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graufam: Man tritt in fie ein, wie man einen Straßenbahn- Bagen| ein unterdrücktes Mädchen- Kichern aus einer Ecke, das sich bald mit besteigt. Man bittet, die Billets aufzubewahren und auf Verlangen einem soliden Manns- Schnarchen mischt. Ein neuer Gemeinschaftler dem Controleur vorzuzeigen. Das ist die einzige Bedingung. Es muß plöglich hinaus, er thut das mit großer Lebhaftigkeit. Andre ift offenbar, daß auf diese Weise die intime Seelenverbindung un kommen herein, es ist eine ewige Unruhe Pst! rufen in Bausen) befchreiblich innig werden muß. von zwei Minuten die entrüfteten Andächtigen. Es ist hinreißend stimmungsvoll, bezaubernd gruselig.
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Der Saal wird erhellt. Die Neue Gemeinschaft reibt sich die Augen, reckt die fröstelnden Glieder, erkennt, daß sie noch lebt, era hebt sich von den Sigen, nimmt die Operngläser an die Augen und beschaut, wer alles da sei. O, wie viel Bekannte giebt es doch auf dieser Erde! Die Lichtpause dauert etwas lange. Man gerät ins Schwagen. Die jungen hübschen Frauen und Mädchen werden munter, die Herren geistreich. Man flirter und foquettiert ein wenig. Man wird vergnügt. Ein Fest des Todes.
Und dennoch kann man über diese Gemeinschafts- Antichristen nicht herzhaft lachen. Es liegt eine stille Tragit in ihrem Wirken, Auf dem dunklen Rednerpult erscheint ein Schauspieler, nur wenn auch eine tragische Unzulänglichkeit. Diesen Schriftstellern und die Blätter, von denen er ablieft, sind beleuchtet. Er trägt die tiefKünstlern ist es furchtbar flar geworden, daß sie als Ueberflüssige finnige indische Legende von den Senfförnern vor. Das Publikum im Bagno der bürgerlichen Gesellschaft arbeiten müssen, die längst wird ersucht, sich in indische Nirvana- Stimmung gebührend zu vermur für zins tragende Jdeale ernstlich interessiert ist und von sezen. Jis der die ganze intellektuelle Sippe höchstens als dekorativer Tafelfahmud geduldet wird. So zur socialen Ohnmacht verurteilt, und nicht stark und reif und unabhängig genug, den Uebergang zur flaren, nüchternen, strengen Welt des Proletariats zu bollziehen, flüchten sich die künstlerischen Lustig und Traurig macher des bourgeoisen Publikums vor Tanter Klarheit über the parasitäres Schicksal in das Nebelheim der absoluten Unklarheit, in eine flitternde Coulissenpracht farbenträchtiger Gefühle und geheimnisvoller, original geschweifter Seelenlinien. Der wissenschaftliche Bit die Nacht jest! fich wieder auf den Saal. Holbeins Rationalismus, der in der proletarischen Bewegung lebt, scheint ihnen zu Totentanz zieht in Lichtbildern vorüber. Man gerät in die lehrhafte dürr und einfach; den kirchlichen Dogmatismus haben sie abgestreift. Stimmung eines dankenswerten künstlerischen Anschauungsunterichts. So suchen fie nach unerhörten Dämmerzuständen mid phantastischen Reise Harmoniumaccorde versuchen die ruhige Anschauung zu Schleiertänzen der modernisierten Seele, und indem sie alle Grenzen dämonisieren. wissenschaftlichen Dentens und Forschens verwischen, tauchen sie hinab Nach Backs Air das hebräische Schicksalslied Kol Nidrei , ein in das alte romantische Chaos, lassen sie den ernsten, ruhigen Weltzusammenbruch und eine Weltschöpfung in Tötten. Die Neue Arbeitsertrag der zielsicher schaffenden Vernunft, in religiös- Gemeinschaft gedeuft prozentual ihrer Wäter und der schaurigen Macht schweifende Wolfen einer wissenschaftzerstörenden Kunst Magie des Schofar- Horns. berdampfen. Sie vermögen nicht, all die neuen gewaltigen Es werde Licht! Julins Hart hat das Wort. Mit einem bes Erkenntnisse der Menschheit zu einem modernen tiinstlerisch wunderungswürdigen Ernst und der Inbrunst eines Offiziers der gesättigten, harmonischen Nitus des Lebens zu gestalten Heilsarmee hält er eine„ desechnete" Predigt über das Leben des Sanach strebt in der That unser aller tiefstes Bedürfnis Lodes. Aus allen Behältern des Universums sucht er sich die sondern sie suchen abseits des Reiches der tagthätigen Bernunft ein pruntendsten Bilder und Gleichnisse zusammen. Unter einem Haufen romantisches Revier dunkler Sensationen und flackernder Erfüllungen Figsternen thut er's nicht. Als er von dem Wachsen des Embryo als Jagdbezirk ihrer unzufriedenen Begehrlichkeit zu pachten. So entzückt schwärmt, grinsen und zirpen etliche Jungfrauen der Neuen nähert sich die Neue Gemeinschaft , die stolz darauf ist, am Born der Gemeinschaft. Er schwelgt in der ältesten Mystik pantheistischer nenesten Wissenschaft zu schöpfen, wider ihren Willen den Isolir Schwärmereien und verkündet als moderne Lehre eine Art konzellen, in denen die Blumenmedien fühnere reichere und glüd- fuser Seelenvanderung der Atome. lichere Welten der Wunder aus Phosphor und weißem Tüll materialifieren.
Es ist merkwürdig, wie wenig es unfren begabten Jntellektuellen bisher gelungen ist, neue einheitliche Lebensformen zu schaffen, Kirchen des modernen Geistes, Gottesdienste der erlösenden Mensch heitsidee. Sie kommen niemals über fragmentarische Versuche heraus, denen grillige Einfälle und fenfationelle Barbareien jede Entwicklungsmöglichkeit rauben.
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Nach dieser Beleuchtung hat der Tod seine indisch- hebräischchristlichen Schrecken endgültig verloren. Es darf hell im Saale bleiben; und das Publikum langweilt sich enttäuscht bei einer musikalischen Rovität, einer übrigens recht interessanten und prächtig vorgetragenen Violinsonate.
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Endlich naht die Schluß- Mimit. Des alten Romantifers Novalis Gefang der Toten wird ſcenisch dargestellt, ein Schattenspiel in vers schleierndem Dämmer, violettem natürlich! Helldunkel. Ein Welch ein unbegreiflicher Ehrgeiz, daß unsre neue Gemeinschaft sind sogar hat in der Loge als Kleinster der Neuen Gemeinschaft ihre sehr guten Konzerte durchaus nicht ohne die Mitwirkung violetter die müden Augen wach halten müssen, um in dem lebenden Bild Beleuchtung dulden will! Der Fortschritt der Künste besteht in der des Todes stumm mitzuwirken. In Novalis Gesang offenbart sich Sondering. Kein größerer Frrtum, als diese tobende, wirre Vereine imvergleid iche Kunst, Ueberfinnliches sinnlich zu sagen. Aber mischung der Künste, die einander nicht heben, sondern zerstören. die Weise zerfließt ins Leere einer elvigen Melodie, die Bilder, die sich Ein Streichquartett Beethovens kommt wirklich dann am volle auf den Gipfeln nachtvoll verdichten, zerflattern immer wieder tommensten zum Ausdruck, wenn es simple schwarzgekleidete Mu- Darstellung steigert die Einsicht in die blassen Schwächen der Dich fitanten auf gewöhnlichem hölzernen Podium exekutieren. Sie tung. Die Stimmen der drei Abgeschiedenen, die die Verse im brauchen durchaus nicht auf Eckmann- Stühlen zu ſizen, das Wechselgespräch recitieren, flingen nicht ineinander. Die Empfindung Cello bedarf keiner Rosenguirlande, und es ist nicht nötig, daß die des usagbaren verliert durch die körperliche Inscenierung der Worte. Künstler im Beethoven - Kostüme den lilienstengelhaften Bogen über die mondscheinleuchtenden Saiten gleiten laffen. Es ist noch weniger finnreich, wenn man im Hintergrund den Gefühlse und Gedankeninhalt des Quartetts als Schattenmimik anschaulich darstellt. Jedes Kunstwerk muß durch sich selbst wirken, und die äußerlichen dekorativen Verschönerungen und Stimmungsbereicherungen, die man als so außer ordentlich modern und herrlich empfindet, stellen keine höhere Eingebung dar als jene Illustrationen zu Kolportageromanen, die finn
Gegen zwei Uhr nachts stirbt Isolde den Liebestod auf dem Harmonium. Uebernächtig erftitrint die Neue Gemeinschaft die alten Garderobenäimme. Auf den fahlen Gesichtern zeigen sich die Kratzfurchen eines energischen Katers. Den Sensationslüfternen ist die Sache bei weitem nicht gespenstisch, beinerschütternd genug gewesen. Andre tranern, daß ein so vorzügliches Konzert durch ein so mühfeliges Brimborium verumftaltet wurde. Vororten z Da die Neue Gemeinschaft den guten Geschmack hat, in den zu hausen, und Herr Thielen keinen Extrazug des Todes Stirb , Elender! ruft. Die grimassierten und kostümierten Ihrischen zugestanden hatte, blieb man den Rest der Nacht in der Kneipe. So Vorträge sind Vergröberungen der Kunst, und Neue Gemeinschafts- endigte das allermodernste Fest des Todes- der Neuen Gemeinschaft. Konzerte mit dunkelblauem Hintergund und Todesahnungs- Unendlichkeit sind Erniedrigungen der fünstlerischen Darbietungen, die solcher äußerlichen Stimmungsmache nicht bedürfen.
In solchem Herenjabbath unnatürlich vermischter und verwirrter Künste aber suchen mujre Intellektuellen die Weihe ihrer ernenten und vertieften Feste. Das Totenfest haben wir in der so bereicherten Ausstattung hinter uns, andre werden vermutlich folgen: die nene Menichheit wird mit Hilfe der Neuen Gemeinschaft nene Lebendige Formen sowohl für das Weihnachtsfest, wie für Ostern und Pfingsten finden, und Kaisers Geburtstag sowie der Sedantag werden hoffentlich derselben Wiedergeburt teilhaftig werden. Denn war dieses Fest der Toten nicht wirklich von unergründlicher Herrlichkeit und Empfindungsfülle?
Die Mitternacht war nahe schou. Der Theatersaal ist pechschwarz verdunkelt. Das Publikum hustet, plaudert, jede Minute öffnet sich eine Thür, ein Keil grellen Gaslichts dringt in die Todesnacht des Saales und zugleich stolpert mit hinlänglichem Geräusch ein Nachzügler in das Parkett. Jegt tönen feierliche düstere Signale von der Bühne. Langsam hebt sich der Vorhang. Ein Totenhain, vorn ein weißes Portal, schwarze lebendige Cypressen füllen den Raum, deren Duft die Todesstimmung der Najen zu wecken sucht, in blauer, leuchtender Unendlichkeit verschwebt die Scenerie. Aus der Nacht klingt, von einem unsichtbaren Künstler gespielt, ein Harmonium. Einen Augenblid gerät man in Stimmung. Da tönt
Kleines Feuilleton.
Joc.
ee. Erfter Schnee. Es schneit, es schneit!" Mit einen Subelruf lief das fleine Mädchen an das Fenster, preßte das Näschen an die Scheiben und fah mit großen leuchtenden Augen in die beginnende Dämmerung. Da stoben die weißen Flocken.
Es schneit, es schneit 1" Wie ein Zauberwort flang es durch die Helle elegante Zimmerflucht. Die Mutter sprang aus ihrer Sofacde, die große Tochter unterbrach ihr Klavierspiel, der Junge ließ eine Bleisoldaten stehen, alle eilten sie an das Fenster, selbst das Mädchen, das gerade dabei war, den Kaffeetisch zu decken, hielt einen Augenblick inne und fah hinaus.
„ Der erste Schnee," jagte die Mutter in einem halb sentimentalen Tone, wie hübsch das ist, schon so weihnachtlich." Die große Tochter uidte:
poetisch
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Ja, er fällt so feierlich, er ist so
der erste Schnee." Morgen fahren wir Schlitten," schrie der Junge, hurra,' n Kreuzberg' runter, und dann tippen wir wieder um, wie voriges Jahr, weißt Du noch Käthe?"
Mitten in den Schnee!" jauchzte das kleine Mädchen.