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Das war ja nun freilich äußerst unlogisch; denn die beiden] Meine Frau erklärt die Erscheinung ruchloserweise aus dem hatten doch gerade bewiesen, daß sie auch vor Wolkenbrüchen nicht Johannisbeerivein. zurückschreckten. Aber meine Bemerkung verfehlte ihren Eindruck nicht. Und war doch nur die Freude über die neue Erkenntnis: die Die Aermsten duckten sich und trollten flagend zurück. Zu Hause schönsten Pfingstausflüge find es, die man bei schlechtem Wetter Joc. haben sie dam, gutem Vernehmen nach, 65 Minuten lang außer wagt! ordentlich energisch geheult.

Jch aber, der einsame Mann, zog finsteren Angesichts in das unendliche Reich der Niederschläge hinaus. Der Zug war fast leer. Ich bemerkte nur noch eine Gruppe von fünf handfesten Männern, ihrer Ausrüstung nach unternahmen sie eine Nordpol- Expedition. Sie belehrten mich aber, daß sie den Rauchklub Durch Dick und Dünn" darstellten. Außerdem legten sie einen förperlichen Eid darauf ab, daß die Havel   die Wetterscheide bilde..

In Neu- Babelsberg   glaubte ich noch nicht an die Wetter weisheit der fünf Pfingsthelden; denn der Regen zog gerade Blafen. Aber in Potsdam   erschien wahrhaftig schon jene berühmte blaue Trofthose am Himmel, die das Wahrzeichen der Aufklärung ist. Und als ich in Wildpark landet der Ausdruck ist angesichts der vielen Feuchtigkeit durchaus angemessen, da brach die Sonne wie ein lustiger Sonntagsjunge tollend durch das Wolkenbett.

Der Dickkopf schmolz in Nührung. Ich fandte ein Telegramm an die ferne, schnöd verlassene Heimat: Erivarte Euch Wildpart." Um ein Weilchen feierten wir ein tief ergreifendes Familienfest des Wiedersehens. Wir hatten uns doch gefunden, die Frau, die Kinder, das Mädchen, der Rucksack und ich. Ünd um die unglaubliche, aber wahre Pointe gleich vorweg zu nehmen: An diesem Tage spürten wir feinen Regentropfen mehr!

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Kleines Feuilleton.

Der Name Berlin  " hat schon zahlreiche Erklärungen ge­funden, ohne daß man bisher zu einem Abschluß der Untersuchungen gelangt wäre. Neuerdings hat Gay in Herings Archiv" eine Arbeit veröffentlicht, in der nachgewiesen wird, daß Berlin   ursprünglich nicht schlechtweg Berlin  , sondern to dem Berlin  "( zu dem Berlin  ) hieß. Den Namen Berlin  , Barlin oder Berlinchen führen noch neun andre Ortschaften. Alle diese an Flüssen liegenden Orte haben ihre Benennung von dem altslavischen männlichen Hauptwort bruleni, d. h. der Wasserrechen, Floßholzfang ein Ballengerüst, das quer über das Wasser gebaut, zum Auffangen des Floßholzes diente. Es ist mit ziemlicher Sicherheit anzunehmen, daß das alte Dorf Berlin   der auch noch heutzutage auf der Spree   start betriebenen Holzflößerei seine Entstehung verdankt, und auf diesen Umstand wird Eine andre Erklärung die Benennung von Gah zurückgeführt. des Namens Berlin   ist von dem wendischen Sprachforscher Professor Pfuhl, dem Verfasser des oberlausitz  - wendischen Wörter­buchs, veröffentlicht worden. Mit Rücksicht auf die früheren geographisch- potitischen Verhältnisse von Berlin   erklärt er, daß Stadtrat von Cölln   zeichnete zugleich als der Nat tom Berlin". Berlin   ursprünglich nur ein Anhängsel zu Cölln gebildet habe. Der Der Stadtrat von Cölln   war der Herr des gegenüberliegenden Werders, der noch vor 200 Jahren der Flederwerder genannt worden ist, was auf einen Weideplatz der Gänse hindeutet. Der Herr, die Herrschaft hieß aber bei den Wenden der Mark wladar, herrschaftlich hieß wladari. Der aus zwei Sprachen gemischte Flederwerder heißt also so viel wie herrschaftlicher Werder, der dem Nate zu Cölln   ge­hörende Werder  . Hinter dem Werder lag Wald, der später ge­Wendisch rola; ein für fünftige Weide umgearbeitetes Stüd Wald­schlagen und zu Acker und Weide gemacht wurde. land heißt aber parola. Der parolin war alfo der Ort auf der parola der Ortschaft Cölln  . Es wird demnach allgemein an­genommen, daß Berlin   ein slavischer Name ist, nicht aber die slavische Form eines deutschen   Wortes.

Der Acker heißt

Zunächst veranstalteten wir eine fleine Generalprobe, um die Haltbarkeit des Wetters zu prüfen. Wir wanderten durch den Park von Sanssouci   nach Potsdam  . Nirgends ein Mensch. Diese junge Frühlingsblütenfrische niemals zuvor war das Blühen so endlos, und das nennt man schlechtes Wetter! gehörte uns, und all die Monstre- Frühkonzerte der Vögel in den Büschen waren uns gewidmet. Wir waren die Herrscher dieser bei den Göttern! staubfreien Pfingstwelt. Inzwischen nahte der Mittag. Wir befanden uns auf der großen Hauptallee. Plöglich wird in der Ferne eine lenchtende Prozession fichtbar, Helme, Ordensterne, graue Mäntel. Sie kommt uns entgegen. Hinter uns aber geht ein im höchsten Grade gut genährter Herr, die üppigen Glieder in einen schwarzen Gebrock geschmiegt. Jezt trennen uns nur noch zwanzig Meter von den Glänzenden. Auf einmal be­kommt der Herr mit dem Gehrock einen gewaltigen Senid im Rück­grat. Den Oberkörper parallel zum Boden gerichtet, verharrt er unbeweglich, wie hypnotisiert. Unwillkürlich bleiben wir neben ,, Prefprozesse" im alten Nürnberg  . Wir lesen in der dem Mann stehen und staunen über diesen merkwürdigen Anfall, Fränkischen Tagespost":" Im Jahre 1708 hatte ein Dr. med. Stahl der nicht weichen will und dessen Ursache wir vergebens mehrere Schmäh- und Lästerschriften" herausgegeben, worinnen, zu ergrübeln suchen. Derweilen sind die vier Offiziere, die jene wie der Chronist schreibt, er einen hochedlen Rat und einige Privat Prozession eröffnen, ganz nahe heran gekommen. Und nun ge: vahre personen, namentlich Herrn Christoph Fürer( Angehörigen eines ich hm, ich habe doch diese Persönlichkeiten schon in der Woche" alten Patriziergeschlechtes) ehrenrührig angegriffen und die von ihm wiederholt gesehen!..." Na. alter Freund, wie geht's Ihnen denn?" mit den Worten kommt der in der Mitte gehende Offizier auf den Gebückten zu. Jezt erst schnellt der Mann mit dem Gehrod aus seiner tiefen Rüdenbenge empor... Die Erscheinung ist vorüber.

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Eines habe ich zweifellos gelernt, der freundschaftliche Umgang muß bisweilen sehr schwierig sein. Ich wenigstens müßte mindestens noch einmal Turnunterricht nehmen, um auch nur zehn Prozent jener Rückenbeuge ausführen zu können. Ich muß gelegentlich den Ober­bürgermeister Kirschner fragen, wie er es macht.

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Auf verödetem Schiff nach Caputh  , dem langgestreckten Schiffer­und Kirschendorf  ! Der Wind beizt uns; wie die Freiheit des Meeres weht es uns an. Schwere Wolken treiben am Horizont. Ueberall, wo wir nicht sind, regnet es.

Und nun wandern wir in den Wald am mächtigen Schwielow tief dunkler schäumender Wein rötlich wogt. Keine Menschenseele lebhafter. Wir sind die Könige dieser Pfingsten!

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an vielen Orten waren verbreitet worden". Der Vermessene wurde festgenommen und auf den Turm Luginsland in Ge wahrsam gebracht. Dort saß er 38 Wochen, und am 15. März 1709 wurde ihm endlich der Prozeß gemacht. Die tonfiszierten Schriften wurden, nachdem der Löwe"( Gehilfe des Scharfrichters) umgetrommelt" hatte, vor dem Rathause, bei dem Pranger, auf einen Schafott von dem Scharfrichter öffentlich verbrannt. Dabei las man vom Rathaus herab, daß, wer von hiesigen Bürgern, Schuß­verwandten, Unterthanen und deren Angehörigen ein oder mehrere Exemplare in Händen hätte, solche innerhalb acht Tagen, bei Vermeidung schwerer Strafe, in die Kanzlei liefern sollte. Gedachter Stahl wurde früh von dem Turm Luginsland auf das Rathaus in das sogenannte Barbierstüblein gebracht, und von da um 10 Uhr in die Stern­stube geführt, woselbst die Herren Schöpfen versammelt geivesen. Er ging ganz frei und kühn hinein, machte seine Reverenzen und bes forgte sich feines Uebels, ungeachtet viel Hundert Leut auf dem Gang und in der Sternstube waren. Als ihm aber der Henter an die

see, der wie begegnet uns. Auf dem Gipfel des Mont Blanc   ist es Seite gestellt wurde, wollte er anfangen zu protestieren, es wurde

ihm aber Stillschweigen auferlegt. Darauf hielt ihm Herr Georg Weiter am See entlang. Die Sonne spielt mit den Wolfen. Christoph Streß seine ehrenrührigen, von ihm gemachten Schmäh­Auf der weiten Wasserfläche kein Segel. Die verkrüppelten Kiefern und Lästerschriften vor und befahl ihm zugleich, solche öffentlich zu an den sanften Hängen der hügligen Ebene dunkeln gespenstisch in widerrufen, mit Bedrohung, wofern er nicht alle Worte nach das Treiben der huschenden Sonnenblicke, Dörfer in Blüten ver- spräche, solche der Scharfrichter nachsprechen, ihn aber zuvor auf das steckt. Goldgelb brennen weite Inseln des jung sprossenden Schilfs Maul schlagen solle." Das wirkte, Dr. Stahl widerrief, und es wurde aus der dunklen Flut hervor. Ueberallhin begleitet uns die stumme ihm darauf das Urteil verkündet, daß er zur Strafe aus Gnaden" graue Mühle dort oben auf der Höhe zwischen den Wassern. Drüber lebenslänglich auf dem Turm Luginsland bleiben sollte. rollt ein Gewitter. Da wo wir nicht sind, gewittert es. Wir Ein andrer Preßprozeß wegen Beleidigung des Rates spielte laufen den sämtlichen Niederschlägen aus dem Wege, und mitten sich im Jahre 1734 ab und wurde nicht minder summarisch erledigt. hinein in die Aufklärungen. Ein Schreiber, ein Kupferstecher und ein Kupferdrucker hatten Pasquille

In der Abenddämmerung sind wir nach Werder gelangt. Auch gegen die Obrigkeit gemacht. Am 11. Februar wurden vor dem hier ist's seltsam still. Nichts mehr von der lärmenden Ausgelassen- Rathause zwei Schafotte aufgerichtet. Auf dem einen standen die heit der Blütensaison". Zwar die süßen Kirschen sind verblüht, drei Sünder, und haben da müssen stehen bleiben, bis der Scharf braun, schlaff hängen die gerunzelten Kelchblätter herab, fruchtleer richter auf dem anderen Schafott die Pasquill verbrannt hatte, zumeist, wie es scheint; der überreiche Blütensegen hat getrogen. hernach sind sie ins Zuchthaus tommen".- Aber das mattgrüne Weiß der sauren Kirschen hüllt noch die gelben Hügel und purpurn fnospen die Apfelbäume.

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Wie wir beim Mondenschein nächtig auf den sandigen Blüten wegen über die Höhen zum Bahnhofe gehen, rede ich zur Ver­wunderung der Meinen Papa ist aber nlfig, behauptet das Mädchen in fremden, feurigen Pfingstzungen: ich spreche aus­schließlich in Berjen, in gut gebauten, schwungvollen Versen eignen Gewächses.

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- Ueber den Büßerschnee( Nieve penitente  ) finden wir eine Abhandlung von Rudolf Hautbal( Veröffentl. des deutschen akademischen Vereins zu Buenos Aires  ). Er stellt den Büßerschnee als eine besondere Erscheinungsform des Eises dar, als eine Süda amerita eigentümliche Erscheinung. Wenn auch nicht einzusehen ist, warum unter gleichen Bedingungen das Eis nicht gleiche Era scheinungsformen annehmen sollte, so betont Hauthal doch, daß alle