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Diefer Beit hat er zwar nach eignem Geständnis keine rühmlichen Waffen- Lügen, daß jene Bagatelle gänzlich dagegen verschwindet. Ein thaten selber vollführt, wenn auch viele mitangesehen, wohl aber sich) Milderungsgrund ist Sir John allerdings im voraus zuzubilligen: mit einer solchen Fülle des Wissenswerten und Erstaunlichen voll- an die thatsächliche Existenz dessen, was er über den fernen Östen gepfropft, daß er nach seiner durch das Podagra notwendig gemachten auf Grund von Hörensagen oder von schriftlichen, zum Teil mur erHeimkehr das dringende Bedürfnis verspürte, seinen Landsleuten, haltenen Berichten zusammenfabelt, hat er zweifellos geglaubt, und nein, der ganzen Christenheit, das Erlebte und Geschaute zu offen- er ist bloß ein unverschämter Lügner, ein Münchhausen erster Klasse, baren, und zwar gleich in drei Sprachen, französisch, lateinisch und insofern er all' das, was mum tommt, mit eignen Augen gesehen zu englisch . haben behauptet.
Er hat seinem 1356 veröffentlichten Reisebericht auch dadurch größere Autorität und Verbreitung gesichert, daß er ihn zuvörderst dem heiligen Vater in Rom zur Bestätigung und Beglaubigung vor legte. Die erleuchteten Ratgeber des Papstes stellten zur Evidenz fest, daß alles in Sir Johns Buch seine volle Richtigkeit habe. Und so ist mein Buch," rühmt sich stolz der edle Ritter, obwohl viele Leute nichts glauben wollen, als was sie mit eigenen Augen sehen, möge der Schriftsteller oder die Person auch noch so wahrhaftig sein, von unsrem heiligen Bater in aller Form bestätigt und bewiesen." Wir haben also ein kirchlich approbiertes Handbuch der mittelalterlichen Geographie vor uns. bibe
Von Babylon und Chaldäa aus gelangte er allmählich nach der Insel Amazonia, die nur von Weibern bevölfert ist: nicht, wie einige Leute sagen, weil Männer dort nicht leben können, sondern weil die Weiber sie nicht unter sich dulden wollen als ihre Herren.,. und jenseits des Wassers wohnen die Männer, die ihre Geliebten sind, wohin sie gehen, um sich zu trösten, wenn sie Lust haben". Von hier führen nach Indien verschiedene Wege, der zu Lande ist vorzuziehen, weil es auf dem Meere die furchtbare Gefahr der Magnetberge giebt, die das Eisen der Schiffe anziehen und so zum Scheitern führen. Ich selbst habe sie in der Ferne auf jener See gesehen, als wenn es eine große Insel voll von Bänen und Büschen geBös sind die römischen Gottesgelahrten damit hineingeplumpst; wesen wäre, voll von Dornen und Sträuchern, in großer Fülle; denn Sir John beweist seinen ritterlichen Beruf, mit faltem Stahl und die Scelente erzählten uns, all das stamme von Schiffen, die umzugehen, vor allem dadurch, daß er meisterlich und kaltblütig mit von den Magneten wegen des darin befindlichen Eisens angezogen dem langen Messer aufschneidet. Allerdings gilt das in dieser All- würden. Und ans dem Verfaulten und andren Teilen der Schiffsgemeinheit nur für die zweite Hälfte des Buches, und auch da ladungen wüchsen solche Büsche und Dornen und grünes Gras und findet sich wenigstens ein Beweis, daß der Verfasser auf der Höhe ähnliches. Und wegen der Maste und Naaen glich es einem großen mittelalterlicher Bildung steht. Er Er erklärt sich ausdrücklich Gehölz oder Hain ." und mit ausführlicher Begründung für die Meinung, daß Hat man diese Gefahr glücklich überivunden, so entschädigt Indien die Erde eine Kugel ſei. Für ihn giebt es in Welt- dafür durch die Fülle des Erstaunlichen, die sich hier sowie in den raum kein Oben und unten, infolgedessen giebt es Antipoden; anstoßenden Ländern und 50 000 Jufeln findet. Daher kommen die Wenn man von einer bestimmten Stelle her immer geradeaus besten Diamanten. Sie wachsen, viele zusammen, einer klein, der weiterwandelt, so muß man schließlich an den Ausgangspunkt andre groß; und da sind einige von der Größe einer Bohne und zurückgelangen. Das war zwar auch der Standpunkt der scholastischen einige von der einer Haselnuß. Sie sind vierkantig und spizig, ohne Philosophen, aber keineswegs die allgemein angenommene Ueber- menschliche Bearbeitung; und sie wachsen gemeinsam, männlich und zeugung der Zeit. Da mochte es wohl noch Lente genug geben, die weiblich, und werden vom Himmelsthau genährt; und sie zeugen mit Kosmas Indikopleustes der Welt die Gestalt eines Roffers zu gewöhnlich und bringen hervor kleine Kinder, die sich das ganze schrieben. Und zweifellos hielten zahllose Schriftgelehrte es noch Jahr vervielfältigen und wachsen." Dies Wunder des Diamanten mit dem famofen Schluß des großen Kirchenlistes Tertullian : Es wachfens hat Manndeville persönlich oftmals erprobt. Vor Similis widerspricht den Bedingungen menschlicher Existenz, dauernd mit den muß man sich hüten; denn ihnen fehlen die Tugenden der echten, Füßen nach oben und dem Kopf nach unten zu leben. Die Anti- als da find Verleihung von Kühnheit, Kraft, Mannhaftigkeit, Schutz poden müßten dies. Folglich giebt es keine Antipoden." Denn noch gegen Beherung oder Angriffe von wilden Tieren, Heilkraft gegen im Jahre 1492 traten die Gelehrten von Salamanca den Ansichten Mondsucht usw. In den Flüssen dieser Länder findet man Aale des Columbus mit dieser Logik entgegen. von 30 Fuß Mindestlänge, Cockodrills"( Strofobile), die weinen, wenn sie einen Menschen fressen.
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Aber es wäre voreilig, deshalb, weil Maundeville in diesem einzelnen Punkte der großen Mehrheit seiner Zeitgenossen voraus ist und unbefangen seine Meinung äußert, ibn für einen aufgeklärten Wahrheitsfreund zu halten. Wie es mit seiner Aufgeklärtheit steht, dafür liefert schon die erste Hälfte seines Buches Belege in alle und Fülle. Da wird zwar im übrigen Palästina, die ansioßenden Länder und die Wege, die dahin führen, wahrheitsgemäß beschrieben, andrerseits aber ist der Bericht mit Fabeln und Wundergeschichten mur so gespickt. Hart neben äußerst interessanten Mitteilungen über die damals üblichen Verfälschungen des Balsams und die Mittel, sie zu erkennen, prangt das Märchen vom Vogel Phönix, der alle 500 Jahre kommt, um sich auf dem Altar des Tempels von Heliopolis in Aegypten zu verbrennen: in der Asche findet sich am folgenden Tage ein Wurm, der am nächsten Tage schon ein ausgewachsener Bogel ist und am dritten Tage fortfliegt als neuer Phönig, einzig in seiner Art. Wir erfahren von den Normannen, daß die Syrier die Verwendbarkeit der Taube zur Beförderung von Briefen fennen, aber auch, daß ins Tote Meer geworfenes Eisen obenauf schwimmt, während eine Feder zu Boden finkt, daß es bei Affon eine Kiesgrube giebt, die sich sofort von felber wieder anfüllt, wenn auch noch soviel Kies zur Glasfabrikation herausgenommen wird; in der hineingelegtes Metall jeder Art sich in Glas, Glas dagegen in Kies verwandelt.
Aber bemerkenswerter noch als die Tiere, die man im östlichen Wunderlande findet, als die 120 Fuß langen Schlangen, die Riesenschnecken, in deren Haus viele Menschen wohnen können, als der sehr häufige Bogel Greif, der oben wie ein Adler, unten wie ein Löwe, aber stärker als 8 Löwen und größer als 100 Adler ist, erstaun licher selbst als der Jungbrunnen, der sich bei der Stadt Bolombe befindet, sind die ungewöhnlichen Menschenrassen, die es im Morgenlande giebt. In einer dieser Inseln( die zum König reiche Dondun gehören) find Leute von großer Statur, wie Riesen, furchtbar anzuschauen; und sie haben nur ein Ange, welches mitten in der Stirn ist; und sie essen nichts als rohes Fleisch und Fisch. Und auf andren Insel gegen Süden wohnen Leute von efliger Statur und verfluchter Natur, die keine Köpfe haben, sondern ihre Augen in den Schultern tragen. Auf einer andren Insel sind Leute, die das ganze Entlig platt haben, ohne Nase und ohne Mund. Auf einer andren Insel sind Leute, deren Oberlippe so groß ist, daß sie, wenn sie in der Sonne schlafen, das ganze Gesicht mit der Lippe bedecken. Und auf einer andren Insel giebt es Zwerge, die keinen Mund haben, sondern anstatt dessen ein kleines, rundes Loch; und wenn sie essen oder trinken wollen, so saugen sie es durch ein Rohr, eine Pfeife oder so was ein. Und auf einer andren Insel find Leute, die Ohren Und haben so lang, daß sie ihnen bis auf die Knie hängen. auf einer andren Insel find Lente, die haben Pferdefüße. Auf einer andren Insel sind Leute, die wie Tiere auf Händen und Füßen gehen, ganz gehäutet und gefiedert sind und so leicht und vont Baum zu Baum springen, Eichhörnchen und Affen. Auf einer anderen Insel giebt es Zwitter. und auf einer anderen Insel giebt es Leute, die immer auf den Knieen gehen, und bei jedem Schritt, den sie thun, scheint es, als würden sie fallen; und sie haben acht Zehen an jedem Fuß...
Judes, wegen dieser und zahlreicher anderer noch hirne verbraunteren Wundergeschichten brauchte man noch nicht an der Wahrhaftigkeit Maundevilles zu zweifeln: die blaue Blume des Wunderglaubens blühte eben zu jener Zeit im Menschenherzen in einer Weise, die sich heute kaum nachempfinden läßt. Bedenklicher auf Bäume ist schon der Bericht über eine angebliche Unterredung des Autors mit dem Sultan von Aegypten. Wahr könnte schon sein, wenn er den Sarazenenherrscher über die Christen sagen läßt: Sie sind so stolz, daß sie nicht wissen, wie sie sich kleiden sollen, bald lang, bald furz, bald eng, bald weit, bald mit Schwert, bald mit Dolch und überhaupt in allen Arten Verkleidungen. Sie sollten einfach, sanft, wahrhaftig und mildthätig sein, wie Christus war, an den sie glauben; aber sie sind in allen Stücken das Gegenteil und immer geneigt zum Bösen und Böses zu thun. Und sie sind so habgierig, daß sie für ein wenig Silber ihre Töchter, Schwestern und fogar ihre eigenen Weiber verkaufen, um sie der Unzucht zu über liefern. Und einer verführt das Weib des andern, und teiner hält dem andren Tren und Glauben..." Dazu bemerkt Maundeville, daß diese Schilderung den Thatsachen entspreche. Sie ist also immerhin interessant als seine eigene Meinung vom Zustande der Christenheit; denn im weiteren läßt er den Sultan Menßerungen thun, die der Beherrscher der Gläubigen unmöglich gethan haben tann. Es erwächst also der starke Verdacht, daß der brave Nitter sich das ganze Gespräch aus dem Autordaumen gesogen hat.
Wegen dieses kleinen Interviewschwindels woller wir nicht zu scharf mit ihm ins Gericht gehen; denn bereits auf den nächsten Seiten eröffnet er einen solchen Großbetrieb im Fabrizieren von
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Niemand wird sich nun noch weiter wundern, an andern Stellen des Buches ganz ernsthaft von Menschen mit Hundsköpfen, von Weibern, die sich rasieren, von Lenten, die nicht sprechen können, sondern wie Schlangen zischen, von 28 Fuß hohen Riesen, von gea hörnten Wilden mit grinzender Schweinsstimme, von„ ipotaynes", die halb Mensch und halb Pferd sind, und ähnlichen Merkwürdigkeiten mehr zu vernehmen. Man findet es schließlich selbstverständlich, daß Maundeville auch im Teufelsthal gewesen ist und daselbst den Gottseibeins leibhaftig gesehen hat, und man ist ganz enttäuscht, daß er vom Paradiese, das irgendwo gen Sonnenaufgang in ge waltiger Höhe liegt, eingesteht:" Vom Paradiese kann ich nichts Genaues sagen, denn ich war nicht da. Und ich berene, daß ich nicht hingegangen bin, aber ich war dessen nicht würdig."
Man sollte es faum für möglich halten, daß jemals vernunft begabte Wesen die tollen geographischen Fabeleien, die auch in zahlreichen andern mittelalterlichen Schriften, z. B. im deutschen Volks buch vom Herzog Ernst, aber nirgends in fo imponierender Menge und Bollständigkeit und mit dem dreisten Anspruch auf Autopsie, wie in Sic