6. Hammerstein: Num?
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v. Windheim: Ah! Ich hab eine Idee. Ich werde einfach schreiben: Auf Ihre Beschwerde vom... diene Ihnen zur Nachricht, daß ich keinen Anlaß habe, das Verhalten des Polizeibeamten zu rügen. Der Polizeipräsident." Keinen Anlaß ist immer packend und wirkt riesig.
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b. Hammerstein: Nein, das geht nicht. Das ist zu dürftig. Das giebt einen Standal. Das sieht so nach Verlegenheit aus. Finden wir etwas andres. Denken wir nach.( Sie denken nach. Feierliche Stille. Ein Schuhmann tritt hastig ein.)
v. Windheim( ungnädig): Was wollen Sie, Lehmann, stören Sie uns gefälligst nicht! Der Schumann: Verzeihen, Excellenz, wollte bloß drei Beschwerden abgeben, wegen Entfernung der Frauen aus Vereinsversammlungen
v. Windheim( wütend): Machen Sie, daß Sie raus kommen. Ich dulde eine solche Aufsäßigkeit nicht länger. Scheren Sie sich mit Ihren Beschwerden zum Teufel!
Der Schumann( verschüchtert): Aber es ist doch nicht meine Beschwerde, Excelleng!
v. Windheim( schreiend): Ich sage Ihnen zum letztenmal, daß Sie sich entfernen sollen.
( Der Schußmann links ab.) v. Windheim: Nichts wie Merger hat man von der Sache. Ich werde um meine Entlassung einkommen.
v. Hammerstein: Aber so was! Doch nicht gleich den Mut verlieren, Windheimchen!( Streichelt ihn.) Wir werden schon das Richtige austobeln.
v. Windheim( bitter): Wissen Sie vielleicht das Richtige? v. Hammerstein: Vorläufig zwar noch nicht, indessen gießen wir uns ein Glas Cognac ein.( Sie trinfen.)
v. Windheim: Nun?
( Baufe.)
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v. Hammerstein: Ich habe einen Gedanken. Wie wär's, wenn wir uns auf den Rechtsgrundsatz des Kollegen Schönstedt berufen: Wenn zwei dasselbe thun, ist es nicht dasselbe?
v. Windheim: Um Gotteswvillen, nur das nicht! Das gäbe eine halbe Million socialdemokratischer Stimmen mehr. Wir leben doch gewissermaßen verfassungsmäßig in einem Rechtsstaat.
v. Hammerstein: Denn nicht! Aber ich erkläre Ihnen feierlich: Noch einen Gedanken treibe ich nicht mehr auf. v. Windheim: Dito.
Lange Pause.
Plötzlich erscheint der ik
Ober- Verwaltungsgerichts Rat: Ah, meine Herren, ich sehe Gie e in ernſter Arbeit. Störe doch nicht? Kam gerade vorüber und sprang hinauf, um mich nach Ihrem werten Befinden zu erkundigen. Aber was frage ich: Geradezu blühendes Befinden, sieht man ja auf den ersten Blick. Uebrigens, haben die Herren nichts Juristisches für uns? Möchten wieder einmal' ne gediegene Entscheidung herausbringen?
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v. Windheim( mit listiger Gleichgültigkeit): Augenblicklich wüßte ich nichts- indessen-hm wenn Ihnen mit einer Kleinigkeit gedient ist wie würden Sie z. B. diese Beschwerde beantworten?( leberreicht ihm das Blatt.)
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Der Ober Verwaltungsgerichts- Rat( liest): Das ist allerdings sehr einfach, aber in Ermangelung von etwas Besserem muß ich mich auch damit zufrieden geben. Wenn die Herren gestatten, schreibe ich Ihnen die Antwort gleich nieder... Schreibt, nach fünf Minuten): Fertig! Bitte fich zu bedienen. Aber meine Handschrift ist leider sehr undeutlich. Ich will Ihnen den entscheidenden Bass us gleich verlesen:
„ Wenn dem Beschwerdeführer auch zuzugeben ist, daß es mit dem preußischen Vereinsrecht an sich vereinbar ist, daß Franen als bloße Zuhörerinnen an Versammlungen politischer Vereine auf besonderen Plägen teilnehmen, so ist es doch in jedem einzelnen Fall Aufgabe der Polizeiorgane, zu entscheiden, ob der Begriff der bloßen Zuhörerin" erfüllt ist oder nicht. Zur Erfüllung des Begriffs der bloßen Zuhörerin" genügt es aber nicht, daß die
tischer Vereine bewußt trafen. Die Bolizeibeamten waren deshalb pflichtgemäß genötigt, die Frauen von der Tribüne zu entfernen. Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen." Sind Sie damit einverstanden? indiquidad
b. Hammerstein v. Windheim
( stürzen jubelnd auf den Ober- Verwaltungsgerichtsrat zu, umarmen ihn und rufen): Herrlich, herrlich! Die Zuhörerin mit'n dolus eventualis!- Joc.
Kleines Feuilleton.
el. Ein Streit. Schön! Ajo sagen wir auch noch Nöder, Kleine Notizbuch auf den Tisch und sah erwartungsvoll zu ihrem dann wären wir im ganzen vierzehn Personen." Sie legte das Manu hinüber; er saß am Echreibtisch und revidierte Rechnungen: " Bierzehn Personen. Ja, ist gerade recht so. Nicht zu wenig, nicht zu viel; kann sehr lustig werden, aber nein, vierzehn?" Er merkte auf, das stimmt doch nicht. Fünfzehn...
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Wieso denn das?" Ein herausfordernder Zug tam in ihr Geficht; sie wußte offenbar, worauf er anspielte.
Er drehte seinen Stuhl mit einer raschen Wendung zu ihr herum:" Na gewiß Burgers: zwei Personen, wir: zivei, macht vier. sind sieben, Deine Cousins und mein Schwager: elf, zwölf, dreiDeine Tante Emma mit ihrem Mann und ihrer Tochter, drei, das zehn, mein Freund Röder: vierzehn, Fräulein Weinhold: fünfzehn, Sie antwortete nicht gleich; sie hielt die Lider gesenkt, dann warf sie den Stopf zuriid:" Die Weinhold? Na die ist doch wohl ausgeschlossen."
stimmt's?"
Fräulein Weinhold ausgeschlossen? Daß ich nicht wüßte 1" „ Röders Wirtschafterin? Na erlaube mal, ich werde doch nicht Röders Wirtschafterin zu einer Gesellschaft bei mir einladen." So? Und warum denn nicht?"
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Aber, Erich, das gehört sich nicht." Sie war ganz entrüstet. " Da. möchte ich denn doch mal erst wissen, wieso nicht?" Er stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu schreiten. Fräulein Weinhold nicht einladen, hieße ja einfach Röder beleidigen. Wie er fie hochichäyt! Jst außerdem einn gebildetes Mädchen; dafür, daß fie in Stellung gehen muß, kann sie doch nicht. Deine Cousine ist auch in Stellung."
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Gott , als ob man darüber spricht, Du verdrehst ja alles!" Fällt mir nicht im Traum ein! Und überhaupt im Verein ver kehrt sie ja doch auch!"
Na ja im Bezirksverein! Da ist auch Krethi und Blethi durch einander." Sie warf geringschätzig die Lippen auf:" Die Besseren halten sich auch alle zurück und Frau Beyer sagt, es wär' ein Skandal und sie dulden's nur, weil er schon so lange im Vorstand ist und darauf nehmen sie Rücksicht, sonst dürfte so eine überhaupt nicht in die Gesellschaft!" Die Worte sprudelten ihr förmlich heraus. Er hatte ihr schweigend zugehört, aber sein Geficht war finster. Nun blieb er vor ihr stehen: So eine? Was für eine?" Sie schwieg.
"
Was für eine, Erna?"
" Gott, Erich, Du bist ja wirklich abschenlich, mir die Pistole auf die Bruft zu feyzen! So eine Wirtschafterin, meine ich, und überhaupt so eine, die bei' nem Herrn lebt, und wo sie noch obenein' n junges Mädchen ist, na da weiß man doch schon genug So? Und was weißt Du denn?"
Sie schwieg von neuem.
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Willst Du mir nicht sagen, was Du von Fräulein Weinhold
weißt?"
Sie antwortete auch jetzt noch nicht. Er wandte sich nach seinent Schreibtisch zurück und warf die Papiere ärgerlich durcheinander: Nichts weißt Du, nichts, als daß sie Röders Wirtschaft leitet nud seinem Kinde die Mutter ersetzt. Aber alles in den Schmuz zieh'n. Ach!. Er brach ab. Dann nach einer Weile jagte er kurz und
au wirst Nöder und Fräulein Weinhold einladen oder Du
falt:
läßt die ganze Gesellschaft sein!"
untersuchen iehungen nachzu prüfen und zu ganz unerhört von Dir, Erich, so etwas von einem zu verlangen. Und
Betreffende nicht in vernehmbarer Nede an den Verhandlungen teilnimmt. Es ist vielmehr das entscheidende Moment der inneren Teilnahme" in Betracht zu ziehen, es sind von der Polizei die„ Nein, das werde ich nicht thun"; fie sprang auf:„ Das ist ja seelischen inwiefern etwa das zuhörende wenu Du bisher zehnmal mit ihnen verkehrt hast, Du warst auch Schweigen die ins Bewußtsein aufgenommene Junggeselle, aber jetzt, wo Du verheiratet bist, gehört sich's nicht." Absicht verrät, Vorbereitungen zu dem Versuch Er ließ fie ruhig reden, sie trat hinter seinen Stuhl und legte der Beihilfe bezw. der Mitthäterschaft an der die Hand auf die Lehne; ihre Augen funkelten:„ Und wenn sie attiven Diskussion in Angriff zu nehmen. zehnmal' n ordentliches Mädchen ist und' n gebildetes Mädchen und In dem von dem Beschwerdeführer angezogenen Fall der ne Kaufmannstochter, und wenn man auch nichts von ihr weiß, Bersammlung des Bundes der Landwirte im Cirkus Busch aber die Stellung! Was geht sie denn in solche zweifelist es in eitisandfrei von der die Assicht führenden Polizei hafte Stelle, 100 die Leute gleich allerlei vermuten. Ich beamten festgestellt worden, daß die dort anwesenden Damen, lade mir niemand ein, voit dem fie reden tönnen. was schon durch die ganze Lokalität und die Art der Veranstaltung Ich bin' ne anständige Frau, ich will nichts Unsauberes in meiner felbst bedingt war, sich in feinem andren Sinne als Zuhörer Nähe dulden!" fühlten, wie die Zuschauer bei andren Cirkusvorstellungen sonst„ Und dann verkehrst Du mit Deiner Tante Emma?" auch. Dagegen waren in der beregten Versammlung, in der der Mit?... Na hör mal!" Sie wich einen Schritt zurück, eine Beschwerdeführer den Vorsitz führte, sämtliche Frauen hinreichend dunkle Glut schoß in ihr Gesicht: Willst Du etwa einen Ton gegen verdächtig, daß, wenn sie auch äußerlich schwiegen, immerlich doch meine Tante sagen?"
lebhaft an der Debatte teilnahmen und infolge dessen in dem Er lächelte:„ Absolut nicht, Du sagtest mir ja schon allein obigen Sie die einleifenden seelischen Vor- genug. Die Geschichte da mit dem jungen Dienstmädchen vor zwei bereitungen zum Versuch der gesetzlich nicht erlaubten Jahren, wie war fie doch?"
attiven Teilnahme an Bersammlungen poli- l„ Das gehört doch hier nicht her!"