schrei des überfahrenen Schweines und der Schwiegermutter). Der Maire, deffen rote Haut schlecht zu dem allzu neuen Gehrock paßt und den seine weiße Kravatte, deren eine Spize ihm jeden Augen blick das Kinn kitelt, im höchsten Grade geniert, wartet, mit seinen fleinen pfiffigen Bauernaugen blinzelnd, darauf, daß der Beamte das Wort an ihn richtet.

Der Sekretär der Kommission: Jch höre, Herr Maire, und möchte Sie nur gebeten haben, mich nicht allzu lange aufzuhalten. Wir haben für das Barma- Veilchen" so viele Gesuche zu prüfen.

Der Maire: Na schön, Herr, grad' um Ihnen die Arbeit zu erleichtern, bin ich ja hergekommen.

fein!

Der Sekretär( sich erhebend): Gewiß... also in einem andern Jahr...

Der Maire( sich der Thür zuivendend): Na, also schön. ( legt die Hand auf die Thürklinke) Adien, mein Herr! Der Sekretär( sich wieder an die Arbeit machend): Adien, Herr Maire!

Der Maire( öffnet die Thür, schließt sie heftig wieder und schlägt sich vor die Stirne): Herrgott, bin ich dämlich!

Der Sekretär( ärgerlich werdend): Wieso haben Sie denn das bemerkt?

Der Maire: Na,' s ist jemand da für dieses verdammte Ding, von dem Sie nicht wissen, wem Sie's geben sollen.