Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Mr. 63.

1]

Sonntag, den 30. März.

1902

Denn dort draußen weit weg, hinter den letzten Schären, ( Nachdrud verboten.) wo der weiße Meeresschaum zur Sonne emporsprühte und in weißen Kaskaden wie aus zischendem Schnee eins mit dem Himmel zu werden schien, gewahrten sie ein Segel. Es war der Polarstern ", der kam, der Polarstern ", das große Nord­seeboot, das von Groß- Lars geführt wurde und ihre Lieben an Bord hatte.

Auf der letten Schäre. Roman von Gustab af Geijerstam. Aus dem Schwedischen von Francis Maro.

1.

Keine Insel liegt weiter westlich von der Küste als die graue Schäre, von der alljährlich die großen Fischerboote nach der Nordsee gehen, um von Englands Inseln Fische heim nach den niedrigen Schären von Bohuslän zu bringen. Nirgends leuchtet auch das Meer blauer, nirgends ist das Wasser salziger, und nirgends geht das Blut wärmer in Menschenherzen.

"

-

-

In den ersten Tagen, als der westliche Wind anhob, war nur das erste Boot, das nach Shetland gesegelt war, heimge­kommen. Es kam vollbeladen mit Langfischen und Flundern, und Die Frauen und Kinder der Männer erwarteten es im Hafen und brachten die Ihren heim. In der nächsten Nacht fam das zweite, und am Tage darauf kam das dritte Boot. Der Polarstern " war das einzige, das säumte, der Polar­ stern " und noch eines und jeden Tag hatte der Sturm mit erhöhter Straft über das blauglänzende Auf der grauen Schäre spielte eines Sommermittags die Meer gepfiffen. Aber gerade weil alle die andern Sonne. Sie holte sich Kraft vom Meere. Es war beinahe, heimgekommen, waren jetzt die wartenden Frauen von als hätten Sonne und Meer sich gefüßt und wären heller und doppelter Unruhe erfüllt, in den Nächten hatten sie stärker geworden von diesem Kuß. Denn die Sonne ver- schlimme Träume, und tagsüber standen sie still auf den goldete die hohe graue Schäre in ihrer ganzen Länge. Die Klippen und spähten hinaus durch Wind und Wellen nach Sonne spielte in den Farben all der grauen, grünen , dem Segel des Polarsterns".

Solffär, Sonnenschäre, heißt die Insel, und sie macht ihrem Namen Ehre.

"

"

roten, weißen und braunen Hütten, die über ihren ge- Die Botschaft, daß ein Segel sich am Horizont zeigte, wölbten Rücken verstreut waren, vom höchsten Kamme, das der" Polarstern " sein konnte, und daß dieses Segel wo Kirchturm und Windmühle miteinander wetteiferten, näher kami, hatte die Frauen von allen Enden der Insel bei schönem wie bei häßlichem Wetter dem Himmel nahe versammelt und sie auf der Klippe zusammengeführt. Da zu kommen, bis hinab zum Hafen, wo die Hütten sich in standen sie, aufs Meer hinausstarrend, während der Wind einem unsäglichen Wirrwarr zusammengeballt hatten, aus ihre Gesichter und Körper peitschte und Thränen aus ihren dem der Geruch der getrockneten Fische aufstieg, und wo Augen preßte. Wie sie so dastanden, sahen sie das Segel barfüßige Kinder zwischen Katzen und Hühnern herum- hinter den Schaum der Wellenbrandung wachsen, sahen sprangen. Die Sonne leuchtete auf die Spize der Kirche, es hinab in die Wogen tauchen und verschwinden, aufs auf ihr niedriges, schwarzes Dach und ihre rotgestrichene neue emporschießen, wieder untertauchen und sich endlich in Seitenwand. Sie leuchtete auf die kleinen grünen Bäumchen, die blaue Luft erheben, bis kein Zweifel mehr möglich war. die in der Dürre hinter der verfallenen Kirchhofsmauer Es war der Polarstern ", der kam. Mit vollen Segeln wie Büsche zusammengeschrumpft waren. Ste brannte fam er, und in rasender Eile wurde er von dem tollen Sturm auf die gesprenkelten Ragen und die barfüßigen Kinder. dahingejagt. Auch das Topsegel war gehißt, und wie ein Ja, fie glühte in den Federn der gelben und roten Hähne, Rauschen ging es auf einmal von Mund zu Mund, in der Schar die im Winde umherstolzierten und ihre roten Stämme auf der Klippe: Er hat Top," Es lag etwas wie die Ehre sträubten, die wie Pafchafesse auf ihren geblähten Nacken der ganzen Insel in diesen Worten. Denn der Polarstern " Leuchteten. und Groß- Lars, und Groß- Lars und der Polarstern ", sie Aber am lebhaftesten brannte die Sonne auf eine kleine waren die Lieblinge der ganzen Insel und fast wie ver­Gruppe Frauen, die hoch oben auf einem Felsen vor dem hätschelte Kinder. Groß- Larsens Frau, ein stark gebautes, Wind an einer gelben Wand zusammengefrochen waren. Da braunwangiges Weib, das mitten in der Schar stand, errötete, standen sie aneinandergeschart, und der Wind pfiff ihnen in als sie die Worte hörte, und es war ihr, als fühlte sie die dem glitzernden Sonnenschein um Hüften und Haar. Er Glut der Umarmung des Mannes in dieser Kraftprobe, die ließ ihre Röcke hoch um ihre Knie aufflattern und riß ihre sie mit Stolz erfüllte. Denn sie begriff, daß, wenn Groß­Stopftücher fort, so daß das Haar ihnen um die Schläfen Lars in diesem Sturm mit Topsegel fuhr, er froh war und zum Vergnügen segelte; und als läge keine zwanzigjährige Ehe zwischen der ersten Jugendliebe und dem Tag, der war, richtete das grobgliedrige Weib sich empor und starrte auf das Segel, das in diesem Augenblick alle Gedanken der Welt, die sie tanute, auf einen einzigen Punkt bannte.

irrte.

Denn es blies ein rasender West, derselbe West, der Tage und Nächte hindurch geblasen hatte, in denen die Sonne auf wolkenlojem Himmel in Rot verjunken und in Rot auf gegangen war. Der Wind hatte als frische Brise mit kleinen, leichten, weißen Kämmchen auf den Wellen begonnen. Aber in Tagen und Nächten hatte er sich start gewachsen, bis er als Sturm über das Meer brach, in den lichten Sommer­nächten um die Hausecken heulte und die Frauen wach hielt. Und wie er jetzt um die Weiberschar pfiff, die droben auf der Klippe zusammengedrängt stand, wo die Sonne auf die helle Wand brannte, war er so start, daß sich die alten Frauen nur mit Mühe aufrecht zu halten vermochten und die Kinder sich an die Knie der Großen drückten und sich an ihren Röcken festhielten, während das Brausen des Meeres und des Sturmes in der glitzernden Julisonne jeden andren Laut verschlaug und denen, die sprechen wollten, den Mund verschloß.

"

Mutter Anna war stattlich anzusehen. Denn ihre Gestalt schmückte jene vorgeschrittene Schwangerschaft, die des kräftigen Weibes höchstes Glück ist. Sie stand da, wie das Bild der fruchtbaren Mutter, die alle Schären, so weit die Küste. reichte, mit einer stärkeren und besseren Bevölkerung erfüllt hatte, als die ackerbautreibende Menschheit hervorbringen kann. Sie treuzte ruhig ihre Hände, und indem sie sich vom Winde ab­kehrte, sagte sie zu den andren Frauen:

Da fehlt teiner, wenn Lars das Topsegel aufgezogen hat." Sie verstanden sie alle, und ein Seufzer der Erleich­terung, der von einem thränenvermischten Lachen erfüllt war, ging durch die ganze Versammlung der Frauen, und in diesem Moment fühlte keine von denen, die dem kom­Denn die Frauen, die dort oben auf der Klippe standen, menden Fischerboot entgegenblickten, die mindeste Angst. sie wollten alle sprechen. Ihre Herzen waren von der Angst Aber mancherlei Wellen lösen sich im Menschenherzen ab, erfüllt, an die keine sich gewöhnen kann, ist gleich das Leben und die Winde dort drinnen blasen selten gleich. Darum noch so lang und die Gewohnheit noch so start. Ihr Blut war es auch natürlich, daß, als das Boot näher kam, das fließt lebendiger als das andrer Frauen ihrer Klasse, und Gefühl der Unruhe aufs neue erwachte. Die wartenden Frauen ihre Herzen schlagen wärmer in Liebe und Zärtlichkeit. Sie vergaßen gänzlich die glückliche Verheißung des Topsegels, möchten miteinander sprechen, denn dieselbe Unruhe beklemmt und es ist möglich, daß dieses Vergessen im selben Augenblick fie alle dort droben auf der Klippe, dieselbe Angst und dieselbe kam, in dem das vielbemerkte Zeichen hinabgehißt wurde. Lust. Aber der Wind erstickte ihre Stimmen, und darum Gleich darauf verschwand auch das Hauptsegel, und als das sprachen sie nicht, sondern fuhren bloß fort, sehnsuchtsvoll hinaus große Boot bei tüchtigem Mitwind hinter den Leuchtturm aufs Meer zu ſtarren.. zwischen den grauen Felsen einbog, da tam wieder das Ver