Mnterhallungsblatt des Dorwüris N?. 99. Sonntag, den 25. Mai. 1902 �(Naibdrult Btifioten.) ig] Dev BMelnksmann. Ronian vo» Hall C a i n e. Autorisierte Nebersetzung. Tante Nan fuhr in der Erzählung fort: �Wollen Sie mich wegen ungebührlichen LärmenS in Haft nehmen?" schrie Großvater, riß dem Vikar das Rohr aus der Hand und schlug ihn damit über die Brust.„Ver- haften Sie mich jetzt," sagte er. Dann wankte und stolperte er an meinem Arme zur Kirche hinaus, und hielt sich im Vorbeigehen an den Thüren der leeren Kirchstühle fest." Philipp ging diesen Abend mit brennenden Augen und hämmernden Pulsen zu Bett. Er hatte ein Entdeckung ge- macht, vor der er erbebte. Er stand gerade da, wo vor ihm sein Vater gestanden hatte; er war im Begriff, das zu thun, was sein Vater gethan, und lief Gefahr, des Vaters Geschick zu erleiden! Wo war sein Kopf, daß er noch niemals daran gedacht hatte? Es war hart— es war schrecklich! Jetzt, da es ihm frei stand, das Mädchen zu lieben, erkannte er erst, was diese Liebe für ihn bedeutete. Er war aber jung und empörte sich; er känipste und wollte nicht ruhig überlegen. Das Mädchen blieb diese Nacht Siegerin in seinem Herzen, und er legte sich nieder und schlief. Am nächsten Morgen aber sagte er sich schaudernd, es wäre ein Glück, daß er noch nicht zu weit gegangen sei. Ein Schritt weiter, alles Elend im Leben seines Vaters hätte sich in seinem eignen wiederholen können. Noch war nichts gesagt, nichts gethan, und er beschloß, nicht wieder nach Sulby zu gehen. XIV. Diese Geniütsstimmung hielt bis zum Mittage an; dann aber schlich sich ein verkleideter Plänkler der Liebestruppen in sein Herz ein. Er erinnerte sich seines Versprechens, am nächsten Sonntag zu kommen, und bedachte, daß es unziemlich sein würde, die Bekanntschaft zu plötzlich abzubrechen, damit die einfachen Leute nicht etwa dächten, er habe es nur Petes wegen vier Jahre lang mit ihnen ausgehalteu. Wenn aber der Sonntag vorüber war, wollte er neue Wege ein- schlagen. Er fand Käthe auf eine Art und Weise gekleidet, wie nie zuvor. Statt des losen roten Leibchens und dem Sommer- Hut, der Schürze und dem faltigen Unterrock trug sie ein eng anschließendes dunkelgrünes Hauskleid mit Spitzenkragen. Die Veränderung war unbedeutend, aber der Unterschied groß. Sie sah nicht schöner aus, doch mehr wie eine Dame. Es war Sonntagabend und die Manks-Fee geschlossen. Cäsar und Grannie waren im Bethaus, Nancy Joe kochte Hafermus zum Abendessen und Käthe und Philipp unterhielten sich. Das Mädchen tvar stiller, als Philipp es jemals ge- sehen, zurückhaltender, leichter errötend; die alte Keckheit in Wort und Blick war wie verschwunden. Sie sprachen von Erfolg und Gelingen, und sie sagte: „Wie gerne würde ich mich wie Sie durchs Leben schlagen! Eine Frau kann aber nichts thun, um sich vorwärts zu bringen. Ist das nicht hart? Da, wo sie geboren ist, muß sie ihr Lebtag bleiben. Sie kann sehen, wie ihre Brüder emporkommen, und vielleicht auch ihre Freunde, sie selbst aber muß unten bleiben. Ist das nicht jammervoll I Nicht etwa. weil sie verlangt, reich oder groß zu werden. Nein, das nicht; sie möchte nur nicht hinter denen zurück bleiben, die sie liebt. Das muß sie aber, und zwar nur, weil sie ein Weib ist. So ist es wenigstens allenthalben auf der Insel Man . Ist das nicht grausam?" „Vergessen Sie aber nicht doch etwas dabei?" wars Philipp ein. „Und was?" „Wenn sich eine Frau auch von selbst nicht erheben kann, weil ihr die Thore des Lebens verschlossen sind, so ist es doch einem Manne stets möglich, sie zu erbeben." „Einem, der sie liebt, meinen Sie, der sie auf seine Höhe erhebt und mit sich emporzieht, wenn er steigt?" „Warum nicht?" fragte Philipp. Kathens Augen strahlten wie Sonnenschein.„DaS wäre köstlich," sagte sie leise.„Wissen Sie, daß ich an so etwas nie gedacht habe? Wenn mir das aber geschähe, würde ich es allem andern vorziehen. Ihm immer zur Seite und alles nur durch ihn. O, das wäre herrlich I" Und sie staunte mit zaghafter Freude zu dem Erfindungs- reichen empor, der hieran gedacht hatte, wie zu einem über» natürlichen Wesen. Cäsar und Grannie kehrten zurück, beide in fürchterlichem Sonntagsaufputz. Nichtsdestoweniger blieben Cäsars Augen, nach der ersten Begrüßung Philipps, auf Käthens ungewöhn» lichem Anzüge haften. „Solch' weltlicher Putz," murrte er, das Mädchen durch die ganze Küche verfolgend, indem er seine schwarzen Hand» schuhe aufblies. Diese Sorge für den elenden Körper, der eines Tages ins Grab gesenkt wird. Was sagt die heilige Schrift?— Leg' meinen großen Hut auf das reine Wand- brett, Nancy — Solcher Schmuck soll nicht auswendig sein mit Kleideranlegen, sondern der verborgene Mensch des Herzens—" „Du lieber Himmel, Vater"— sagte Grannie, ihre Haube bindend, die wie eine Taucherglocke aussah.„Wenn es darauf ankäme— was sagt der Prophet Jeremias? Vergiftet doch eine Jungfrau ihres Schmuckes nicht." „Sie kann ihn wohl vergessen, wenn sie keinen hat," sagte Cäsar.„Aber mag sein, daß der Prophet die Mütter nicht kannte, die heutzutage Mode sind." „Still. Mann! Mädchen sind wie Vögel und die Art erkennt man an den Federn!" sagte Grannie. „Von wem hat sie sie dann? Gewiß nicht von mir," sagte Cäsar. „Nein, wahrhaftig nicht. Mann," lachte Grannie,„wenn man in Betracht zieht, wie sauber und schmuck sie ist." „Schweig still, Frau, das wird Dir besser anstehen," sagte Cäsar. Philipp erhob sich, um aufzubrechen.„Sie haben noch Zeit genug," rief Cäsar.„Ich wollte mit Ihnen noch von einem Geschäft sprechen." Einige Fischer aus Ramsey waren am Sonnabend da gewesen. Der diesjährige Ertrag war schlecht gewesen, und sie erhoben mit lauter Stimme Einspruch gegen die Fischer mit Schleppnetzen, die den Laich vernichteten. Cäsar hatte für nächsten Sonnabend eine Zusammenkunft von Leuten aus Ramsey und Peel in seinem Hause vorgeschlagen und Philipp als Advokaten empfohlen, um mit ihnen über die besten Mittel zur Bekämpfung der Feinde der Heringe zu beraten. Philipp versprach, sich einzufinden,»lud ging dann zu Tante Nan. „Tante," sagte Philipp,„glaubst Du nicht, daß das tragische Schicksal im Leben des Vaters nur ettvas Zufälliges war? Ich meine, nur auf der Besonderheit des Charakters meiner armen Mutter und meines Großvaters beruhend. Wenn zum Beispiel der eine weniger stolz und abgeschlossen. oder die andre fähiger gewesen wäre, sich mit ihrem Gatten zu erheben..." „Nein, Philipp— die Tragödie hatte einen tieferen Grund. Laß mich Dir eine Geschichte erzählen," sagte Tante Nan und legte ihr Buch hin.„Drei Tage nachdem Dein Vater Ballawhaine verlassen hatte, flüsterte mir die alte Lene, die Hausmagd, beim Abendessen zu, daß jemand mich im Garten zu sprechen wünschte. Es war Thomas. O Gott! Es war schrecklich, ihn wie einen Fremden im Dunkeln außen vor der Küchenthüre stehen zu sehen, während er doch der Erbe von allem hätte sein sollen." „Armer Vater!" sagte Philipp. „Still, Mädchen, tritt aus dem Licht", flüsterte er. „Oben in meinem Pult liegt eine Börse mit etwa zwanzig Pfund; hole sie, Nan, hier hast Du den Schlüssel." Ich ivußte, wozu er das Geld wollte, aber ich konnte nicht anders. Ich holte die Börse und legte ihm noch zehn Pfund von meinem Ersparten hinein.„Mußt Du es thun?" fragte ich. —„Ich muß", antwortete er.—„Vater sagt, daß jeder» manu Dich wegen dieser Heirat verachten ivird", sagte ich.—„Besser, als wenn ich mich selbst verachten müßte, enviderte er.—„Aber er nennt es moralischen Selbst»
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19 (25.5.1902) 99
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