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Die drei andern nickten Beifall.

er ihr durch die Leichtgläubigkeit und Dummheit der Zeugen schuylos die Frau heute daftände und wenn ein Mädchen nur mal gar so leicht gemacht worden sei. worden sei. Troydem erhielt sie allein über die Straße geht, denkt gleich jeder Mann, er könnte es 1/2 Jahre Gefängnis. Als fie wieder Freiheit gebeleidigen und eigentlich könnte eine anständige Frau heut überhaupt fetzt wurde, fand sich gleichwohl ihre gläubige Gemeinde nicht mehr auf die Straße gehen, und damit hatte sie recht. Das wieder zusammen, und der Humbug mit Erscheinungen von Geistern legte tlang sehr emphatisch. der Heiligen 2c. begann von neuem. Eine Heilung dieser weit ver­breiteten Unfitte darf gewiß nicht darin bestehen, daß man den Sinn für das Wunderbare überhaupt zu ersticken sucht, dadurch würde eine geistige Trägheit verbreitet werden, die den Keim zu jeder geistigen und wissenschaftlichen Fortentwickelung notwendig vernichten müßte. Wohl aber muß und soll man darauf hinwirken, daß der kritische Sinn und die Fähigkeit zu nüchterner Beobachtung mehr gestärkt

werden.

Die Wunder werden dadurch nicht aus der Welt geschafft; man tann sogar sagen, daß der Blick für die wirklichen, zu Alltäglichkeiten gewordenen Wunder dadurch wieder mehr geschärft wird. Oder ist es etwa kein Wunder, wenn wir uns frei vor aller Augen in die Lüfte erheben, wenn wir mit einem viele Kilometer entfernten Freunde uns unterhalten, wie wenn er neben uns stände, wenn wir einen Wasserfall zwingen, uns seine Kraft als Licht zu spenden, wenn wir Lichtstrahlen von fernen Welten her durch ein dreifantiges Glas gehen lassen und dadurch über die Stoffe, aus denen jene Welten bestehen und über die Zustände, in denen sie sich befinden, sichere Nachricht erhalten? Sind diese und tausend andre Wunder, die uns um geben, nicht mehr wert, als wenn sich jemand im Dunkeln aus seinen Fesseln befreit oder in geheimnisvoller Weise allerlei Hausgerät durcheinander wirft?

Aber die Offenbarungen der Geister und der jenseitigen Welt! Ja, können denn wir uns nicht auch mit den Geistern der Abs geschiedenen unterhalten! Der Forscher in seinem stillen Zimmer finnt über einer Frage, die er nicht bewältigen kann; er erholt fich Rats in feiner Bibliothek; bald greift er nach diesem Bande, bald nach jenem. Und wenn er das Facit feiner Ueberlegungen zieht, so sieht er, daß es lauter Tote sind, die ihm bei seiner Arbeit behilflich waren. Galilei   oder Newton hat er citiert, und willig haben fie ihm ihre Gedanken offenbart. Und wenn es ihm gelingt, einen halb vergessenen Gedanken eines solchen erhabenen Geistes wieder aufleben zu lassen oder gar weiter zu entwickeln, hat dann die Heraufbeschwörung des Toten nicht eine ganz andre Bedeutung, als die Geistere cheinungen der Spiritisten, welche stets nur die einfältigsten Gemeinplätze und trivialsten Plattheiten ihrem gläubigen Publikum auftischen!

Noch ein Wort über die Naturforscher, die dem Humbug der Spiritisten zum Opfer gefallen find. In der Mehrzahl der Fälle be­ruht hier der intellektuelle Fehler sicherlich auf einem Mangel an philosophischer Erziehung. Es ist merkwürdig, wie leicht zuweilen nicht nur wissenschaftlich gebildete, sondern selbst hochbedeutende Männer auf die albernsten Gauteleien hineinfallen und an die Wirkungen überfinnlicher Kräfte und Offenbarungen einer ge­heimnisvollen Geisterwelt glauben, wo der kritischer veranlagte Beobachter mir die geistige Wirksamkeit eines Betrügers wahr­nimmt.

Der Mangel an philosophischer Schulung kann durch ernsthaftes Studium der Psychologie beseitigt werden. In vielen Fällen liegt aber die Sache auch anders und tiefer. Nicht selten begegnet es einem Naturforscher, daß er sich über die Tragweite seiner Hypothesen einer feltsamen Täuschung hingiebt. Um die Erscheinungen zu fammenzufaffen und zu begreifen, d. h. sie in einem ursächlichen Verhältnis mit einander zu verknüpfen, werden bestimmte grund legende Annahmen gemacht, die sich außerordentlich förderlich er weisen; ich erinnere z. B. nur alt die Annahme von dem atomistischen Aufbau der gesamten Materie. Durch die Erfolge ver­führt, welche eine solche hypothese auf einem bestimmten Gebiete hat, wird manchmal vergessen, daß es sich bei ihr nur um die Bujammenfaffung bestimmter Erscheinungsgruppen handelt, und fie wird zur Grundlage für die Auffassung der gesamten Welt, sie wird als Weltanschauung gepriesen. Hiergegen erfolgt dann eine Reaktion; eine solche Weltanschauung erscheint manchem Natur forscher zu seicht, zu öde und unzureichend. Dann kann es wohl vorkommen, daß der Spiritismus geradezu ein Gemüts­bedürfnis befriedigt. Befindet sich ein Naturforscher in diesem Fall, so wird er fest am Spiritismus hängen und jede Aufklärung ver schmähen. Ist das auch begreiflich, so ist damit doch keineswegs etwas für den Spiritismus gewonnen oder bewiesen; vielmehr ent­halten, solche Vorgänge nur die ernste Warnung, vorschnelle Ver­allgemeinerungen naturwissenschaftlicher Hypothesen vorzunehmen. Dr. Bruno Borchardt.

Kleines Feuilleton.

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oe. In der Konditorei. Es waren ihrer vier, frische, junge Dinger, so zwischen fünfzehn und siebzehn und offenbar alle aus guter Familie. Wenn vom Papa der großen Blondlockigen die Nede war, hieß es fogar der Herr Direktor. Sie faßen um den kleinen, runden Marmortisch, löffelten Chokolade und Inabberten Kuchen, mit Sahne natürlich, dabei schwatzten sie; es war recht vergnüglich ihnen zuzuhören.

Die Direktorstochter war in einer Frauenversammlung geivesen, fie erzählte: Und dann sagte sie: es wäre ein Standal, wie

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Die Herren sind immer so frech!" sagte die eine, sie wurde Else genannt, denkt mal wie es mir geht. Neulich in der Pots­damerstraße geht einer vor mir. Ich glaube, es war sogar ein Lieutenant in Civil, er fab so patent aus und hatte einen pracht­vollen Schnurrbart, und dann trat er an ein Schaufenster mit lauter Spiegeln und ich stell' mich auch dahin und seh' mir im Spiegel seinen Schnurrbart an, und da sagt er mit einem Mal: Na Fräulein, was gefällt Ihnen denn am besten, die Hose zu zehn Mark oder die zu zwanzig?" Und da sah ich erst, daß es ein Herrenkleider- Schaufenster war. Ist das nicht aber toll?" Gerade als

Unverschämtheit!" entschied die Direktorstochter.

ob man sich nicht mal mehr' n Schaufenster   ansehen darf." Du hättest doch einfach sagen sollen, ich suche was aus für meinen Vater," schlug eine von den beiden andern vor.

" Ich hab' gesagt: Sie Affe!" Else reckte sich, sie empfand den Affen offenbar als eine große Heldenthat. ind

Die drei andern lachten. Das hast Du wirklich gethan, Elschen?" Ja das hatte sie gethan!

Aber eigentlich ist doch das gar nichts," meinte die Kleinste geringschäßig, und er tann gemerkt haben, daß Du in den Spiegel fabft; zu mir hat aber neulich einer gesagt: Fräulein, was find Sie niedlich, wollen wir nicht zusammen spazieren gehen?"

Aber wirklich ein Standal!" entrüstete sich die Direktorstochter. Hast Du nicht auch Sie Affe" gefagt?" fragte Else. Nein, ich habe gesagt: Heute nicht, morgen!" Sie barg das lachende Gesicht hinter der Muffe. Aber Alma 1"

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" Das ist ja ganz unanständig, man darf doch nicht antworten," fagte ihre Nachbarin, sie hatte rote Haare und Bockennarben. Na, es war ja keiner in der Nähe, der mich kannte." Alma nahm eine Miene verlegter Würde an. Und denn hört doch mal weiter, denn hat er gesagt, ob wir uns nicht morgen treffen wollten in der Potsdamerstraße an einem Schaufenster, und ich habe gesagt, ja ich käme, und bin auch richtig hingegangen."

" Pfui, Alma!" Die eine schrie es fast lauter, als die andre. Aber die Kleine ticherte: Na doch natürlich nicht an das Schau fenster, sondern gegenüber hinter einer Hausthür. Da hab ich mich verstedt. Und er ist richtig gekommen und hat gewartet, und ich hab derweile hinter der Thür gestanden und ich habe mich halb tot lachen wollen." Das wollte sie auch jezt und die andern mit, nur die Pockennarbige behielt ihr moralisches Gesicht.

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Es ist aber doch furchtbar unpassend."

Ganz famos ist es," juchzte die Direktorstochter. Die Männer ugen einen ja so oft, warum soll man sie denn nicht wieder ußen?" Und eigentlich macht es doch auch Spaß," meinte Alma etwas ironisch, und es ist so gut wie' ne Eroberung, man muß ihnen doch gefallen, die Häßlichen reden sie nicht an."

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die Nase als ob es denen um's Hübsche zu thun ist. Gestern Ach namn, was das anbelangt," die Bockennarbige rimpste in der Friedrichstraße sprach einer sogar' ne Dame an, die ganz schief zurüid. Mir ist übrigens neulich auch mal einer nachgekommen, war". Man hörte es ihr an, daß sie log. Sie warf den Kopf von der Friedrichstraße bis nach'm Spittelmarkt, und dann hat er immer auf mich eingeredet, ich hab' aber gar nicht nach hingehört." Wer weiß auch, was Du gehört hattest," sagte Alma spiz.

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Ju der Friedrichstraße sind sie überhaupt immer so frech," unter­brach fie die Direktorstochter. Man braucht nur mal die Straße hinaufgehen, dann kommt gleich hier einer und da einer, da ist ihnen jede recht."

Na ja, Du mußt es ja wissen, Du gehst ja dort alle Tage." Bockennarbigen einen Schubs. Pfui, Irma! Wie Du bist." Die Direktorstochter gab der wohnen, da muß ich doch die Friedrichstraße entlang gehen." Wo wir am Oranienburger   Thor machte ein Unschuldsgesicht. Na, ich habe ja auch gar nichts gesagt." Die Bockennarbige

" Ja die Friedrichstraße ist so verschrien," seufzte Else, aber wißt" Ihr, es giebt noch mehr solche verschrieenen Straßen, zum Beispiel am Bahnhof Alexanderplatz  . Da habe ich mal gelesen in' ner Beitung, die Mädels, die da in dem langen Bahnhofsgang gehen, von denen wüßte jeder, daß sie bloß Bekanntschaften machen wollen. Es war aber noch gemeiner gesagt. Und dann bin ich mit meiner Cousine mal hingegangen und wir haben's uns angesehen und es haben uns gleich zwei Herren angesprochen. Da sind auch keine feinen Herren, bloß solche Kaufmannsjungens aus'm Centrum."

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" Feine Herren trifft man überhaupt nur bei uns im Westen", brüstete sich Alma. Wir haben da auch solchen Play:' ne Konditorei in der Potsdamerstraße. Früher war's' ne feine Konditorei, aber Mama jagt, man könnte jezt beinah' nicht mehr hingehen, weil so viel Mädchen da fizen und auf Herren warten; ich habe auf­gepaßt, es ist auch so."

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Das möchte ich mal sehen," sagte die Rothaarige.

" Wir können uns ja das nächste Mal da treffen." ,, Ach ne, das laß' man lieber sein."

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Wir können ganz ruhig hingehen, es ist sonst' ne sehr feine Konditorei."