Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 57.

57)

Freitag, den 21. März.

( Nachdruck verboten.)

Toma Gordjejew.

1902

fünfzehn Jahren lesen gelernt, und mit achtundzwanzig hat er schon eine Unmenge guter Bücher gelesen, daß ihn der Teufel hol, und hat zwei Sprachen vollkommen erlernt.. Jett fährt er ins Ausland."

"

leben.

Wozu?" fragte Foma.

Um zu lernen und zu schauen, wie die Menschen dort Und Du hockst hier... und weswegen?" Das von den Dummköpfen war gut gesprochen!" sagte Foma sinnend.

" Ich weiß nicht, ich bin kein Dummkopf."

Noman von Magim Gorki. Deutsch von Klara Brauner Bei Jeschow   saß ein zottiger Bursche in einer Bluse und in grauen Beinkleidern, auf dem Diwan. Sein Gesicht war dunkel, als sei es verraucht, die Augen waren groß, un­beweglich und zornig, und über den dicken Lippen ragte ein borstiger Soldatenschnurrbart in die Höhe. Er saß auf Das war gut! Ein beschränkter Mensch muß auf ein­dem Diwan mit heraufgezogenen Füßen, die er mit seinen mal handeln. Wenn er sich auf etwas stürzt, dann wirft riesigen Händen umfaßt hielt, und stützte das Kinn auf er's um." die Kniee. Jeschow   saß quer auf einem Sessel und ließ seine Beine über dessen Armlehne herabhängen. Auf dem Tisch stand zwischen den Büchern und Papieren eine Flasche mit Schnaps, und es roch nach etwas Gefalzenem im Zimmer.

Was irrst Du schon wieder herum?" fragte Jeschow Foma, deutete mit dem Kopf auf ihn und sagte zu dem Mann, der auf dem Diwan saß:

Gordjejew!"

Jezt geht's los!" rief Jeschow   aus..Erzähle mir lieber etwas andres: ist es wahr, daß Majakins Sohn zurück­gekehrt ist?" Es ist wahr."

"

So."

Was ist denn los?" Nichts!"

Man sieht Deinem Gesicht aber an, daß etwas dahinter steckt. Ich kenne diesen Sohn... ich habe vor

Dieser blickte den Eintretenden an und sagte mit scharfer, ihm gehört." Knarrender Stimme:

..Straßnoschtschokow."

Foma setzte sich in eine Ecke des Diwans und erklärte

Jeschow  :

Ich bin gekommen, um hier zu übernachten," Was ist denn dabei? Sprich weiter, Wassili." Der Fremde blickte Foma von der Seite an und begann zu fnarren:

Meiner Ansicht nach fallen Sie zu sehr über die dummen Menschen her. Masaniello war ein Dummkopf, er hat aber das, was er sollte, auf die beste Weise vollendet. Und dieser Winkelried war auch sicher ein Dummikopf... und doch hätte man die Schweizer   gewiß durchgebläut, wenn er die Reichsspeere nicht in seine Brust gesteckt hätte. Hat es denn wenig solche Dummköpfe gegeben? Sie sind aber troß­dem Helden... und die Klugen sind Feiglinge... Anstatt mit voller Kraft auf das Hindernis loszuschlagen, überlegen sie sich: was wird daraus entstehen? Werden wir nicht unnüberweise zu Grunde gehen? Und dann stehen sie da wie ein Pfahl... bis zu ihrem letzten Atemzug. Und der Dummkopf ist mutig! Er stößt geradezu mit der Stirn gegen die Mauer! Und was macht es, wenn er sich den Schädel einschlägt? Stalbstöpfe sind nicht teuer... Und wenn er eine Spalte in der Mauer werden die Gescheiten so lange daran herum­stochern, bis ein Thor daraus wird, dann gehen sie hinein und schreiben sich die Ehre zu... Nein, Nikolai Matwejitsch, der Mut ist auch ohne Verstand eine gute Sache."

..

,, Wassili, Du sprichst Unsinn!" sagte Jeschow   und streckte ihm die Hand hin.

"

" Ja, gewiß!" gab Wassili zu. Das ist nicht für meinen Schnabel. Ich bin aber trotzdem nicht blind. Und ich sehe: es giebt viel Verstand, er führt aber zu nichts. Während die Klugen nachdenken und sich überlegen, wie sie am gescheitesten handeln, könnten, werden sie von den Dummen ins Bockshorn gejagt. Sonst nichts."

Warte noch!" sagte Jeschow  .

" Ich kann nicht! Ich habe heute Dienst. Ich habe mich wohl auch ohnedies perspätet. Ich komme morgen, wenn ich darf!"

Komm nur! Du wirst schon was zu hören kriegen!" ..Das ist ja Ihre Beschäftigung."

Wassili streckte sich langsam, erhob sich vom Diwan, nahm Jeschows gelbe, trockene, kleine Hand in seine große, schwarze Tazze und drückte sie.

,, Adieu!"

Dann nichte er Foma zu und ging schwerfällig zur Thür hinaus. ... Hast Du gesehen?" fragte Jeschow Foma, indem er mit der Hand auf die Thür wies, hinter der man noch schwere Schritte hörte.

,, Was ist das für ein Mensch?"

"

Er ist der Gehilfe des Maschinisten, Wassita Kraß­noschtschokow. Nimm Dir ein Beispiel an ihm, er hat mit

fo

..Und ich habe ihn gesehen

,, Nun? Wie ist er?"

Ach... das weiß der Teufel? Was geht er mich an?" Sieht er seinem Vater ähnlich?"

., Er ist dicker... runder... und ernster er ist falt.

Er wird also noch schlimmer sein als der Jakow... Nun, Bruder, sich' Dich jetzt vor! Sonst werden sie Dich ganz aussaugen..."

Nun, und wenn!"

,, Sie werden Dich vollständig ausplündern und zum Bettler machen. Bettler machen. Dieser Taraß hat seinen Schwiegervater in Jekaterinburg   so geschickt bearbeitet

ihm

"

Er soll auch mich bearbeiten, wenn er will. Ich werde dafür mur dankbar sein."

,, Spielst Du immer noch auf das Alte an?" " Ja."

"

Um Dich zu befreien?"

Gewiß..."

,, Laß das! Wozu brauchst Du die Freiheit? Was willst Du damit anfangen? Du bist ja zu nichts fähig, bist ungebildet... und wirst sicher nicht einmal ein Holzscheit spalten können! Ja, wenn ich mich von der Notwendigkeit befreien könnte, Schnaps zu trinken und Brot zu essen!" Jeschow   sprang auf, blieb vor Foma stehen und begann mit erhobener Stimme zu sprechen, als deklamiere er:

" Ich würde die Neste meiner zerrissenen Seele sammeln und sie zugleich mit meinem Herzblut in die Schnauzen unfrer Intelligenz schleudern, daß sie der Teufel hol'! Ich würde

hnen sagen: Ihr Gewürm! Ihr seid der beste Saft meines Landes! Die Thatsache Eurer Existenz ist mit dem Blut und den Thränen vieler Dußende von Generationen russischer Menschen erkauft! O efliges Gezücht! Wie teuer hat Guer Land Euch bezahlt! Was thut Ihr denn dafür? Habt Ihr die Thränen der Vergangenheit in Perlen verwandelt? Was habt Ihr dem Leben gegeben? Was habt Ihr gethan? Ihr habt Euch besiegen lassen! Was thut Ihr? Ihr laßt Euch verhöhnen"

Er stampfte wütend mit den Füßen, preßte die Zähne aufeinander und blickte Foma mit einem brennenden, bos­haften Blick an, der ihn einem gereizten Naubtter ähnlich machte.

" Ich würde Ihnen sagen:" Ihr! Ihr habt zu viel räfonniert, Ihr seid aber nicht genügend flug, Ihr feid gang fraftlos, und ihr seid alle Feiglinge! Euer Herz ist mit Moral und guten Vorsägen vollgestopft, es ist aber weich und warm wie ein Federbett, der Schöpfungsgeist schläft ruhig und fest darin, und es schlägt bei Euch nicht, sondern schaukelt sich leise wie eine Wiege." Ich werde meinen Finger in mein Herzblut tauchen und ihre Stirnen mit dem Brandmal meiner Vorwürfe zeichnen, und sie, die an Geist arm und in ihrer Selbstzufriedenheit unglücklich sind, würden leiden... O, dann würden sie schon leiden! Meine Geißel ist scharf, und meine