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wage Dich nicht zu weit bor; es lohnt nicht, aufs Spiel setzt. Nimum Dich namentlich vor in acht!"
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„ Ach, der Schießjohann", der Boitel!... Vor dem habe ich ebenso wenig Angst, wie vor den andern; wenn er mir auch gedroht hat; wenn ich ihn treffe, kann er sich drauf verlassen, daß ich ihn anzeige; und das kann ihm teuer zu stehen kommen!"
Das auf der Lichtung des früheren Buire- Waldes in den Ardennen, des jetzigen Legrand- Gehölzes, gelegene Försterhaus wurde von den zum Flecken und zu den Wiesen führenden Wegen eingeschlossen.
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daß Du Dein Leben| Ende mit ihm zu machen, damit das Gesetz recht behielt. Toch dem„ Schießjohann" wozn? Er hätte die ganze Gegend, die Boitel so ergeben war, gegen sich aufgebracht. Bernard setzte fluchend und wetternd seinen Weg nach dem Jagdbezirk fort, er war auf sich noch wütender als auf Schießjohann". Es war also nichts. gar nichts, man konnte sich ungestraft über ihn Instig machen; seine Autorität war also thöricht, willkürlich, ungerecht; ja er wagte sie nicht einmal mehr auszuüben. Sein altes Unteroffiziersblut wallte auf. Der Förster sah fich bereits seines Amtes enthoben; denn er mochte den Wald noch so trefflich verwalten, Herr Legrand glaubte wie alle Besitzer nur den Anzeigen und Protokollen. Um jeden Preis mußte er einen Wilderer fassen, um jeden Preis! Boitel hatte wahr gesprochen; in dem Gestripp lauerte ein Mann auf die Kaninchen, die aus den Erdgruben kamen. Bernard erkannte ihn; es war ein halb verkrüppelter, halb schwachsinniger Landstreicher, der vom Betteln lebte, und den man in der Gegend wegen seiner langen Gestalt und seiner Magerkeit die Pappel nannte. In einigen Säßen war der Förster bei ihm, hatte ihn, bevor der andre noch Zeit zur Verteidigung fand, zu Boden geworfen und an beiden Armen gefesselt. Nun ließ er seiner Wut freien Lauf und überschüttete den Unglücklichen mit allen Schimpfreden, mit denen er gar zu gern Boitel belegt hätte. Bei diesem hier hatte er nichts zu befürchten; hier konnte er seine Autorität gebrauchen; ja, er konnte sie sogar mißbrauchen; der Schwachfinnige batte nie jemand bedroht, er war dazu sogar außer stande. Bappel beschränkte sich darauf, weinend um Verzeihung zu bitten und wiederholte, er glaube, fein allzu großes Verbrechen begangen zu haben, denn er wollte das Kaninchen, das er gefangen, nur effen; außer dem wimmelte es ja im Walde von Kaninchen, die man schon zum Vergnügen abschießen sollte.
Als Bernard draußen stand, streckte er einen Augenblick den Kopf aus und schien nach rechts und links zu schnuppern, ob etwa ein Wilddieb in der Nähe wäre; darauf betrat er den Waldweg, den ein schmaler Streifen Himmel zwischen den Wipfeln der dunklen Bäume beleuchtete. Das Wetter war gut, um beim Teich auf den Austand zu gehen. Er schlich sich zwischen das Dickicht durch einen unbekannten Fußpfad, an dessen Ende man das Glizern eines Wasserspiegels bemerkte. Mit schweren, von hohem Grafe gedämpften Schritten ging er langsam bis zu einer aus Zweigen hergerichteten Hütte und stellte sich dort auf.
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Nein, vor dem Schießjohann" hatte er keine Angst! Das war etwas für die Bauern, vor den Drohungen dieses Taugenichts zu zittern; er hätte etwas darum gegeben, wenn er noch in dieser Nacht mit Boitel zusammengestoßen wäre! In dieser niedrigen Hütte auf der feuchten Erde kauernd, ganz Auge und Ohr, dachte er begeistert an die Menschenjagd. Seine Rolle erschien ihm größer, seine Mission wurde fast göttlich. Zu dieser Einöde und Finsternis war er gleichsam das Auge Gottes, das stets auf das Wert der Bösen herniederblidte. Er ward der größte Rächer, er berauschte sich an seiner Autorität und bewunderte sich selbst, daß er solche Rechte besaß und so über den andern Menschen stand.
Ein verdächtiges Kuistern ließ sich im Gestrüpp vernehmen; eine menschliche Gestalt zeichnete sich auf dem klaren Spiegel des Teiches ab. Bernard verschwand zwischen dem Schilf und tauchte dann vor dem Manne auf.
Na,
„ Ach, guten Tag, mein alter Bernard!" sagte der andre mit der größten Seelenruhe, indem er das in der Schlinge gefangene Wild weiter in seine Jagdtasche steckte: Wie gehts? Gut? Und bei Dir zu Hause? Frau und Kinder, alles wohl? um so besser, um so besser! Du hast heut abend schönes Wetter für Deine Runde. Da wirst Du aber Wilddiebe fangen!... Eben hab' ich gerad' einen gesehen! Er ging in den reservierten Jagd bezirk!"
Genug der Worte genug!" furrte Bernard, der nur noch mit Mühe au sich hielt." Du wirst mir folgen!" " So! Mach' teine Dummheiten! Du erinnerst Dich, was ich Dir versprochen, wenn Du mich noch einmal anzeigst! Ich werde mein Wort halten; ich lüge nie!"
" Ich weiß nur so viel, daß Du ein Dieb bist, und daß ich Dich verhafte."
" Das Wild ist einen Tag da, morgen wo anders, es gehört weder dem, noch dem. Ich trieb das Gewerbe, bevor Dein Herr hier war; niemand beklagte sich darüber, und alle Leute aus der Gegend find für mich!"
" Sie wissen alle, was sie erwartet, wenn sie Dich anzeigen; aber mir machst Du nicht bange!"
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Gut! Hier ist mein Gewehr, meine Nege, meine Tasche; zeige mich an, verhafte mich; führe mich nach der Gendarmerie... Na, nimm sie doch; worauf wartest Du denn? Fürchte nichts, ich werde Dir folgen, wenn ich Dir' s jage, ist es so, ich lüge nie!"
Der Forsthüter macht unerhörte Anstrengung vorzuschreiten; doch eine unsichtbare Kraft schien ihn zu lähmen; schließlich ward er es müde, gegen sich selbst anzufämpfen und er brummmte in ver= drießlichem Ton:
schnell!"
Geh' Deiner Wege, Boitel! Geh' Deiner Wege! Aber geh! Damit drehte er ihm den Rücken und schob den Riemen seines Gewehrs zurecht.
" Das laß ich mir gefallen! Es ist auch besser, wenn wir uns beide als Kameraden zu einander stellen! Im Jagdbezirk wirst Du schon welche finden, die sich gerne fassen lassen. Auf Wieder: sehen, Bernard!"
Er ließ ihn gehen, wo er ihn packen konnte? Weshalb? Das fonnte er sich selbst nicht erklären. Die Ruhe, die Sicherheit Boitels hatten ihm die Ermahnungen seiner Frau ins Gedächtnis zurückgerufen, dieser lange Sterl hatte eine Manier, einem gerade in die Augen zu sehen und dazu zu sagen: Ich lige nie!" Er fab so entschlossen aus, daß sich Bernard unwillkürlich trotz aller guten Gründe, die er ins Feld führen konnte, besiegt fühlte. Stand sein Leben nicht wirklich höher, als das bißchen Wild?
Natürlich! Wenn man nichts besaß, dann holte man es sich bei andern! Bernard lachte jetzt! Pappels Sache stand gut, man hatte ihn bei Nacht auf einer Privatbesitzung betroffen, wie er die Erdgruben zerstörte! Er konnte darauf rechnen, daß die Richter, die alle Jäger waren, ihn nicht schonen würden. Man beobachtete ihn schon lange, er war an all' den Schäden und Tiebstählen schuld, über die man sich in der Gegend beklagte. Und die Richter, die guten Richter, würden ihn im Gefängnis verschimmeln lassen! Jawohl: verschimmeln! Damit er ihm nicht entwische, pacte Bernard den Verbrecher bei den Schultern, betrat wieder den Wald weg und führte ihn der Gendarmerie zu.
weit.
Pappel ging betäubt, von dem Gedanken an die Nichter, die Gendarmen und das Gefängnis ganz verblödet, neben ihm her. An einer Wegkrümmung riß er sich mit heftigem Ruck aus Bernards Händen los und entfloh, so schnell er konnte. Doch er lief nicht Ein Schuß frachte und sein großer, magerer Körper stürzte in das Heidekraut; das Schrot hatte getroffen und ihm die Brust zerrissen. " Du sollst Dich wenigstens nicht mehr über mich lustig machen!" ricf Bernard, als er bemerkte, daß der Landstreicher auf der Stelle tot geblieben war.
Dann gab er ohne Bedauern, ja sogar mit einer getvissen Gemugthnung seine Erklärung ab. Der Förster hatte seine Feigheit, die er Boitel gegenüber bewiesen, wieder ausgelegt; er stieg wieder in feinen eignen Augen; er hatte seine Autorität wiedererlangt und bewiesen! Was hatte Pappels Leben dagegen zu bedeuten!
Der Gendarmerie Brigadier, der Maire, der Pfarrer, der Friedensrichter beglückwünschten ihn. Herr Legrand überreichte ihm eine Prämie von hundert Frant; man schrieb seinen Namen in das Ehrenbuch der Förster, und sogar Boitel stellte sich ein, um seinem alten Freunde Bernard" die Hand zu schütteln. Die Frau hatte doch recht gehabt!
Kleines Feuilleton.
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k. Theaterbudgets einst und jetzt. Welche außerordentliche Steigerung die finanziellen Verhältnisse in der Theaterwelt im Laufe der Zeit erfahren haben, das beleuchtet in sehr interessanter Weise ein Artikel vom Vicomte d'Avenel, der in der„ Revue des deux Mondes " erschienen ist. Erst jetzt zeigt es sich wieder bei der Neueinstudierung von Sardous Théodora" im Sarah- Bernhardt- Theater, mit welcher verschwenderischen Pracht nicht nur die Dekorationen, sondern auch die Requisiten hergestellt werden. Im ersten Aft soll das Audienzbett der Kaiserin von Byzanz, ein Prachtstück, das von Pfauen getragen wird, 6000 Frant gekostet haben. In der Pariser Oper die Jüdin" bei ihrer Erstaufführung im Jahre 1835 150 000 Frant gekostet, bei ihrer letzten Neuaufführung dagegen 190 000 Fr., und" Faust", der 1869 118 000 Fr. kostete, erforderte jegt 187 000 Frant. Nicht alle Stücke werden Trogdem tam er wieder zu sich, je mehr er sich von dem natürlich so theuer. Bon 42 neuen Opern, die seit 25 Jahren auf Schießjohann" entfernte; es war seine Pflicht, Boitel um jeden diese Bühne gebracht wurden, haben 40 je 160 000 Frank gekostet. Preis zu verhaften; er hatte wie ein Hafenfuß, wie ein Feigling ge- Die Auslagen find sehr verschieden. So kostete die Walküre" handelt. Was würde man sagen, wenn die Geschichte jemals ruchbar 80 000 Frank und die" Dame de Montsoreau" 320 000 Frank. Wenn wurde? Auf die gewilderten Rebhühner und Hasen achtete die Unkosten sich in den letzten 50 Jahren erheblich vermehrt haben, er in seinem Born gar nicht mehr; vor allem war er auf fo gilt dasselbe auch von den Einnahmen in beträchtlichem Maße. fich wütend, weil er die Autorität, auf die er so stolz war, hatte verhöhnen lassen. Dieser Gedanke empörte ihn der maßen, daß er auf dem Sprunge stand, umzudrehen, dem Wilddieb eine Portion Schrot nachzuschicken und ein für allemal ein
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