Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 35.
Mittwoch, den 19. Februar.
( Nachdrud verboten.)
85] Roman von Magim Gorki. Deutsch von Klara Brauner ,, Höre auf zu schwagen!" unterbrach Foma Sascha streng. " Sag mir lieber: was weißt Du von mir?"
Foma Gordjejew.
Ich weiß, daß Du aufgewacht bist," antwortete sie, ohne sich zu ihm umzuwenden.
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Ich bin aufgewacht? Das stimmt ich bin aufgewacht," sagte Foma nachdenklich und sprach weiter, in dem er seine Arme hinter dem Kopf verschränkte,„ darum frage ich Dich auch, was für ein Mensch bin ich Deiner Meinung nach?"
„ Einer, der einen Katzenjammer hat," antwortete Sascha gähnend.
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Alexandra;" ricf Foma bittend aus, sprich keinen Unsinn Sag' im Ernst, was Du von mir denkst?"
" Ich denke nichts!" antwortete sie trocken. Was verfolgst Du mich mit diesen Dummheiten?"
" Sind denn das Dummheiten?" sagte Foma traurig. ,, Ach, ihr Narren! Das ist die Hauptfache, das, was ich am nötigsten habe."
Er seufzte schwer und schwieg. Nachdem Sascha eine Minute lang auch schweigend gelegen hatte, begann sie mit ihrer gewohnten, gleichgültigen Stimme:
ch soll ihm sagen, wer er ist und warum er so ist? Kann man denn meinesgleichen nach so etwas fragen? Und aus welchem Grunde sollte ich denn über jeden nachdenken? Ich habe nicht einmal Zeit, über mich selbst nachzudenken... vielleicht habe ich auch keine Lust dazu."
Foma lachte trocken und sagte:
Wenn ich das auch so könnte, nichts wollen.. Jezt erhob Sascha den Kopf vom Kissen, blickte Foma ins Gesicht, legte sich dann wieder hin und sagte:
„ Du grübelft zu viel... Sieh, es wird für Dich dabei nichts Gutes herauskommen. Ich kann nichts über Dich fagen Man kann nie etwas Wahres von einem Menschen fagen... wer kann ihn verstehen? Er fennt sich selbst nicht. Nun, ich will Dir was sagen: Du bist besser als die andern. Was folgt aber daraus?"
,, Warum bin ich denn besser?" fragte Foma sinnend. " Ja, es ist so! Wenn jemand ein schönes Lied singt, weinst Du; wenn jemand eine Gemeinheit begeht, schlägst Du ihn... Mit den Weibern benimmst Du Dich einfach, bist mit ihnen nicht unverschämt, bist ruhig, kannst aber auch waghalsig sein."
Das alles befriedigte Foma nicht.
Du sprichst nicht das Richtige!" sagte er leise.
Nun, ich weiß nicht, was Du noch haben willst. Sag' lieber, was werden wir thun, wenn die Barke wieder in Ordnung ist?"
Was können wir thun?" fragte Foma.
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Gesicht. Wie Bäume sind sie... Sie leben auch, aber wie? Das versteht niemand. Sie friechen irgendwohin und können sich selbst und den andren nichts sagen... Wenn eine Schabe friecht, weiß sie doch, wohin sie kriecht, und warum sie es thut... und was willst Du? Wohin willst Du?"
" 1
Warte!" unterbrach ihn Sascha und fragte ruhig:.. Was gehe ich Dich an? Du kannst bei mir alles, was Du willst, haben, dränge Dich aber nicht in meine Seele!" In die See- le!" dehnte Foma verächtlich. In welche Seele? Haha!"
Sie begann im Zimmer herumzugehen und die überall verstreuten Kleidungsstücke zusammenzuräumen. Foma beobachtete sie und war unzufrieden, daß sie ihm wegen seiner Worte über die Seele nicht zürnte. Ihr Gesicht war gleichgültig und ruhig wie immer, und er wollte sie zornig und gekränkt sehen, er wollte in der Frau etwas Menschliches sehen. Die Seele!" rief er aus, auf seinem Ziele beharrend. Kann denn ein Mensch mit einer Seele so leben, wie Du lebst? In der Seele brennt ein Feuer... es ist Scham darin."
Sie faß jekt auf der Bank und zog sich die Strümpfe an, doch bei seinen Worten erhob sie den Kopf und richtete ihre strengen Augen auf fein Gesicht.
ihm
"
Was schaust Du so?" fragte Foma.
Warum sagst Du das?" fragte sie, ohne den Blick von zu wenden.
So... es drängt mich dazu..."
" Ist das wirklich wahr?"
In ihrer Frage lag etwas Drohendes. Foma fühlte sich eingeschüchtert und fragte, schon ohne Herausforderung im Zon:
fleiden.
Warum sollte ich denn nicht davon sprechen?" ,, Ach Du!" seufzte Sascha und begann wieder sich anzu Was bin ich also?" ,, Ach so
wärst habe?"
„ Nun?"
"
Es ist, als ob Du von zwei Vätern Weißt Du, was ich bei den Menschen bemerkt
Wenn ein Mensch sich nicht vor sich selbst verantworten fann, dann fürchtet er sich und ist keinen Groschen wert!" ,, Sprichst Du von mir?" fragte Foma nach einem Schweigen.
Auch von Dir."
Sie warf sich einen weiten rofa Schlafrock um und streckte, mitten im Zimmer stehend, die Hand gegen Foma aus, der zu ihren Füßen lag, und sagte mit tiefer, tonloser Stimme:
,, Du hast kein Recht, von meiner Seele zu sprechen Sie geht Dich nichts an! Schweige also! Ich kann schon sprechen! Wenn ich wollte, könnte ich Euch allen etwas sagen
" Werden wir nach Nishnij- Nowgorod oder nach Kafanj... ach und wie! Wer wird aber wagen, mir zuzuhören, fahren?"
"
Wozu denn?"
Um uns zu amüsieren."
Ich will mich nicht mehr amüsieren."
Was willst Du sonst thun?"
Was? Nichts."
Sie schwiegen beide lange, ohne sich anzublicken. " Du hast einen unglücklichen Charakter," begann Sascha, ,, einen traurigen Charakter."
Und ich werde mich doch nicht wieder betrinken!" sagte
Foma fest und bestimmt.
,, Das ist nicht wahr!" entgegnete Sascha ruhig.
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wenn ich mit voller Stimme sprechen werde? Und ich habe Worte für Euch, die wie Hammer sind. Ich würde damit auf Eure Köpfe hauen; Ihr würdet dann verrückt werden.... Aber wenn Ihr alle auch Schurken seid, kann man Euch nicht mit Worten heilen. Man sollte Euch auf dem Feuer ausbrennen, wie man es am Ostermontag mit den Pfannen macht."
Sie erhob die Hände zum Kopf und machte sich mit einem Ruck die Haare los; als die schweren schwarzen Strähnen über ihre Schultern flossen, schüttelte sie stolz den Kopf und sagte geringschätzig:
"
Achte nicht darauf, was für ein Leben ich führe! Es
Du wirst sehen!" Was glaubst Du, ist es gut, so zu kommit vor, daß ein Mensch in Schmuh lebt und reiner ist leben?"
,, Wir wollen sehen."
Nein, sage, ist das gut?"
Was ist denn aber besser?"
Foma blickte sie von der Seite an und sagte gereizt:
"
Was Du für häßliche Worte hast
Also auch das ist Dir nicht recht!" sprach Sascha lächelnd.
" Ist das ein Volt!" sagte Foma mit frankhaft verzogenem
als derjenige, der in Seide herumspaziert. Wenn Du wüßtest, was ich von Euch denke, Ihr Rüden, was für einen Born ich auf Euch habe! Ich schweige auch vor Zorn, denn ich fürchte, daß, wenn ich Euch davon singe, meine Seele leer wird; ich werde dann nichts mehr haben, um leben zu tönnen."
Foma blickte sie an, und sie gefiel ihm jetzt. Ihre Worte hatten etwas mit seiner Stimmung Verwandtes. Er lächelte und sagte mit Freude in der Stimme und auf dem Gesicht!