Unterhaltungsblatt des Vorwärts

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Mittwoch. den 26. März.

( Nachdruck verboten.)

Foma Gordjejew.

Roman von Maxim Gorki  . Deutsch von Klara Brauner Pst, Du!" brüllte Foma und wandte die Augen auf ihn. Untersteh Dich nicht, mit mir zu sprechen! Ich bin nicht betrunken... ich bin hier am nüchternsten! Hast Du verstanden?"

Aber warte, mein Herz... wer hat Dich denn hierher eingeladen?" fragte Kononow und errötete über die ihm zu gefügte Beleidigung.

sch habe ihn mitgebracht!" ertönte Majakins Stimme. " So! Nun, dann ist es was andres. Verzeihen Sie, Foma Ignatjewitsch. Da Du ihn aber mitgebracht hast, Jakow, mußt Du ihn auch zähmen. So geht das doch nicht!"

Foma schwieg und lächelte. Auch die Kaufleute schwiegen, indem sie ihn anblickten.

" 1

Ach, Foma!" sprach Majakin. Du machst mir altem Mann wieder Schande."

Bate," sagte Foma und fletschte mit den Zähnen. Ich habe noch nichts gethan, es ist also noch zu früh, mir Pre­digten zu halten. Ich bin nicht betrunken, ich habe nicht ge­trunken, sondern habe immer zugehört. Meine Herren Kauf leute! Wollt Ihr mir erlauben, eine Rede zu halten? Soeben hat mein von Euch verehrter Pate gesprochen, hört jetzt seinem Tauffind zu."

"

Was für eine Rede?" sagte Resnikow. Wozu sind diese Gespräche? Wir haben uns versammelt, um uns zu amüsieren."

Nein, laß das lieber, Joma Ignatjewitsch!". ,, Trink lieber etwas."

" Trinken wir! Ach, Foma. ... Du bist der Sohn eines ausgezeichneten Vaters!"

Foma prallte vom Tisch zurück, richtete sich auf und hörte noch immer lächelnd die freundlichen, ermahnenden Worte an. Er war der jüngste und hübscheste unter diesen soliden Menschen. Seine schlanke, vom Rock fest umspannte Gestalt hob sich vorteilhaft von dem Haufen der fetten Körper mit den dicken Bäuchen ab. Sein gebräuntes Gesicht mit den großen Augen war regelmäßiger und frischer, als die auf­gedunsenen, roten Fragen, die ihm mit dem Ausdruck der Erwartung und Verblüffung zugewandt waren. Er preẞte die Brust heraus, biß die Zähne zusammen, schlug die Schöße feines Roces auseinander und steckte die Hände in die Taschen.

Mit Schmeichelei und Liebenswürdigkeiten werdet Ihr mir jetzt den Mund nicht verstopfen!" sagte er fest und drohend. Ob Ihr mir zuhört oder nicht, ich werde sprechen. Ihr könnt mich hier nirgends hinausjagen."

Er wiegte den Kopf, hob die Schultern in die Höhe und erklärte ruhig:

,, Wenn mich aber jemand auch nur mit dem Finger an­anrührt, so werde ich ihn totschlagen! Ich schwöre bei Gott, ich werde so viele totschlagen, als ich kann!"

Die Menschenmenge, die ihm gegenüberstand, bewegte sich wie Gebüsch im Wind. Man hörte erregtes Geflüster. Fomas Geficht verdunkelte sich, seine Augen wurden rund.

Man hat hier gesagt, daß ihr das Leben aufgebaut habt, und daß ihr das Richtige und Nötige gethan habt."

Foma seufzte tief auf und musterte die Gesichter der Zu­hörenden, die plöglich seltsam aufgeblasen und gleichsam verschwollen aussahen, mit unaussprechlichem Haß.

Die Kaufleute schwiegen und drängten sich immer fester zusammen. In den rückwärtigen Reihen murmelte jemand: ,, Was meint er denn?"

"

,, O, Ihr Schufte!" rief Gordjejew aus und schüttelte den Kopf hin und her. Was habt Ihr gethan? Ihr habt nicht das Leben aufgebaut, sondern ein Gefängnis. Ihr habt nichts geordnet, sondern habt Ketten für den Menschen ge­schmiedet. Es ist schwül und eng, und eine lebendige Seele hat keinen Platz, sich zu entfalten. Der Mensch geht unter. Ihr seid Seelenmörder. Begreift Ihr, daß Ihr dank der menschlichen Langmut existiert?"

Was ist denn das?" rief Refnikow qus und schlug vor

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Entrüstung und Zorn die Hände zusammen. Ilja Jefimowitsch? Was ist das? Ich kann solche Reden nicht mit anhören." das,

"

Gordjejew!" rief Bobrow aus. Sieh Dich vor was Du sprichst, flappt nicht recht."

"

Für solche Reden kriegt man sein Teil!" sagte Subow mit Nachdruck.

Pst!" brüllte Foma, und seine Augen füllten sich mit Blut. Jeßt grunzen sie."

" Meine Herren!" ertönte die ruhige, unheilverkündende Stimme Majakins wie das Kreischen der Feilen auf dem Eisen. Rührt ihn nicht an! Ich bitte Euch höflichst. Hindert ihn. nicht daran. Mag er in Gottes Namen schimpfen, mag er sich amüsieren. Seine Worte thun Euch ja nichts."

Ohr:

,, Nun, ich danke schön!" schrie Juschkow.

Und neben Foma stand Smolin und flüsterte ihm ins

Hören Sie auf, mein Lieber! Was ist denn mit Ihnen?

Ginden Sie auf meinen bei

de

Fort!" sagte Foma fest, ihn mit seinen zornigen Augen anblißend. Geh nur zu Majakin hin, und thu' ihm schön, vielleicht fällt dann ein Stück für Dich ab!"

Smolin pfiff durch die Zähne und ging zur Seite. Und die Kaufleute begannen sich allmählich auf die andren Teile des Schiffes zurückzuziehen. Das reizte Foma noch mehr: er hatte ein Verlangen, sie mit seinen Worten an ihre Plätze festzuschmieden und fand keine genügend kräftigen Ausdrücke. hr habt das Leben aufgebaut?" schrie er. Wer seid Ihr? Schurken und Räuber.

Einige von den Anwesenden wandten sich nach Foma um, als hätte er sie gerufen.

Kononow, wird man Dich des Mädchens wegen bald bors Gericht fordern? Man wird Dich zur Zwangsarbeit verurteilen... lebe wohl, Jlja. Du baust Deine Dampf­schiffe vergebens... Man wird Dich auf einem Staats­dampfer nach Sibirien   transportieren..."

Stononow ließ sich auf einen Sessel sinken; sein Gesicht füllte sich mit Blut und er drohte schweigend mit der Faust. Er sagte heifer:

., Gut, ich werde das nicht vergessen".

Foma sah sein verzerrtes Gesicht mit den bebenden Lippen und begriff, mit welcher Waffe er diese Leute am besten treffen könnte.

Haha! Die Lebenseinrichter! Guschtschin, giebst Du Deinen Neffen Almosen? Du solltest ihnen wenigstens eine Stopeke täglich geben... Du hast bei ihnen ja ganze siebenundsechzigtausend gestohlen... Bobrow! Warum hast Du Deine Geliebte verleumdet und wegen Diebstahls ins Gefängnis sperren lassen? Wenn Du ihrer überdrüssig warst, hättest Du sie ja Deinem Sohn abtreten können... jezt hat er ja auch mit Deiner zweiten Geliebten ein Techtel­mechtel. Bußtest Du das nicht? Ach, Du dickes Schwein... haha! Und Du, Lup  , solltest wieder ein Freudenhaus er öffnen und dann Deine Gäste wie Gänse rupfen. Später werden Dich die Teufel rupfen, haha! Mit einem so frommen Gesicht ist es bequem, ein Schuft zu sein! Wen hast Du da­mals getötet, Lup  ?"

Foma unterbrach seine Rede durch ein schadenfrohes, lautes Lachen, und er sah, daß seine Worte auf diese Leute nicht ohne Wirkung blieben. Früher, als er noch seine Rede an sie alle richtete, wandten sie sich von ihm ab, gingen zur Seite, bildeten Gruppen und blickten ihren Ankläger mit ber­ächtlichen, bösen Augen an. Er sah sie lächeln, fühlte in jeder ihrer Bewegungen etwas Geringschäßiges und begriff, daß feine Worte sie zwar ärgerten, doch nicht so tief verlegten, wie er es wünschte. Das alles ließ seinen Zorn erfalten, und in ihm began schon das bittere Bewußtsein des Miß­lingens feines Angriffs aufzukeimen. Doch sobald er be gonnen hatte, von jedem einzelnen zu sprechen, änderte sich das Verhalten der Zuhörer ihm gegenüber rasch und gänzlich.

Während Kononow sich schwer auf den Sessel sinken ließ, als ertrüge er die Wucht von Fomas strengen Worten nicht, bemerkte Foma, daß über die Gesichter einiger Kaufleute ein beißendes und boshaftes Lächeln huschte. Er hörte ein bei fälliges, erstauntes Flüstern: