Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Itz. 12.

Freitag, den 17. Januar.

1902

( Nachdruck verboten.)

Hab' ich Dich beleidigt?" Geh!" sagte sie.

12]

Toma Gordjejew.

" Ja, aber..." sagte Foma verlegen und aufgeregt, Roman von Maxim Gorki . Deutsch von Klara Brauner indem er ihren Kopf mit der Hand berührte. Sei nicht bös... Du warst's ja selbst..."

Und sie schwiegen wieder.

"

ich bin nicht bös!" flüsterte sie laut. Wie könnte ich

Der Fluß ist vielleicht schöner als die Wolga ," sagte Dir bös sein? Du bist fein Botenreißer, fein Gewalt­Foma mit Anstrengung.

" Ich war auch an der Wolga ."

sid Wo?"

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In der Stadt Simbirsk ..."

ton Simbirst..." wiederholte Foma wie ein Echo und fühlte wieder, daß er nicht im stande wäre, auch nur ein einziges Wort zu sagen. Doch sie hatte wahrscheinlich be­griffen, mit wem sie es zu thun hatte, und fragte plötzlich mit Herausforderndem Flüstern:

Warum bewirtest Du mich denn nicht?" " Ja!" Foma fuhr zusammen. Du hast recht.. was ich für einer bin! Nun, bitte, gehen Sie an den Tisch..." Er machte sich im Dunkel zu schaffen, stieß gegen den Tisch, nahm bald die eine, bald die andre Flasche in die Hand, stellte sie wieder auf ihren Plaz zurück und lachte dabei schuldbewußt und verlegen. Sie war dicht an ihn herangetreten, stand neben ihm und blickte ihm lächelnd ins Gesicht und auf die zitternden Hände.

Schämst Du Dich?" flüsterte sie auf einmal.

Er fühlte ihren Atem auf seiner Wange und antwortete ebenso leise:

" Ja- a..."

Dann legte sie ihm ihre Hände auf die Schultern und zog ihn leise an ihre Brust, indem sie ihm beruhigend zu­flüsterte:

" Das macht nichts, schäm Dich nicht, das geht ja nicht anders... Du mein schöner Täuberich... Du bist so jung Du thust mir so leid..."

Und er hatte Lust, bei ihrem Flüstern zu weinen, sein Herz erstarb in süßer Sehnsucht; er schmiegte feinen Stopf an ihre Brust und preßte sie mit seinen Armen zu sammen, indem er undeutliche, ihm selbst unbekannte Worte flüsterte.-­

" Geh!" sagte Foma dumpf und blickte mit weit offenen Augen auf die Wand.

Sie füßte ihn auf die Wange, erhob sich gehorsam und trat aus dem Roof hinaus, indem sie sagte:

Nun, leb' wohl..

Foma schämte sich in ihrer Anwesenheit bis zur Uner­träglichkeit, doch kaum war sie hinter der Thür verschwunden, als er aufsprang und sich auf den Diwan sette.

Dann erhob er sich wankend und wurde gleich von dem Gefühl erfaßt, daß er etwas sehr Kostbares verloren habe, etwas, dessen Dasein er aber bis zum Moment des Verlustes in sich nicht bemerkt zu haben schien. Doch gleich tauchte in ihm ein neues, männliches, selbstbewußtes Gefühl auf. Die Scham wurde davon ganz verschlungen, und an ihrer Statt feimte das Mitleid mit der Frau auf, die ein­sam in das Dunkel der kalten Mainacht gegangen war. Er trat schnell aus dem Roof auf das Deck, es war eine sternen­helle, aber mondlose Nacht, er wurde von der Kühle und vom Dunkel umfangen. Auf dem Ufer glimmte noch ein goldig- roter Kohlenhaufen. Foma lauschte, die Luft war von einer drückenden Stille erfüllt, nur das Wasser plätscherte, indem es an den Ankerketten zerschellte, man hörte nirgends Schritte. Er wollte die Frau rufen, doch er wußte ihren Namen nicht. Er blieb ein paar Minuten auf dem Deck stehen und atmete die frische Luft gierig mit voller Brust ein, plötzlich drang vom Vorderteil des Schiffes, hinter dem Roof, ein lauter, schwerer Seufzer herüber, der wie Schluchzen flang. Er fuhr zusammen und ging vorsichtig hin, es fiel ihm ein, daß sie es sein müsse.

Sie saß auf dem Deck, hatte ihren Kopf in einen Seil­haufen geschmiegt und weinte. Foma sah, wie ihre weißen entblößten Schultern zitterten, und hörte ihre tiefen Seufer; ihm wurde schwer ums Herz.

dum Er neigte sich zu ihr und fragte sie schüchtern:

Was hast Du?"

Sie schüttelte den Kopf und antwortete ihm nicht.

thäter... Du bist eine reine Seele! Ach, Du mein weit­fliegender Falke! Set Dich zu mir."

Und sie faßte Foma bei der Hand, sezte ihn wie ein Kind auf ihren Schoß, preßte seinen Kopf fest an ihre Brust, neigte sich zu ihm hin und blieb mit ihren heißen Lippen lange an seinen Lippen haften.

,, Warum weinst Du?" fragte Foma, indem er mit der einen Hand ihre Wange streichelte und mit der andren ihren Hals umfaßt hielt.

" Ich weine um mich..... Warum hast Du mich fort­geschickt?" fragte sie ihn traurig.

Kopf.

" Ich habe mich geschämt," sagte Foma und senkte den

Du mein Täubchen! Sag' die volle Wahrheit- ich ge­falle Dir nicht?" fragte sie lächelnd, aber auf Fomas Brust fielen ohne Aufhören große, warme Thränen.

"

,, Was fällt Dir ein!" rief er erschreckt aus und begann ihr eilige und leidenschaftliche Worte von ihrer Schönheit zu fagen, und wie freundlich sie sei, wie leid sie ihm thue, und wie er sich vor ihr schäme. Sie hörte zu und füßte ihn immer auf die Wagen, den Hals, den Kopf und die entblößte Brust. Als er schwieg, begann sie traurig und still, als spräche sie von einem Verstorbenen:

,, Und ich habe mir's anders gedacht... Als du sagtest, ich sollte gehen, stand ich auf und ging. Dein Wort hat mir gar so weh gethan. Ich hab' mir gedacht, früher hat man mich ohne Aufhören, ohne Rast geherzt und verhätschelt. Für ein freundliches Lächeln hat man alles gethan, was ich nur wollte... Ich habe daran gedacht und habe geweint! Es hat mir um meine Jugend leid gethan, ich bin ja schon dreißig Jahre alt... die letzten Tage für eine Frau! Ach, Foma Ignatjewitsch!" rief sie mit erhobener Stimme aus und beschleunigte den Rhythmus ihrer flangvollen Rede, zu der das Plätschern des Wassers eine schöne Begleitung

bildete.

Höre auf mich, schone Deine Jugend! Nichts auf der Welt ist schöner als sie. Es giebt nichts Teureres. Mit der Jugend kann man wie mit dem Golde alles erreichen, was man will. Lebe so, daß im Alter die jungen Jahre Dir in Erinnerung bleiben. Ich habe jetzt an mich gedacht, und trotz­dem ich geweint habe, brennt mir doch das Herz bei der einen Erinnerung daran, wie ich früher gelebt habe..! und ich bin wieder jung geworden, als hätte ich vom Jung­brunnen getrunken! Du mein füßes Kind! Wenn ich Dir gefalle, will ich mit Dir ein lustiges Leben führen, so lange die Kraft reicht... Ach! wenn ich einmal Feuer gefangen habe, werde ich bis auf die Asche verbrennen!"

Sie preßte den Jüngling fest an sich und begann ihn gierig auf die Lippen zu küssen.

"

Gieb acht!" heulte kläglich der Wächter auf der Barke, riß das" Acht" kurz ab und begann mit dem Schlegel auf das eiserne Brett zu schlagen. Die klirrenden, scharfen Laute zerrissen rauh die feierliche Stille der Nacht.

*

Nach ein paar Tagen, als die Ladung gelöscht und das Dampfschiff bereit war, nach Permi abzureisen, sah Jefim zu seiner nicht geringen Betrübnis eine Fuhre ans Land kommen, in der sich Palageja mit einem Koffer und verschiedenen Bündeln befand.

Schicke einen Matrosen, um die Sachen zu holen!" be­fahl ihm Foma und wies auf das Ufer hin. Jefim schüttelte vorwurfsvoll den Kopf, erfüllte mürrisch den Befehl und fragte dann mit gesenkter Stimme:

Also wie ist's fährt sie mit?"

,, Sie fährt mit mir", erklärte Foma kurz. ,, Natürlich... doch nicht mit allen! Gott !" Was seufzt Du?"

Ja... Foma Ignatjitsch! Wir fahren ja in etne große Stadt... giebt's denn dort wenig von dieser Sorte?"