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Ordnung. In den Häusern machte man die Fensterscheiben Meinetwegen fannfte se ja Köts nennen." Die Mutter schob blank, rieb Tische, Stühle und Bänke ab und bestreute die einen der Kuchen in den Mund; konum mal her, Liese, pack' die Fußböden mit weißem Sand. Das Scheuern erstreckte sich Glasfachen aus, wir wollen se auf Fäden zich'n, derweile Justav die sogar auf die Ställe, so daß überall Ordnung und Sauberkeit Leuchter einschraubt." " Na, da laß' Du man die Finger von, sonst wird es wieder eine herrschte. Mächtige Kuchen wurden gebacken und Viktualien Hedderei." Gustav machte sich schon mit den Leuchtern zu schaffen. herbeigeschafft. Selbst die minder Begüterten sorgten für Er fragte sich hinter den Ohren: Na, Kinder, ich sage man.. Küche und Keller, um sich bei der Kirmes ein Bene zu thun. das sind ja noch immer die alten Dreckers, könnt Ihr denn nich mal So ging die Schanzwoche vorüber. Samstagabend wurde anständige Leuchter kaufen!" die Kirmes angespielt und dem Pfarrer und Bürgermeister" Bapa fagt, se gehen noch." ein Ständchen gebracht. Darauf bei Bier und Branntwein ein fröhlich Gelage. Sonntag in aller Frühe strömten die Armen aus den umliegenden Ortschaften herbei und gingen bei den Bauern um. Da thaten sich alle Hände auf. Wo die Freude eine allgemeine war, wollte man keine verschmorrten Gesichter sehen.

Zum Kirchgang ordnete sich der Kirmeszug, Mädchen und Burschen im größten Staat. Die Mädchen trugen ein blaues Mieder und Schnürröcke, ein Dugend übereinander, mit fingerbreitem Damast gesäumt. Die Burschen erschienen in blauer Jade, weißen Hosen und langen Stiefeln. Die Tanz­magd hatte eines jeden Hut aufs schönste mit dem Luft­strauch geschmückt.

Der Fahnenträger gab das Zeichen zum Aufbruch, die Mufit spielte einen kriegerischen Marsch, und vorwärts ging's der Kirche zu.

Erst nachmittags begann der Tanz. Auf der Schleifwiese hinter der Krone war der Kirmesbaum gerichtet. Um diesen wirbelten die Paare. Frauen und alte Jungfern bildeten die Zuschauerschaft und flatschten wie die vornehmen Damen in der Stadt. Die Männer saßen derweil abseits und vergnügten fich beim Kartenspiel. Bier und Branutwein flossen in Strömen, und des Juchzens war kein Ende.

Gegen Abend nahmi jegliche Tanzmagd ihren Tanzburschen mit nach Haus und bewirtete ihn mit einem lukullischen Wahl. Da gab's Weckfuppe, steifgekochten Reis mit Rosinen, Kraut­falat mit Bratwurst und gefottenes Obst.

" Jawoll, Papa, und er geht auch und drückt sich und ich hab' de Arbeit."

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Gustav, hab' nicht so'n großen Mund," die Mutter nahm eine ernsthafte Miene an.

Na Plunder... ob der Faden durch's Loch geht!" Sie schob die Wolle von neuem in die Silbernuß.

Du mußt ihn lang faffen," sagte Lieschen. Sieh mal, so." " Jawoll, lang fassen, wenn er drin ist, biegt er sich um. Nee, jetzt schmeiß ich den ganzen Dred beiseite!" Sie war wütend ge= worden und warf die Glasunß auf den Tisch, daß fie sprang.

Na Mama," Lieschen schrie auf, nee Mama, was machste denn nu? Nu fährste mit'm Ellbogen unter die Fäden! All meine Fäden haste verheddert."

Js mir ja ganz egal. Wer mich mit den dämlichen Biestern rumärgern, fällt mir ja gar nich ein! Macht's Euch alleine! Sie lehnte sich hintenüber und kreuzte die Arme über die Brust, fuhr aber schon im nächsten Moment mit Lieschen zusammen auf: Na, Gustav strampelte mit den Beinen, vom linken sprang er auf's rechte, vom rechten wieder auf's linke. Lieschen schrie:

was is denn Ios?"

Er trommelt mit'n Hinterpfoten wie'n Karnickel, wenn's wütend is."

Wenn Du noch frech wirst, kriegste eine gelangt." Gustav raste: Sch" werde mit den Leuchtern nich fertig!" Dreck is ja das, und denn fährt einem der Plunder noch mit seinen Nadeln in die Augen." Er gab dem Weihnachtsbaum einen Schubs, daß er schwankte.

" Du schmeißt ihn ja um!" Die Mutter sprang auf. Nee, was haste Dich denn? Se sitzen ja schon alle drin bis auf die vier großen unten."

Na, das sind auch grade die allerschlimmsten! Himmeldonners wetter, nein, ich friege sie nich rein! Der Jug hat keine Schrauben!" Gustav hatte es noch einmal versucht, mun sprang er auf und warf Mutter und Schwester wütende Blicke zu: Zieb mir mal v Bohrer!"

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Was willste haben?"

' n Bohrer."

" Ich hab' keinen Bohrer."

Schöne Wirtschaft, wo nich mal' n Bohrer is!".

Nachdem es vollends dunkel geworden, begaben sich alle in den Saal der Krone, das eigentliche Tanzlokal. Hier empfing fie die Musik mit einem schmetternden Zusch. Burschen und Mädchen schlangen die Arme ineinander und das Lanz­bergnügen begann von neuem. Die Saalfenster waren fest verschlossen, über dem Menschenknäuel brütete eine unermeß­liche Hize. Bei dem engen Tanzkreis war an regelrechte Na, na, Gustav! Man immer fachte; von wegen schöne Wirts Dreher" nicht zu denken. Wer es nicht vorzog, auf derselben schaft! Wir sind doch keene Tischlerwerkstatt." Stelle zu Hopfen, und in die trappelnde Menge geriet, der wurde geschoben, gezerrt und gestoßen. Dessen ungeachtet Wirst Du ja gerade wissen, dämlicher Bengel. Denkst wohl, waren alle bei bester Laune, und der reichliche Biergenuß weil de Koofmannslehrling bist." Die Mutter war böse; fie ging erhöhte die Stimmung. Bald faßten die Burschen die Mädchen nach der Thür:" Ich wer's Mädchen zum Bortier schiden, ob er tühner, Kopf preßte fich glühend an Kopf. Und das Pläfir" uns einen borgen fann." währte die Nacht hindurch, bis bei beginnendem Morgen grauen Pärchen um Pärchen von dannen schlich.- ( Fortsetzung folgt.)

Kleines Feuilleton.

er. Der Weihnachtsbaum. Es war ein schöner Baum, hoch, boll und rund, ein Prachtexemplar von einem Weihnachtsbaum. Lieschen flatschte in die Hände: Er reicht bis an die Decke, wenn wir die filberne Spitze auffezzen, schneidet er gerade ab. Mayers werden sich ärgern!"

" Ja, die haben nur' n kleinen," nickte die Mutter. Vater wollte auch' n fleinen nehmen, aber nee, man bloß nich so' n nuttigen Weihnachtsbaum! Das sieht so nach arme Leute aus! Nu hängen wir noch recht viel Glasfachen ran, dann werden Mayers grün und blau, die wollen immer' n feinsten Baum haben.

Die mit ihre ollen Papierketten," Lieschen lachte höhnisch. Haste wirklich nur zwei Mart gegeben, Justav?"

sehr stolz auf seinen Einkauf: Aber zu Bapan sag' ich: drei Mark, " Zwei Mark und keinen Pfennig mehr", der Bruder war offenbar das übrige Geld nehm' ich für die Feiertage!"

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" Alter Schwindelmeier," die Mutter drohte ihm lachend. Als ob Du nicht so schon die Taschen vollkriegst! Nee, denn sag man gleich: drei Mark fufzig; ich kann' n Fünfgroschenstück auch ge­brauchen!"

Krieg ich nicht auch was ab?" fragte Lieschen.

" Wenn Du artig bist,' ne Pfeffernuß mehr; aber fangt nur gleich mit Bugen an. Wenn Papa nach Haus tommt, will er' n fertig haben. Hier sind die Leuchter und die Glassachen!" Die Mutter ging nach einem Tisch, auf dem allerhand Pakete Tagen. Und da habt Ihr auch' ne Tüte mit Kätse."

Stälje is gut!"... Lieschen schrie auf. Dazu mußte doch Keets sagen, Mama."

" Jeder ordentliche Haushalt hat' n Bohrer!"

gelungen. Er flopfte die Nadeln aus den Aermeln und sprang auf

" Laß' man! Sie sitzen schon!" Gustavs letter Versuch war

einen Stuhl. So, nu hängen wir auf. Liese kann mir zureichen! Dummkopf, was soll ich denn mit' nem Apfel für die Krone? Da tommen nur leichte Sachen hin."

" Zu schimpfen brauchste auch nich gleich." Liese tam in Borrn. " Hol' Dir de Sachen alleene, wenn Du se haben willst."

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Stille," gebot die Mutter. Ihr macht ja einen Radau um den Weihnachtsbaum, das ist ja janz und jar doll." Sie ging um den Baum herum und hing selbst hier und da ein paar Stüde an: Laß doch sein, Mama," sagte Gustav, wir machen es schon selber."

Sie hing trotzdem weiter an, dann machte sie auf einmal ein ärger­liches Geficht: Du, Justav, jetzt biste aber doch rinjefallen! Der Ast ist is eingeschraubt und der und der ja auch und der! Nee, Justav, was lachste denn so dämlich! Das is ja einfach jemein von Dir! Der Baum kost' doch keine zwei Mark, den haste doch für zwölf Jute gehabt! Pfui, Justav! Wo ich Dir noch immer de Stange halte, und um willste mich auch beschummeln, nu rück' man wenigstens noch fünf Froschen raus!"

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Bapa tommt!" rief Lieschen.

Draußen auf dem Korridor tönten Schritte. Der Vater trat Baum habt Ihr zurechtgemacht!" cin; auf der Schwelle blieb er stehen: Na, Kinder, Ihr seid ja schon beinahe fertig, und so'n schönen

seine Seite, mit einem langen Blick umfaßte sie die Tanne. In ihr Ja, nich wahr, er ist hübsch geworden?" Die Mutter trat an robustes Gesicht tam plöglich ein sentimentaler Bug. Jott ja, der Weihnachtsbaum! Und daß man nu noch' mal drunter zusammen is... Jott ja, ich sage, es hat doch was furchtbar Feierliches, so'n Weihnachtsbaum!"

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Theater.

-n. Freie Volksbühne. Die Medaille", Komödie von Ludwig Thoma . Der eingebildete Kranke ", Luft­spiel von Molière . Die Freie Boltsbühne hatte am Sonntag ihren litterarischen" Tag. Ludwig Thomas Einafter" Die Medaille" ward dem Lustspiel des großen französischen Satirikers vorangeschickt.

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