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ich wohl, aber fie" felbst will ja auch noch ein Kleid haben; dann und sonstigen Kleine Sachen mit Nadeln an die Tapeten fest. Andre wird's wieder heißen: schnell, schnell. Natürlich!. Und wenn lesen die Stoffreste von der Erde auf und stecken sie in bestinimite womöglich noch etwas zu ändern kommt, müssen wir wieder eine Kartons, die großen Stücke in diesen, die kleinen in jenen. Die ganze Nacht figen." Seidenflicken werden dem ältesten Lehrmädchen, der fünfzehnjährigen Katja, zum Aufbewahren übergeben.
" Ich fann den Rücken gar nicht mehr gerade machen," sagt Mascha, die bis dahin geschwiegen hat.„ Und das Korsett hilft auch nichts, wenn man sich immer so über die Arbeit beugen muß." Niemand antwortet. Gleichmäßig ergießt sich über die krummen Rüden und tiefgesenkten Köpfe das Licht aus den großen Lampen, die von der verräucherten, staubigen Balkendecke herabhängen. Eine unüberwindliche Müdigkeit und der Wunsch, diese verhaßte Stube verlassen zu dürfen, spricht aus allen Bewegungen der Arbeiterinnen.
" Da ist der Kuchen! Sehen Sie bloß, wieviel Kuchenfrümel mir die Büffettmamsell gegeben hat! Es sind auch ganze Stücke darunter, mit Chokolade ; nur die Crême ist gerlaufen!" ruft freudig die eintretende Anjutka, indem sie ein ziemlich umfangreiches Paket in grauem Papier in die Höhe hält.
Gieb, gieb her!... So, da lieg' zum Teufel 1" sagt Annuschka, mit der einen Hand den Kuchen nehmend, mit der andren ihre faft beendigte Arbeit fortwerfend; sie thut dies ilbrigens ganz vorsichtig, daß die Arbeit nicht beschmußt und zerknüllt wird. Lisa, Natascha! Na, bitte fehr, meine Herrschaften!" fordert fie auf. " Gleich, gleich!"
" Ein tüchtiges Mädchen, unsre Anjutka! Das nenn' ich noch Kuchen! Na, nimm das für den Weg. Katja, Safcha, greift doch zu!" wendet sich Lisa an die Mädchen, welche am andren Tisch arbeiten. Allmählich fammeln sich die älteren Arbeiterinnen um den Lisa, werden Sie zum Maskenball nach der Eremitage" " Ja, ich habe auch schon ein Billet und auch ein ganz neues Kostüm. Letztes Jahr habe ich mich sehr gut amüsiert. Besonders mit Offizieren habe ich viel poussiert. Einer, der mich schon oft gesehen hat, hat mich in meinem Kostüm gar nicht erkannt."
Kuchen. gehen?"
Ach das ist wohl der, mit dem Sie auch jetzt noch gehen?" " Ja; damals wurden wir näher bekannt. Ich bin nicht so wie Sie, Annuschka Natürlich, wenn's ein Säufer oder Raufbold ist, dann läßt man ihn bald wieder laufen; aber wenns ein netter, bescheidener Mensch ist, warum denn nicht? Gott weiß, au wen man noch mal herangerät!"
" Erlauben Sie mir nach Hause zu gehen, Lisa. Ich bin mit meiner Arbeit fertig," sagt leise eins der Mädchen, welches vis dahin schweigend genäht hat.
Bei dieser Bitte richten sich alle Blide erwartungsvoll auf die älteste Arbeiterin Lisa.
" Das geht doch aber nicht. Wenn ich Ihnen erlaube zu gehen, Sonja, dann wollen gleich alle gehen. Und was sagen wir morgen
Madame?"
" Sollen wir denn die ganze Nacht arbeiten, was?"
Man muß doch wenigstens einige Stunden ruhen!... Ausschlafen kann man ja so wie so nicht!" ertönen mehrere Stimmen, denen man den lange zurückgehaltenen Zorn und die Empörung
anmerkt.
Na meinetwegen, Herrschaft also Feierabend!" sagt Lisa. Die Arbeitsstube gerät in Bewegung. Die Mädchen räumen ihre Arbeiten vom Tisch, hängen die zusammengelegten Taillen sorgsam auf und entledigen sich ihrer improvifterten Schürzen alte Tischtücher, deren Enden einfach in den Gürtel der Röcke gesteckt werden.
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Sie reinigen ihre Kleider nur so obenhin von den anhaftenden Fäden, und hasten, eine hinter der anderen, in die neben der Arbeitsstube gelegene Küche, wo im Winkel, neben der Wasserleitung, ihre Oberkleider hängen. Einige waschen sich die Hände, erfrischen sich das Geficht mit faltem Waffer und trocknen sich an einem Handtuch von zweifelhafter Sauberkeit ab.
Wer spritzt da wieder Wasser auf die Erde? Womöglich auch nach Ihnen noch aufwischen!" ertönt plößlich irgendwo von oben her eine böse Stimme, und im nächsten Augenblick erscheint in der Thür des Hängebodens der große, zerzauste Stopf der Köchin.
„ Schadet Dir gar nichts! Du hast viel zu viel Fett auf den Rippen! Arbeite Du mal so wie wir die ganze Nacht durch!" antwortet grob die Rodarbeiterin Katja, welche sich schon gewaschen und abgetrodnet hat und nun eilig ihren furzen Tuchmantel auzieht. „ Klatschmaul!" schickt sie ihr noch zum Abschied nach, als sie schon die Thür zur Straße öffnet.
,, Rumtreiberin!" bleibt ihr die Köchin nichts schuldig. " Lohut gar nicht, mit ihr anzufangen! Gehen wir, meine Herrschaften! Wie lange noch, dann ist die Nacht vorbei. Und bis wir ins Bett fommen, dauert's auch noch' ne Weile. Man hat wahr haftig teine Zeit auszuschlafen!"
" Anjutka, warum deckst Du nicht ein Laken über die Notunde? Sie wird ja ganz staubig!... Hilf uns doch ein bißchen aufräumen!" sagt das Lehrmädchen Manka, während sie alle Stecknadeln und Haken sorgfältig von der Erde aufliest.
Heute ist nicht mein Tag; ich habe gestern aufgeräumt," ant wortet Anjutka.
Sieh' mal an! Noch nicht ein Jahr in der Arbeitsstube und spricht auch schon von„ Tag"! Das fann Dir wohl so passen: den ganzen Tag sizen und bloß Heftfäden ausziehen? Aber zu was andrem, z. B. in die Magazine nach Proben zu laufen, bist Du ja noch nicht zu gebrauchen. Anstatt dankbar zu sein, wird das hier pazzig! Soll ich nicht etwa noch für Dich den Tisch rein machen, damit Du Dich nachher darauf schlafen legen kannst?" Was schreist Du, Manka? Lösch' lieber die Lampe da aus. Sie brennt so ungleich: gearbeitet wird ja doch nicht mehr; morgen giebt's wieder was, weil so viel Petroleum verbrannt ist!" sagt Statja, indem sie aus dem Winkel zwischen zwei großen Nähmaschinen vorsichtig eine zusammengerollte Futtertaille hervorholt und die Nähte forgfältig mit dem Fingernagel glättet. Ratta, sieh' doch, ich probiere meine Taille an: figt sie gut? Ich möchte sie gerne zu den Feiertagen fertig haben. Annuschka versprach mir zu zeigen, wie ich sie zusammennähen soll", wendet sich Katja au ihre Altersgenoffin. Ach laff' doch bis morgen! Es ist schon spät. Mich schläfert schrecklich.. Nein, nein, jetzt... eine Minute nur, Katka, liebste!" Mit diesen Worten wirft fie ihre ungeschickte, wollene Jade ab, die augenscheinlich gar nicht für sie gemacht ist, entblößt ihre mageren, unentwickelten Schultern und zieht vorsichtig die steif stehende Futtertaille an.
„ Na, wie sißt sie? gut?" fragt sie, die Vorderteile mit Sted nadeln zusammensteckend.
" Ja,' s geht, der Taillenschluß muß aber ein bißchen länger ge= macht werden; ich werde Dir an der Stelle eine Stecknadel anstecken... Und womit wirst Du sie besetzen?"
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" Bu Neujahr schickt man uns wahrscheinlich aus den Magazinen Bänder und Spizen; da bekomme ich dann auch etwas. Ich bin das älteste Lehrmädchen. Madame hat mir was versprochen; damit besetze ich."
Wenn wir bis Weihnachten immer so lange arbeiten müffen wie heute, wann willst Du da zum Nähen kommen?"
Am ersten Weihnachtstag mache ich's fertig; ich gehe ja doch nirgends hin. llebrigens fann ich ja schon jetzt ein bißchen anfangen; vielleicht zeigt mir morgen jemand, wie ich den Stoff zuschneide. Und wenn ich die ganzen Nächte durchsitzen soll; zu Weihnachten hat mein Bruder versprochen, mit mir ins Theater zur Nachmittags vorstellung zu gehen."
Du Glückliche! Ich war noch niemals im Theater. Wer weiß, ob ich überhaupt mal dahin komme. Wenn wenigstens meine Tante zu Besuch käme! Vielleicht kommt sie und nimmt mich zu den Feiertagen mit. Das wäre mal schön. Dann brauchte ich kein Theater."
Komme doch an den Feiertagen zu uns, wenn Deine Tante Dich nicht mitninumt; meine Mutter ist gut."
" Dank schön. Aber jetzt gehe ich wirklich schlafen. Ich kann faum noch auf den Beinen stehen. Ich mache Dein Bett auch gleich auf und nehme eine Weile Deine Decke: meine ist so falt!" Gut!"
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Als Katla fich auf dem Hängeboden nicht weit von der Köchin fchlafen legt und die Decke über den Kopf zieht, schlägt es irgendwo drei. Lange dreht sie sich von einer Seite zur andren und sucht ihre durchfrorenen Füße zu erwärmen, während sie davon träumt, wie schön es wäre, die Feiertage mit ihrer Tante, der einzigen nahen Verwandten in dieser großen Stadt, zu verleben. Sie beginnt gerade einzuschlafen, als sie neben sich Nadja hört, welche jetzt auch zu Bett geht. Eine Weile später ist alles still.
( Fortsetzung folgt.)
Kleines Feuilleton.
k. Auf den Journalismus im alten Rom werfen neue Ents deckungen ein interessantes Licht, über die ein englischer Korrespondent aus Rom berichtet: Das alte Rom hatte seine Tageszeitung, die in ihrem Inhalt eine merkwürdige Aehulichkeit mit den Blättern von Die Mädchen betreten die Straße, indem sie noch im Gehen heute hatte. Man hat jezt Täfelchen entdeckt, die in das Zeitungsihre Hüte feststecken und gerade rücken. Eine falte, eisige Luft. weht wefen des alten Rom eine neue Einsicht gewähren. Sie zeigen, ihnen ins Gesicht. Es ist angenehm, nach dem 18-19stündigen daß die„ Acta Diurna Urbis " in jedem Teile Noms und in den Aufenthalt in der Arbeitsstube mit ihrer von den vielen Menschen Provinzen cirkuliert haben müssen. Sie wurden jeden Morgen im und dem Kuchendunst verdorbenen Atmosphäre diese kühle, die Seele Forum öffentlich bekannt gemacht, abgeschrieben und im Argiletum erfrischende Luft zu atmen. Langsam schlendern die Mädchen über verkauft. Die" Acta" waren sowohl Staatsanzeiger wie ein Blatt den Asphalt und dehnen behaglich ihre eingeschlafenen Glieder. für vermischte Nachrichten; sie druckten die Gesetze des Kaisers, die Aber in der Werkstatt ist die Arbeit noch lange nicht zu Ende. Verordnungen des Senats, die Namen der neu eintretenden Die jungen Lehrmädchen stecken die Kragen, Manschetten, Falbeln Beamten, eine Liste der Politiker, die eine Audienz beim