Zlnterhallungsblatt des Dorwärts N?. 81. Freitag, den 25. April. 1902 (Nack druck v-rboten.» i] Dev NtÄnKsinsnn. Roinan von Hall Caine . Aulorisierto Nebersetzung. Erster Teil. Der alte Deemster*) Christian auf Ballawhaine war ein harter Mann, wenigstens nach außen hin. Man nannte ihn den eisernen Christian und warnte jeden, diese Eisenhand gegen sich herauszufordern. Und doch war der Grund- zug seines Charakters nicht nur Kraft, sondern auch Edel- sinn. Im Innern war er nicht kalt von Natur, aber er' liebte es, sich mit einer Eiskruste zu umgeben. An dem Feuer, das darunter brannte, erwärmte er sein altes Herz, sobald er allein war; aber er trug gern ein frostiges Wesen zur Schau. Er war ein Mann mit verschlossener Seele. Die dunkle Kammer, in der er seine Gefühle ver- borgen hielt, war nur gewaltsam zu öffnen, wer das aber that und ihn einmal in seiner Blöße zu sehen bekam, der hatte es bei ihm für immer verscherzt. So war es seinem Sohne, dem Vater Philipps, ergangen. Er hatte zwei Söhne. Der ältere, ungestüm von Natur und ein Feucrgeist. war eine jener herrischen Seelen, die Zaum und Zügel bedürfen, wenn sie nicht kopfüber in den Abgrund stürzen sollen. Der alte Deemster Christian hatte diesen Sohn Thomas Wilson genannt, nach dem frommen Heiligen, der einst Bischof von Man gewesen war: doch bestimmte er ihn für den Richterstand und nicht für die Kirche. Das Amt eines Deemstcrs war zwar nicht erblich und konnte das auch nicht werden, aber durch sechs Generationen waren die Christiane auf Ballawhaine Deemster gewesen und so erwartete denn der alte eiserne Christian, daß sein Sohn Thomas Wilson Christian nach ihm das Richter- amt bekleiden würde. Doch die Nachfolge war keineswegs sicher. Es kam bei der Wahl mehr auf Verdienst als auf Einfluß an. Deshalb ließ der Alte seinen Sohn erst das englische Recht erlernen und rief ihn dann zu seiner prak- tischen Ausbildung nach Man zurück. Der junge Mann täuschte jedoch die Erwartungen des Vaters einigermaßen. Er hatte während seines Aufenthaltes in England gewisse moderne Lehren in sich aufgenommen, die dem alten Deemster höchst mißfällig waren. Neue Begriffe voni Eigentum, neue Anschauungen über die Ehe und die Stellung der Frau, neue religiöse Lehrsätze(die alten wurden einfach in Aberglaube umgetauft) lauter Schrullen, die gleich Saugmuscheln den eben vom Stapel gelaufenen Schiffen anhaften, die sich in unbekannte Gewässer hinauswagen; der Alte war aber kein Schiffsbaumcister, er verstand die Kunst nicht, sie ohne Beschädigung des Rumpfes zu entfernen. Der Deenister war jenen Ideen gelegentlich in den Zeitungen begegnet. Sic wirkten auf seine engbegrcnzte Einbildungskraft so erschreckend und verwirrend, wie Laster auf rechtschaffene Leute, die Pflicht- getreu ihres WegeL wandeln. Doch lag das alles damals noch weit von ihm ab, jenseits des Meeres und der Berge, ein Sündcnpfuhl gleich dem alten Sodom, der auch eines ähn- lichen Unterganges gclvärtig sein durfte wie Sodom. Und siehe da, in einem Nu waren ihm die neugebackenen Ideen in sein eignes Haus und Gehöft herübergeflogen und ein- gedrungen. Mit scheint," sagte er mit einem forschenden Blick,daß Du den Knecht für so gut' wie den Herrn?" Nein," sagte der Sohn..,meist für viel besser." Der eiserne Christian änderte jetzt seinen letzten Wcllen. Dem älteren Sohne setzte er nur eine Leibrente auf Ballaw- Haine aus.Der Junge hat etwas vor," sagte er und suchte dem Uebel so vorzubeugen. Er wußte sich nicht zu helfen; er schämte sich, konnte sich aber nicht überwinden der heftige alte Mann fing, an, seinem Sohne im tiefsten Herzen zu grollen. *) Das ist ans der Insel Man die Bezeichming für die von der englischen Regierung emzusetzcnde» Richter, deren es immer ztvei, einen für den Norden und eine» für den Süden der Insel gicbt. Sic sind nächst dem Gouverneur und dem Lord Bischof die höchsten Be- amten. Sie haben Sitz und Stimme im Rat, der ans neun Personen besteht, zu denen der Generalstaatsanwalt und der Clerk of the Rolls, der Kanzleidireltor, gehören. Die beiden Söhne des Deeinsters glichen der Innen- und Außenseite eines Trinkgefäßes, und dies Gefäß war der Deemster selbst. Wenn Thomas Wilson, der ältere, das Feuer und die Milde von des Vaters Jnnerm besaß, so war der jüngere, Peter, des Vaters Außenseite, Eisen und Eis. Peter Ivar klein und fast mißgestaltet, mit Schultern, die sich über die eingefallene Brust wölbten, und mit schlotterigen Glied- maßen. Doch wenn die Natur ihn mit Mißgunst behandelt hatte, so war sein Vater nicht gütiger gegen ihn. Er ließ ihn für keinen Beruf ausbildeil und beschränkte seine Aussichten auf eine jährliche Rente aus dem Vermögen seines Bruders. Seine Rede war bitter, seine Stimme kalt, er lachte nur selten, und nie sah man ihn weinen. Es nahm vieles gegen ihn ein. Außer den beiden Söhnen hatte der Deenister noch ein Mädchen im Hause, doch sah er das nur für etwas ganz Bei- läufiges an. Es war seine Nichte, das Kind seines einzigen Bruders, der schon im ersten Mannesalter gestorben war. Sie hieß Anna Charlotte de la Tremouille nach der Herrin von Rushen, denn auch die Familie Christian hatte heroische Anwandlungen, so gut wie alle andern Menschen. Das Mädchen hatte hübsche Augen, einen unsicheren Ausdruck um den Mund und war überaus schüchtern. Eine milde Freundlichkeit lag in ihrem ganzen Wesen und ihre Erscheinung hatte einen gewissen zitternden Glanz, wie wenn die Sonne glitzernd durch eine Felsschlucht bricht. Ihre Mutter starb, als sie ein Kind von zwölf Jahren war, und so lvuchs sie im Hause ihres Oheims und ihrer Vettern unter Männern und Knaben auf. Eines Tages zog Peter den Deemster auf die Seite und flüsterte ihm verlegen, jedoch nicht ohne Verherrlichung seines eignen Scharfsinns, eine Geschichte von seinem Bruder ins Ohr. Es handelt sich um ein Mädchen Namens Mona Crellin. Sie wohnte auf dem Berge, eine halbe Meile südlich von Ramsey, im Hause ihres Vaters, Wilm Ballure, eines verabschiedeten Schiffskapitäns und Duzbruders aller lustigen Kumpane der Stadt. Das gab nun viel Geschrei und Lärmen, und der eiserne Christian sandte nach seinem Sohne. Was muß ich da hören l" schrie er und warf ihm einen wütenden Blick zu.Was eine Dirne? Also darauf läuft alle Deine Gelehrsamkeit hinaus he? Aber sieh Dich vor! Sieh Dich vor! Keiner meiner Söhne soll Schande über mich bringen. Geschieht es doch, so werfe ich ihn noch am selben Tage zur Thür hinaus." Thomas hielt mit großer Anstrengung an sich. Schande?" sagte er.Schande, womit, wenn ich bitten darf?" Schande, womit?" wiederholte der Deemster, dem Sohn in spöttischer Weise nachäffend. Dann aber brüllte er: Wenn man ein armes Mädchen verführt ist das nicht Schande genug? Ist's nicht genug, he?" Mehr als genug," sagte der junge Mann.Wer aber thut das? Nicht ich!" Dann thust Du noch Schlechteres I Sagte ich Schlechteres? Gewiß sagte ich Schlechteres! Eüvas weit Schlechteres! Hast Du's gehört etwas Schlechteres! Du schleichst um Ballures Haus herum und setzest dem armen Dinge allerlei Thor- heiten in den Kopf. Ich Ivill davon nichts mehr hören. Habe ich Dich darum nach England geschickt? Schämst Du Dich nicht vor Dir selbst? Vergiß nicht, was Du Deiner Stellung schuldig bist. Ein armes Mädchen ist ein armes Mädchen und ein Deemster ein Deemster!" Ja, Vater," erwiderte Thomas plötzlich heftig werdend, und ein Mann ist ein Mann. Was aber die Schande be- trifft, so brauche ich mich keiner Sache zu schämen, die nicht schiinpflich ist. Der beste Beweis, den ich dafür geben kann, daß ich dem Mädchen keine Unehre zu machen gedenke, ist. daß ich es zu heiraten beabsichtige." Was? Du beabsichtigst was? Habe ich recht gehört?" Der alte Deemster neigte sein gutes Ohr dem Munde des Sohnes zu und dieser wiederholte die Drohung. Unbesorgt! Kein armes Mädchen solle durch ihn verführt werden. Er wäre über alle thörichtcn Vorurteile hinaus. Der eiserne Christian stand wie vom Donner gerührt.