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über die vom Wein, Essen, Tanz und Flirt erhitzten Gesichter der Gäste wirft. Und mitten in diesem blutroten Meer bewegen sich nicht mehr graziöse, schöne Frauenglieder, schwellend von Leben, Geinndheit und Vergnügungslust, sondern es zucken statt dessen die verstümmelten Glieder eines armen Arbeiters.

Aber nun hat der Redner seinen wohlklingenden Toast auf den Hervorragendsten Bürger der Stadt, den großen Industriellen, den humanen Arbeitgeber und den edlen Menschen" beendigt, und es bricht ein Beifallssturm los, und die Gläser klingen aneinander. Sochrufe und Tuschblasen.

Die häßliche Vision ist verschwunden, und der junge Ingenieur stimmt in das Hoch ein, verbeugt sich und stößt mit seinem Glase au, wie die andern.

Tun

Es war ja nur ein Arbeiterleben!-

Kleines Feuilleton.

gb, Tante Guftchen. Gerade als sie die Schleife knüpfen wollte, begann der Spektakel im Kinderzimmer von neuem. Hajtig warf sie die Arbeit bei Seite und eilte in das Zimmer nebenan. Ein wildes Juchzen klang ihr entgegen. Liddy und Kurt inßen aufrecht in ihren Betten und warfen sich die feinen ipißenbelegten Kissen gegenicitig an den Kopf, dabei schrieen sie, daß es von den Wänden wiederballte und der fleine, vierjährige Walter pfiff auf dem Kanum, das heißt er that mur so, er zog den Kamm hin und her und heulte dazu; das Pfeifen verstand er noch nicht.

Aver Kinder, wollt ihr wool." Die Tante stürzte auf die Betteit zu und riß Walter zunächst den Kamm fort. Das ist ja überhaupt nicht mit anzuhören. Augenblicklich legt die Kiſſen hin Ihr sollt jetzt endlich schlafen, sage ich Euch!"

Du hast uns gar nichts zu sagen," meinte Liddy unartig. Aber Liddy," die Tante starrte sie an, ihr gutes Runzelgesicht bekant einen ganz betrübten Ausdruck; aver, Liddy, das sagst Du Tante Gustchen?"

" Du bist ja gar nicht unfre Tante, wir nennen Dich ja bloß so," Tachte Sturt. urt, wenn Du noch länger so unartige Reden führst, komme ich morgen nicht wieder!"

Das schien zu wirken. Der Junge fette sich im Bett aufrecht und jah sie halb neugierig, halb ängstlich an:" Rommst Du ganz gewiß nicht wieder?"

Rein, ganz gewiß nicht! Ihr müßt allein schlafen, wenn die Eltern zum Ball find, die Mädchen schlafen hinten in ihrer Stammer, das wißt Jhr dom." Sie sagte es sehr drohend, es imponierte aber offenbar nicht, Liddy lachte ungläubig:" Ach Gott, Du kommst jn doch."

Stein, ich fomme ganz gewiß nicht wieder."

Mber Mama sagt, Du kommst sehr gerne, weil Du dann immer Dein Effen friegst."

Was sagt?..." Es war, als wollte sie auf das Kind los stürzen, dann Inidte fie p li in fich zusammen und wandte sich ab: Schlaft jetzt endlich!" Es trang nie imterdrücktes Weinen. Eie ging in das Schlafzimmer zurück und setzte sich wieder an den Tisch, aver die Arbeit nahm sie nicht zur hand; sie sah vor sich bin. Weil Du dann immer Dein Essen haft. Nein, nicht daran denken! Ein unartiges Kind hatte es gejagt; was denu weiter? Aber es famerzte doc. Und daß sie es aussprachen, jo ganz offen vor den Kindern! Ach!

Ihre Finger frünnten sich. Sie hatte sie doch lieb, die Kinder, und nun stand fie so vor ihnen da!

, Weil Du dann immer Dein Essen hast! Pfui! Pfui! Es war ja freilich Wahrheit, aber warum mußte es denn gesagt werden?

Aber Tante Gustchen würde ihnen was! Sie recte sich empor. Sie sollten sich Tante Gustchen suchen von jetzt an! Nie mehr fam sie wieder, nie mehr. Sich von den Kindern höhnen lassen! Lieber saß sie zu Haus und nähte ihre Hauben und ein Stück Schmalz­ſtulle dazu. Zu mehr als Schmalzstulle langte es nicht. Solchen Wein da, sie schielte nach dem Tisch, solchen Wein da, konnte sie sich nicht leisten. Auch den Teller mit Kuchen und Obst nicht. und draußen stand ein Stück kalten Bratens, den sie sich mitnehmen sollte für zu Haus! Ja, Alice war doch gut.

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Eine Kinderfrau hätte ihr allerdings mehr gekostet. Nein, das waren schlechte Gedanken; fie nahm ihre Arbeit wieder auf und stichelte. Ihre Lippen preßten sich zusammen.

Und zu Haus war das Zimmer falt und Licht hätte sie sich auch taufen müssen! Nein, nein! Nicht wieder so etwas denken! Und wenn die Kinderfran ihr zehnmal mehr gekostet hätte, ein wahrer Segen war es, daß sie feine nahm, dann konnte wenigstens die Tante kommen, und die war froh, daß sie warm und hell saß und ihr bißchen gutes Essen hatte.-

k. Die Auferstehung der Thaïs. Aus Paris   wird bes richtet: Gahet, der erfolgreiche Urheber der Ausgrabungen von Antinoë  , hielt dieser Tage im Museum Guimet vor einer schr interessierten Zuhörerschaft einen Vortrag über das Leben der Anachoreten in Oberägypten  . Als Ausgangspunkt nahm er die Ents deckung der Mumie der Christin Thaïs und des Eremiten Serapion. Besondere Aufmerksamkeit erweckte der Vortragende dadurch, daß er ein Modell, eine Tänzerin, vorführte, die genau nach dem Vorbilde der Thais gekleidet war; mit Hilfe dieses Modells zeigte er die Straßens toilette einer Aegypterin in den ersten Jahrhunderten unsrer Zeitrechnung. ihre Totentoilette und die Art, wie sie bestattet wurde. Ueber dem roja Muffelinkleid, mit dem das Modell bekleidet war, wurde ein zweites sehr langes und sehr weites olivenfarbenes Kleid mit sehr weiten Aermein und gestickten Längsstreifen getragen. Um die Taille schlingt sich ein gestickter Gürtel, auf den Kopf kommt ein Schleieraus rosa Muffetin, der auf die Schultern und bis zum halben Körper berab fällt, nach Art des klassischen pschent", während die Arme die Schleiers enden wie einen Shawl halten. Der gefältelte Schleier treuzt sich auf der Brust nnd drapiert den ganzen Oberkörper mit entzückender Eleganz. Ein langer jafrangelber Schleier, der an den Ecken und in der Mitte mit Medaillons aus blauer Stickerei geschmückt ist, vervollständigt dieses reiche und farbige Kostüm. Dieser Mantel ist so angepaẞt, daß das große Medaillon genan den Rücken und die vier kleineren Medaillons Hände und Füße bedecken. Ein großer wollener Fallhut, der am oberen Rande des Mantels befestigt ist, rahmt das Gesicht ein und läßt ein vollkommenes Oval hervortreten. So war die Straßentoilette einer Aegypterin der römischen Epoche, und so er­scheinen auch auf den byzantinischen Mosaiken die hübschen Römerinnen und Griechinnen der ersten Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung. Nachdem die wiedererstandene Thaïs einen langsamen rhythmischen Tanz mit ausgestreckten Armen und gefalteten Händen furz ans gedeutet hatte, ging Gayet dazu über, die Totentoilette der Thaïs vorzuführen. Auf das Geficht wurde ein wollener Fallhut herunter­gelassen, die Hände auf dem Leib gekrenzt. dazwischen die Gebet­schachtel, ein primitiver Rosenkranz, gelegt und dazu die Rofe von Jericho  , das Symbol der Auferstehung und der Ewigkeit. Zwischen die Arme kamen grüne Palmenzweige, der Kopf wurde mit Bechern aus geflochtenen Binsen umgeben und auf das Gesicht ein Korb aus geflochtenen Binsen gedrückt, beides eucharistische Symbole. Der große Mantel ist nun zum Bahrtuch geworden. Er wird eng um den Körper gelegt und mit weißen Bändchen befestigt, und zur Ehrentoilette" der Mumie gehört noch der Blumenkranz auf dem Stopf. So war die Christin Thaïs gekleidet, die vor fast zweitausend Jahren in ein rotes Ziegelgrab zu Antinoë gelegt war, das jetzt von Gayet entdeckt wurde.

- Der Rötelsang im Zugersee. Der Frautf. 8tg." wird Eine Uhr schlug halb Elf. Eie hordte auf, jest mußte die Oper aus der Schweiz   geschrieben: Auf den Speisekarten der schweizerischen zu Ende sein, jezt tamen sie bald nach Haus. Nein, noch nicht, erst Gasthöfe erscheinen jedes Jahr um die Mitte November die Zuger  gingen sie noch essen und eine Flasche Wein trinken; Zwölf würde Rötel", und sie paradieren dort zur Freude jedes Feinschmeckers es wohl wieder werden, vielleicht auch balb Eins. Es war ja beute bis gegen Neujahr. Die Rötel sind eine Fisch- Specialität des Zugers eine große Gesellschaft, da blieben sie die halbe Nacht zusamunen. und des Aegerisees und schon in alten Chroniken wird ihrer mit Aus­Eie feufzte auf: Ja sie hatte es gut getroffen, ihre Schul- zeichnung gedacht. So heißt es in einem Eidgenössischen Hausbuch freundin, die blonde Alice: einen reichen Mann und einen guten vom Jahre 1705", in dem Bugersee seynd die edelsten und köstlichsten Mann, der ihr alle Tage ein andres Vergnügen bot. Aver Rötelein, so immer in einem Ecemögen gefunden werden" und ein zu An­freilich, wenn man so hübsch war, wie die blonde Alice und einen fang des 14. Jahrhunderts abgefaßtes östreichisches Urbar   sagt: Geheimrat zum Vater hatte! Sie war nie hübscher gewesen, sie 3e Bug lit ouch ein Biſchentz, die gilt Jerlich ze Zinse 6 tausend hatte weder einen Gebeimrat zum Vater, noch Geld gebabt, sie Rötlin und 6 hundert Balchen, der hoff ze Agery, der Eigenschaft war übrig geblieben, als die andern heirateten, eine verblühte, alte zu den Einsiedein höret, der gilt Jerlich ze vogtrecht 4 hundert Noten Jungfer war fic, die zu Hause saß und Hauben und Schleifen nähte die miteinand wert sin söllen zwei Pfund und acht Schilling. und gerade froh war, wenn eine Freundin sie bat, mal abends Auf den Klostertafeln der innern Schweiz   haben die Zuger   Nötel seit nach den Kindern zu sehen. Dazu war sie allenfalls noch gut Jahrhunderten eine große Rolle gespielt, und in nenerer Zeit machen's genug! andre Leute den Klosterherren nach und schmansen nach Kräften, fo Sie lachte auf. Dazu ja! Die andern gingen in die Oper, lange Nötelzeit ist. Der Nötet ist ein zur Gattung der Forellen zum Ball und in Gesellschaften. Ihr gab keiner ein Opernbillet, gehörender Fisch; er wird auch Seefaibling geheißen. Man fängt feiner lud sie zur Gesellschaft ein, höchstens zum Kinderwarten. den Fisch nur zur Laichzeit, Oktober bis Januar, wo der Rötel Und selbst die Kinder verspotteten fie. Ach, ach, ach, ach!" Sie fiefige Stellen zum Laichen aufsucht; die Fischer des Zuger   Sees schlug die Hände vor's Gesicht. legen fünstliche Laichpläge an, und die Leute von Walchwyl, wo die Und waren die Zimmer nicht ordentlich warm mehr und hatten ergiebigsten Rötelplätze sind, haben sich schon vor 150 Jahren zu die kleinen sich bloß geworfen, wurde die Mama ärgerlich, wenn einer organisierten Fischereigenossenschaft zusammengethan, dereit fie nach Haus tam und der Papa fräkelte: Tante Gustchen, Sie Sagungen vor einigen Jahren obrigkeitlich anerkannt worden haben wohl noch nicht heizen lassen? Tante Gustchen, danach sind. Der Fang ist nach eidgenössischem Gesetz nur während tönnten Sie doch sehen!"

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sechs Wochen gestattet und die Fischer find verpflichtet,