-
-
251
-
Beichen zu haben, als wär ich ein alter Heidengott. Genügt es Euch dorab nicht, daß in Millionen Augen mein Bild lebt? Meine Gedanken treiben und wirken in Eurem lebendigen Hirn, meine Worte bewehren Euer Thun und meine tropige Kraft stählt Eure Adern. Ihr in Guben . Das Zeitalter der Reformation versetzte der deutschen tönnt mich erst vergessen und ich darf erst sterben, wenn Ihr gefieg, habt dann ist es Beit, mich feierlich ins Mausoleum zu sperren, t dann erst bin ich überflüssig geworden. Einstweilen aber bin ich für das Gemäner noch viel zu jung und' lebendig, hab' noch viel zu viel zu schaffen. Also, ich bitt' Euch, bleibt mir mit dem Stein davon! Höchstens, wenn Ihr es übrig habt, streut mir gelegentlich ein paar Blumen auf's Grab, wißt Ihr von den roten leuchtenden Märchenblumen, die ich immer hinter den Spiegelfenstern der teuren Blumenläden bewunderte. Oder besser noch, Ihr pflanzt diese roten leuchtenden Märchenblumen ins Leben selbst hinein. Und dann: Borwärts!...
So würdest Du sprechen, Alter. Vergebens! Mußt es eben leiben. Unsere Liebe ist tyrannisch, Du hast Dich ihr zu unterwerfen. ' s ist ein Mehrheitsbeschlnß unsrer Liebe. Als guter Demokrat bist Du auch den Ansprüchen unirer treuen Verehrung unbarmherzig ausgeliefert. Halt, Disciplin, Du Tapferer, lehn' Dich nicht auf gegen den Willen des Volkes, beug' Dich Deinem Denkmal.
Deine Augen leuchten fast drohend, Dein Gesicht rötet sich, Deine Stirne dunkelt, während wir Dich so bestürmen. Dein ganzes Wesen sträubt sich gegen unsre Forderung. Plöglich aber löst sich Deine Erregung mild auf, freundlich streckt sich Deine Hand uns entgegen und Du sprichst einfach: Ich füge mich!
Dann überlegst Du eine Weile, der Denkstein, der Dir fremd und unheimlich war, wird Dir von Sekunde zu Sekunde vertrauter, Gedanken blühen in Dir auf und ranken sich an dem Mal empor; der Stein nimmt im Geiste neue Formen an, bis er Deiner Natur fich einschmiegt und Du selbst zum feurigen Anwalt des Werkes wirst.
So errichtet denn, rufst Du lebhaft, das steinerne Wahrzeichen. Aber nicht mir. Euch sollt Ihr es weihen; und auch nicht Euch, unfrer Sache sei es errichtet, ein Trugmal unsrer Ideen, ein Monument des Kampfes. Schreibt immerhin meinen Namen auf den Stein, er hat keinen andern Sinn, wie den eines Losungswortes. Nicht dem Gedächtnis eines Sterblichen huldigt er, zur Freiheit ruft er die menschliche Arbeit, zur Auferstehung des erniedrigten, elend gefeffelten Voltes.
Es ist das erste Denkmal eines Revolutionärs, das im Bannfreis der Reichshauptstadt emporragt. Die paar Männer der Kultur, die man des Marmors würdigte, verschwinden unter dem gehäuften Gefinde der Barbarei. Und selbst diese paar Geehrten, mit denen unsre Herrschenden die Kahtheit ihrer Wüstenei zu zieren für nützlich halten, dürften heute nicht schreiben und lehren, was den Inhalt ihrer geschichtlichen Größe bildet. Goethe würde als Gotteslästerer vom regierenden Centrum geächtet werden, Schiller würde wegen Verherrlichung des Tyramenmordes auf Grund des Privatdocenten- Gesetzes von der Universität unerbittlich entfernt werden, sofern eine Fakultät überhaupt den Mut gehabt hätte, ein so anrüchiges Judividuum zuzulassen. Leffing endlich, der freche Hungerkandidat und unverbesserliche Schmierfint, würde in der anständigen Gesellschaft nicht geduldet, dafür in den Gefängnissen um so gastlicher aufgenommen werden. All diese Helden des geistigen Befreiungstampfes sind Fremdlinge geworden in der entarteten Bourgeoisie. Die von ihr errichteten Standbilder, die ihre ekle Blöße hüllen sollen, sind Lügen. Zu uns gehören diese Männer, nicht zu jenen. Es entspricht schon befier dem Thatbestand, wenn sie einen Kant unter dem Schweife eines Pferdes oder hinter dem wassersüchtigen Bauche eines sputgläubigen Botentaten unterbrachten.
-
Preisen wir das Geschick, daß diefe Heuchler einer verratenen und berlassenen bürgerlichen Kultur, nicht auch die weitere Lüge eines Denkmals der Revolution hinzufügten. Es ist herrlich, daß sie diese Heuchelei verschmähten und uns dies Gedächtnis als freies Strandgut überließen. Mögen die Toten ihre Toten in Marmor und Bronze begraben, mögen fie die Reichshauptstadt zu einer feudalen Ahnengalerie berunstalten, möge ihr Heroentult nach vergendetent Blut, zer tretenem Leben, gewaltthätiger Unterdrückung, geistiger Knechtschaft und hohler Eitelkeit dünsten wir errichten weitab von ihnen ein Mal der Freiheit, Größe und Wahrheit. Dieser Stein soll reden von einer blühenden Menschheit, der aus der Arbeit, dem Denken und dem Mut des Proletariats empor wächst. Der Meißel, der in diesem Denkmal kunstverständig aus ungefüger Materie Schönheit schuf, er werde zum weltbildenden Instrument, das aus dem Chaos einer zerrütteten und verwüsteten Gesellschaft des Uebermuts, der Not und der Ungerechtigkeit eine Erde schöpferisch thätiger Schönheit gewaltig gestaltet. So wird der stille Totenhain, in den sich das erste Denfmal eines Revolutionärs flüchten mußte, in Wahrheit zu einem fruchttragenden Feld des Lebens. Nun aber arbeitet am Leben...
-
Der Alte hatte sich in Glut geredet. Dann verschwand er schnell unter der von ernster Begeisterung erfüllten Menge, die das Bild ihres Führers andächtig grüßten. Als er aber draußen war und in seinem verschliffenen Mantel einsam fürbaß schritt in der Unendlichkeit läßt es sich herrlich wandern atmete er tief auf, wie von einem Zwang befreit und sprach lächelnd zu sich: Jetzt habe ich mir richtig selber die Festrede gehalten, und hatte doch bei Lebzeiten eine heilige Scheu vor derlei Notwendigkeiten. Indes, es will mir immer noch nicht in den Kopf, daß sie meinen Namen auf den Stein gesezt haben! Gerade als wenn ich gestorben wäre!... Joc.
-
Demokratie in Stadt und Land den tödlichen Stoß, aber erst ans der Erniedrigung des dreißigjährigen Krieges drang, um einen Ausdruck von Friedrich Engels zu gebrauchen, die Bedientenhaftigkeit in das nationale Bewußtsein. In der That ist noch unmittelbar, bevor mit dem Prager Fenstersturz das Morden, Nauben und Sengen über Deutschland hereinbrach, eine träftige, vielleicht die lezte Aeußerung bürgerlichen Freiheitsgefühls zu verzeichnen, die allerdings sofort durch den übermächtigen Gegenbruck aristokratischer und absolutistischer Machthaber erstickt wurde und, bei Licht besehen, von diesen herrschenden Gewalten jogar direkt planmäßig provoziert worden war, um den Resten städtischen Republikanismus gründlich den Garaus zu machen. Es handelt sich um Geschehnisse in der Stadt Guben , die in jener Zeit Amio 1618 zur Herrschaft Sorau gehörte. Hier befaßen die Bünfte und Gunungen der Bürgerschaft noch erhebliche Rechte, die dem aristokratischen„ Edlen Nat" von Guben in Ueber einstimmung mit dem Landesherrn, dem Grafen Siegfried Bromig, seit langem ein Dorn im Auge waren. Damit reinen Tisch zu machen, schien der herrschenden Klique zu Ostern 1618 günstige Gelegenheit. Da sollte nämlich die Tochter des reichen Färbermeisters Samuel Wunschwig, der dem Rat, wie dem Gubener Stadtadel überhaupt, als Wortführer der Bürgerschaft verhaßt war, dem jungen Tuchmachermeister Dietrich Heffter die Hand reichen. Die nötigen Hirsche und Rehe für das geplante große Hochzeitsmahl voll über 200 Gedecken wollten die Be teiligten am Sonnabend vor Ostern in der ausgedehnten und wildreichen Gubener Stadtheide jagen und nahmen damit nur ein uns bezweifelbares Recht in Anspruch.
Man weiß, daß in Deutschland ursprünglich für jedermann das Recht freien Tierfangs bestanden hat. Und noch im 13. Jahrhundert bringt Eile von Repkow, der Verfasser des„ Sachsenspiegels", das in Norddeutschland geltende Jagdrecht so zum Ausdruck( II, 61): " Da Gott den Menschen erschuf, gab er ihm Gewalt über Fische und Bögel und über alle wilden Tiere. Darum haben wir des Urkunde von Gott, daß niemand seinen Leib noch seine Gesundheit an diesen dreien verwirken möge." Von dieser Jagdfreiheit nimmt er freilich schon drei königliche Bannwälder aus, in denen bei Strafe von 60 Schilling niemand jagen durfte. Seitdem hatten sich die Grund- und die Landesherren überall den Wildbann angemaßt, der dann bekanntlich als einer der verhaßtesten Teile des Fendalismus bis zum Jahre 1848 bestanden hat, und dessen Uebertretung durch Wildern lange Beit mit den grausamisten Leibes- und Lebensstrafen belegt war. So hatte denn auch der Nat von Guben sich das ausschließliche Jagdrecht in der Stadtheide zugesprochen, unter Ausschließung der Bürgerschaft. Aber es bestand noch ein Ueberbleibsel des ehemaligen Rechts auf freien Tierfang, infoferu jeder Gubener Bürgerfohn zu seiner Hochzeit so viel Wild in der Stadtheide erlegen durfte, als er brauchte.
Damit und zugleich mit der ganzen Gubener Demokratie gedachte der edle Nat bei Gelegenheit der Heffterschen Hochzeit aufzuräumen. Er hatte vorher den Grafen Siegfried von Soran benachrichtigt, nicht etwa von seiner eignen umstürzlerischen Stimmung, sondern von der der Bürgerschaft und sich den bewaffneten Beistand des biederen Landesvaters auf alle Fälle versprechen lassen. Nun fonnte also die Mine springen. Am Karfreitagabend wurde in Guben öffentlich der Utas ausgerufen, daß niemand aus den Zünften und Junungen bei Staupenfchlag, Stadtverweisung und Verlust seiner ganzen fahrenden und liegenden Habe sich fernerhin unterfangen sollte, in der Stadtheide zu jagen oder jagen zu lassen. Ein Edler Rat werde dies durch die Stadtknechte wehren. Wer aber glaube, dagegen Rechts aufpruch zu haben, der solle sich wenden an den Landvogt der Nieder- Laufig, Herrn Siegfried Grafen von Promniz, Erbherrn der Herrschaft Sorau.
Den Gubener Bürgern fehlte erklärlicherweise das Verständnis für den famosen Hinweis auf das unparteiische Schiedsrichteramt des Grafen von Promnik, der mit dem Rat bekanntermaßen unter einer Decke lag; vielmehr beschlossen sie noch am nämlichen Abend im Ratskeller einhellig, andreu Tags alle zusammen mit Dietrich Heffter jagen zu gehen. Bei der Sigung war aber so wacker gezecht worden, daß sie alle die Zeit verschliefen; manche mochten auch wohl die Vorsicht für den besseren Teil halten. Der junge Heffter aber hielt an seinem Vorhaben fest und brachte denn auch mit seinen acht Arbeitern in der Stadtheide einen Hirsch zur Strecke. Alsbald fielen 40 Knechte des Nats, die den Jägern nachgespürt hatten, über sie her, geißelten sie bis aufs Blut und warfen sie halbtot in einen Stadtgraben.
Die Kunde von dieser Heldenthat und der Höhnende Uebermut der zurückkehrenden Knechte brachten den Geduldsfaden der Bürgerschaft zum Steißen. 500 Mann start trat fie unter Führung von Samuel Wunschwitz unter Waffen und rückte dem Anstifter des Ganzen, dem edlen Rat auf den Belz. Beim Angriff auf das Nathaus tamen etliche Kriegstnechte des Nats ums Leben, der Rat felber aber hatte sich in das fefte Nonmentlofter geflüchtet. Für den Augenblick waren die Gubener Bürger Herren ihrer Stadt, am Abend aber erschien als ausschlaggebende Partei der wackere Verbündete des Nats, Graf Promuig, mit seinen Landsknechten auf,