Nnterhaltungsblatt des vorwärts?ir. 91.Dienstag, den 13 Mai.1902MaÄdruck verboten.!ii] Dev Wlsttksmsnn.Romcin von Hall Ca ine. Autorisierte Uebersetzung.Tante Nan erreichte, was sie bezweckt Ijatte. DieselbeNacht noch takelte Philipp sein Boot für den Winter ab, undam nächsten Morgen niachtc er sich nach Vallawhaine auf,um Onkel Peters Hilfe in Anspruch zn nehmen, damit er sichdem Studium der Rechte widmen könne. Tante Nan be-gleitete ihn. Sie hatte ihn zu diesem Schritt durch diedoppelte Erwägung gedrängt, daß der Vallawhaine seinnächster Verwandter wäre und erst kürzlich seinen eignenSohn Roß zum Studium der Rechtswissenschaft nach Englandgeschickt hatte.Beide Waren auf dem Hinweg in aufgeregter, ungewisserStimmung. Tante Nan, die ihren kiepenartigen Hut auf-hatte, sprach ohne Ende, um Philipps Mut zu beleben.Als sie jedoch an das große Thor kamen und durch dieBäume zu dem Türmchen aufblickten, kamen ihr mit großerRührung die Tage ins Gedächtnis zurück, wo dieses Haus ihreignes Heim gewesen war, und sie fing still zu weinen an.Auch Philipp war nicht unbewegt. War es doch der Geburts-ort und das Erbe seines Vaters gewesen.Der englische Diener in rotem Nock und gelbbraunerWeste führte sie mit der bei Fremden üblichen Förmlichkeit indas Besuchszimmer. Zu ihrer Ueberraschung fanden sie Roßhier. Er saß am Klavier und trommelte einen Gassenhauer.Als die Thür aufging, stand er langsam auf, reichte TanteNan kühl die Hand und begrüßte Philipp mit gnädigem Kopf-nicken.Der junge Mann>var ein recht wohlgenährter Sprößlingdes alten Stammes; um mehrere Zoll länger als sei» Vater,breiter, schwerer und in jeder Beziehung völliger, mit denschläfrigen Augen eines Seehundes und auch einer ArtSeehundsgesicht. Dabei hatte er die gespreizten Beine desVaters und dessen Leichtfertigkeit und Spottsucht im Wesenund Sprache— ein Manksmann, der, bis zur Unkenntlichkeit verstellt, die augenblicklichen Modcthorheitcn Londonsnachäffte.Tante Nan stellte ihren Regenschirm weg, glättete ihreHandschuhe und ihr weißes Stirnhaar und erkundigte sichsanftniütig nach seinem Befinden.„Könnte besser sein," erwiderte er gedehnt,„wäre ja sonstnicht hier. Vater quälte mich aber so lange, bis ich zu meinerWiederherstellung zurückkam."„Vielleicht haben Sie Heimweh gehabt," sagte Tante Nanmit Teilnahnre.„Es muß einem jungen Mann im Anfangschwer werden, in London zu leben. Darin hat es ein jungesMädchen beffer, sie braucht die Heimat nicht zu verlassen.Und dann wohnen Sie auch vielleicht nicht in dem gesündestenTeile der Stadt."„Ich hatte Zimmer in einer Rcchtsschule."Tante Nan machte ein besorgtes Gesicht.„Ich glaube,das würde nur für Philipp nicht lange behagen," sagte sie.„Jetzt aber habe ich Zimmer in Haymarket."Tante Nan schien sich erleichtert zu fühlen.„Das muß besser sein," sagte sie.„Morgens vielleichtgeräuschvoll, doch werden Sie dafür ruhige Abende haben,sollte ich meinen."«Ganz recht," sagte Roß und fuhr wieder unter heim-lichem Kichern über die Tasten hin. Philipp, der an der Thürsaß, fühlte einen 5kitzel in der Hand vor Verlangen, sie mitdes Vetters Backen in Berührung zu bringen.� Onkel Peter kam jetzt hastig, mit kurzen, unruhigenSchritten herein. Sein Haar und seine Augenbrauen warenweiß geworden, seine Wangen eingefallen, die Augen hohl,der Mund unruhig. Er hatte mehrere Oberzähne verloren,hustete häufig und lvar schäbig gekleidet. Er sah auS wie eindem Tode verfallener Mann.„Ach, Du bist es, Anna, und auch Philipp! GutenMorgen Philipp, laß das Piano ruhen, Roß— so ist's gut.Nun, was giebt's. Miß Christian?"„Philipp' ist gestern mündig geworden, Peter," sagteTante Nan schüchtern. i„Wahrhaftig?" meinte der Ballawhaine.„Nun, dannwird Roß im nächsten Monat zwanzig. Er ist etlvas mehrals ein Jahr und einen Monat jünger."Er sah die alte Dame einen Augenblick forschend an,ohne zu sprechen, dann sagte er:„Nun?"„Er wünscht nach London zu gehen, die Rechte zustudieren," stammelte Tante Nan.„Warum bleibt er nicht lieber daheim und wird einDiener der Kirche?"„Das wäre meine eigene Wahl gewesen, aber seinVater—"Der Ballawhaine schlug die Beine über einander.„SeinVater war immer ein Mann, der hoch hinaus wollte", sagteer. Dann sich zu Philipp wendend:„Deine Absicht würdesein, später auf die Insel zurückzukehren?"„Ja", sagte Philipp.„Als Anwalt zu praktizieren und Dich um ein Amt zubewerben?"„Dies scheint der Wunsch meines Vaters gewesen zusein", sagte Philipp.Der Ballawhaine sah Tante Nan wieder an:„Nun—Miß Christian?"Tante Nan griff nach ihrem Regenschirm und fingendlich an:„Wir dachten, Peter— Du siehst, wir wissenso wenig davon— ja. Ivenn sein Vater noch lebte—"Der Ballawhaine hustete, kratzte sich an der Backe undsagte:„Ihr wünscht, ich soll ihn bei einem Rechtsanwaltunterbringen?"Tante Nan lachte erleichtert auf. als Zeichen ihrer Zu-stimmung.„Ihr lverdot wohl wissen, daß solch' ein Schritt Geldkostet. Wie viel habt Ihr darauf zu verwenden?"„Ich fürchte, Peter..„Ihr dachtet, ich könnte die Ausgabe übernehmen, he?"„Es ist sehr gütig von Dir, es gleich im rechten Lichtezu sehen, Peter—"Der Ballawhaine verzog das Gesicht.„Höret mich an,"sagte er trocken,„Roß ist soeben im Begriff, die englischeRechtsgelehrsamkeit zu studieren..."„Ja." sagte Tante Nan eifrig,„und zum Teil war esgerade das..."„Wahrhaftig!" sagte der Ballawhaine und zog dieAugenbrauen in die Höhe.„Ich rechne, daß sein Studiumin London mich, wenn eins zum andern kommt, mehr alstausend Pfund kosten wird."Tante Nan erhob bestürzt die behandschuhten Hände.„Diese Summe war ich entschlossen, auszugeben, damitmein Sohn als englischer Anwalt größere Aussichtenhätte..."„Weißt Du, daß wir an so etwas ebenfalls dachten?"sagte Tante Nan.„Beffere Aussichten hätte," fuhr der Ballaivhaine fort,„eine der wenigen offenen Stellen auf der Insel zu erhalten,als wenn er nur das mankische Gerichtswesen studiert, wasmich weniger als die Hälfte kosten würde."„O. aber das Geld wird für beide gut angelegt sein, fürRoß und fiir Philipp," sagte Tante Nan.Der Ballawhaine hustete ungeduldig.„Du verstehstmich nicht," sagte er gereizt.„Solche Stellen sind nurwenige vorhanden, und Advokaten giebt's in Man so vielewie Fliegen in einem Lcimtopf. Für jedes Amt finden sichan fünfzig Bewerber. Doch die Ausbildung spricht dabeimit, auch der Einfluß kann etwas thun und das Fansilien-ansehen."Tante Nan fühlte sich wie von: Frost durchschauert.„Dies alles setz' ich für Roß ein, damit er alle seineMitbewerber überflügelt. Hast Du mich nun begriffen?"„Wieso, Peter?" fragte Tante Nan.Der Ballawhaine heftete sein�hohles Auge auf sie undsagte:„Was verlangt ihr von mir? Ihr kommt her und for-dert, daß ich einen Nebenbuhler meines eigenen Sohnes mitMitteln versorge, ihn tüchtig und geschickt dazu mache, meinenSohn auszustechen"Tante Nan hatte seine Meinung endlich verstandeil.