grab' seine Art kommod. Er schob ihr keinen Riegel vor, sie durfte hinlangen, wo sie wollte, just als ob sie Bäuerin wäre. Und freundlichen Zuspruch hatte sie auch. Das verstand sich am Rand,»venu eins sich so plagte. Obendrein war sie nicht auf den Äopf gefallen, könnt' manchmal reden wie ein Buch. Wann war's dann gewesen? Ja, letzt am Sonntag. Er hatte sich einen Schliwwer in den Finger gerannt. Da war sie allein in die Kirche gegangen. Wie sie heimkam, that sie die ganze Predigt verzählen,'s war die Geschichte vom verlorenen Sohn. Der Pfarrer hatte niancherlei zugesetzt und seiner Gemeinde ans Herz gelegt. Die Christine hatte kein Wörtchcn vergessen, das floß ihr nur so aus dem Mund heraus. Er mußte alsfort an den Jakob denken, dann der war ja auch ein verlorener Sohn, aber keiner wie er in der Bibel stand. Ter kam nicht reumütig nach Hmis, strunzte lieber als Fittch in der Welt herum. Ob die Christine auf den Jakob hatte anspielen wollen, weil sie alles so hübsch nachsprechen that? Schon möglich, sie war sccleiigut. Ihm war sell viel auf der Zunge gelegen, er hatte es aber hinuntergeschluckt. Was sollt' er dem Mädchen vorlamentiern? Das verschloß man gottseben am besten in sich. Sie kannte den Jakob nur vom Hörensagen, wüßt' nicht, wie grund- verdorben er war. An dem war alle Predigt verloren. Die Sünde nahm er auf sein Gewissen: Ter Bub war bei ihm ausgethan.— Boin Dorf her drangen abgerissene Klänge, der Wächter hörnte Mitternacht . Der Flurschütz schlug einen Feldiveg ein und näherte sich dem Hollerbach. Auf dem Wasser lag ein Nebelstreif, darüber goß der Mond sein Licht. Ein Lüftchen hatte sich aufgemacht und trieb daS Silbergespinnst hin und her. Da formten sich seltsame Gestalten, Alraune und Wichtel, ein ganzes Heer. Ja. wer an den Spuk noch glauben mochte. Bei Gott ! Dort drüben regte sich was. Kein Heinzel- Männchen, ein leibhaftiger Mensch. — Mit einem Satz sprang der Flurschütz über den Bach, ging einer schmalen Furche nach und sah den Wolfsacker vor sich liegen. Ueber den Grenzstein bückte sich ein Mann. „Wer da?" rief ihn der Flurschütz an. „Ich sein's", gab eine heisere Stimme zurück. Der Flurschütz war auf Schrittlänge herangekommen. „Hobach? Du?" „Ja, ich." „Was schaffst Du hier?" „Kümmert's Dich? Ich denk', ich steh'n auf meinem Grund." „Nächts?" „Jawohl, nächts." „Und lawerierst wieder da am Grenzstein herum?" „Was fällt Dir ein?" „Hobach, fass' ich Dich noch einmal, kommst Du unter drei Jahr' nicht weg." „Ich Hab' den Grenzstein nicht angerührt." „Ich sag' Dir's in Gutem. Hobach, geh' heim." Der Mann machte keine Miene zu gehen. „Ich bleib I Du hast mir nix zu kommandier':!." Jetzt donnerte der Flurschütz ihn an: „Galgenstrick, gleich gehst Du mit!" Da zuckte der Justus Hobach zusammen, zog blitzschnell etwas aus der Tasche hervor und drang auf sein Gegen- über ein. Des Flurschützen Adlerblick war ihm gefolgt. Im Nu sauste sein Knotcnstvck nieder und traf mit Wucht des Gegners Kopf. Ein Mesier fiel auf die Ackerscholle. Der Hobach aber schlug rücklings zu Boden, von seiner Stirn rieselte Blut. — Fernher rauschte der Hollerbach. Eine Eule flatterte über die Stätte und erhob ihr häßliches Geschrei. Es war so hell wie am lichten Tag. Der Flurschütz richtete den Getroffenen auf und band ihm sein Schnupftuch um den blutenden Kopf. Der Justus hatte ihm ans Leben gewollt, er hatte sich bloß seiner Haut gewehrt. So weit war's jetzt mit dem gekommen. Gestern aus dem Stockhaus entlassen, heut' ein wüster Mordgesell. Wie ein Mensch sich sein Leben so verschütten konnte! Er kannte den Hobach von Kindsbeincn an. Der trübte vordem kein Wässerchen, ging still und fried- sam seiner Wege. Nun fiel ihm aus Erbschaft der Wolfs- ackcr zu, der lange brach gelegen hatte. Und es passierte, daß er Sonntags seine Gewann beschritt und vermeinte, ein Streifen sei ihm abgezackert. Herrgott, wer hatte das pexiert? Das mußte vor Tag geschehen sein. Daneben lag dem Schmal- bach sein Acker. Der schien auf einmal so merkwürdig breit. Schmalbach, Nimmersatt, daß Dich die Pest! Der Schmalbach leugnete alles ab. Die Sache kam ans Feldgericht. Das sprach den Friedrich Schmalbach frei und ließ alsbald einen Markstein setzen. Der Hobach war selbigmal ganz aus dem Häuschen und schlich wie verpicht um den Stein herum. Die Leute sprachen: Der schnappt noch über. Der Grenzstein ging ihni nicht aus dem Kopf. Und er griff wahrhaftig zu Hacke und Spaten und verrückte im Dusterlicht den Stein. Dabei hatte der Flurschütz ihn gefaßt und stracks den: Strafgericht überliefert. Drei Monat hatten sie ihn eingesteckt. Drei Monate Gefängnis, das war hart. Unter den„Kochemern" war er völlig verwildert. Das sah man, wie' er zum Messer griff. Der Flurschütz hob das corpus Zolioti auf und steckte es behutsam ein. Der Justus hatte einen Haß auf ihn, weil er der An- geber gewesen war. Er hatte gethan, was sein Amt ihm ge« bot. Da gab's beileibe kein Verdutscheln. Und wenn's der eigne Bruder war. Selbigmal hatte er freilich seine besonderen Gedanken gehabt. Der Schmalbach war ein durchtriebener Kunde. Dem war eine Büberei schon zuzutrauen. Nun that das Feldgericht seinen Spruch. Dernacher hieß es: das Maul gehalten. Der Hobach wollte sein gutes Recht und hatte sich schrecklich hineingerannt. Der Schmalbach, der Kujon, rieb sich die Hände. Wie's zuging unter dem Menschenvolk! Es war zum Lachen und Flennen zugleich!— Vor ihm lag der blutrünstige Mann. Da beschlich das Mitleid sacht sein Herz. Der da war gewiß der Schlimmste noch nicht. Die Menschen hatten ihn rabbiat gemacht. Und es liefen ihrer im Dorf herum, die schmuckeliger waren wie der. Auf dem armen Teufel herumzutrampeln, war Skandal und Niedertracht. Wenn er sich sonst nur wieder auf- rappeln that— was die Nacht geschehen war, gelobte der Flurschütz sich, schwieg er tot.— Der Verwundete stöhnte leise. „Wie ist's dann?" fragte der Flurschütz besorgt. Der Mann war leicht verletzt, aber völlig zerknirscht. „'s hat mir nix gethan," sprach er dumpf vor sich hin. Der Flurschütz atmete erleichtert auf. „Du mußt einen harten Schädel haben. Wann ich einem eins auf den Grind geb', hat's geschellt." Der Justus brachte sich mühsam auf die Beine und ächzte: „Hältst Du mich doch kaput gemacht." «O ha!" „Guck, Daniel, ich sein wie bedäumels gewest. Gest' mittag sein ich losgekommen. Drei Monat haben meine Leut' nicht nach mir geguckt I Etz tret' ich ins Haus. Und rührt sich keins. Und mein' Frau hat ein Gift auf mich und hat die Kinder verhetzt, der Vater wär' zu nix mehr nutz. Da sein ich Dir fort in einer Wut und wollt' vermordessern, was vor mich kam. Daniel, was Hab' ich ausgcstandsn!" Die helle Verzweiflung sprach aus deni Manne. Da der Flurschütz schwieg, sab er ihn flehentlich an. „Daniel, ich bitt Dich, führ mich etz ab. Nur nicht am Tag, wo die Leut ein' neipeln." „Wer spricht dann von abführen?" that der Flurschütz erstaunt.„Ich schätz', Du bist ein freier Mann." „Daniel!" schrie der Hobach auf und suchte zitternd des Flurschützen Hand. Der aber sagte mit leisem Schüttern: „Justus, wenn Du sonst nix mehr verkerben willst, von mir ans geschieht Dir gewißlich nix. Was Du sell gethan hast, ist alleweil glatt. Dadrüber hat Dir keins nix mehr vorzuwerfen. Kopf hoch, Justus. Und etz geh heim!" Der Justus blieb erst wie versteinert stehen, dann wankte er dem Dorfe zu. Der Flurschütz nahm seinen Marsch wieder auf und schritt durch das nächtliche Revier. VIII. Das Jahr, das sich so kläglich angelassen, bescherte den Eschenrödern eine reiche Ernte. Nach der Hitze und Last des Sommers, der alle in Atem gehalten hatte, gönnte sich das Alter Rast, unter dem jungen Volk aber regte sich unbändige Freude, denn das Fest der Kirmes stand vor der Thür. In Erwartung der Lustbarkeit vereinigte die Burschen allabendlich der obligate Soff. Die Mädchen brachten ihre Staatsangelegenheiten in
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18 (24.12.1901) 250
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