Kleines Feuilleton.

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fparfamkeit ist eben nur für solche Blätter und Blüten geboten, die von vornherein auf eine geringe Lichtzufuhr angewiefen sind. Die Fähigkeit, sich nach dem Licht zu bewegen, ist ein Behelf der Pflanze, an das spärliche Licht in höchstmöglichen have been allgemeinen kann man sagen, daß die dem Licht zugewandten Blütenstände eine Anpassung an einseitige Beleuchtung, die dicht­blütigen, nach allen Seiten entwickelten dagegen eine Anpassung auf allseitige Beleuchtung darstellen; als Beispiel für die letztere Gruppe tann die Königsterze genannt werden.

ie. Der Lichtdurft der Blüten. Licht und Wärme sind die Herrscher und Ernährer im eich des Lebens. Von der niedrigsten Pflanze bis zum Menschen wird die Lösung der Frage, wie das eingelne Wesen in seiner Versorgung zu Licht und Wärme gestellt ist, von entscheidender Bedeutung für seine Entwickelung und sein Er gehen. Die meisten Tiere haben vermöge ihrer Bewegungsfreiheit die Fähigkeit, das Licht selbst aufzusuchen, nicht so die Pflanzen. Sie find an ihren Standort gebunden und können nur durch die Be Ungemein reizvoll sind nun ferner die verschiedenen Wege, auf wegung ihrer verschiedenen eine möglichst günstige denen die in der Bestrahlung stiefmütterlich behandelte Pflanze die Stellung zu den vom Himmel kommenden Lichtstrahlen ge- Ausnutzung des Lichts erzielt. In der Regel geschieht dies bei der winnen. Man möchte bei oberflächlichem Nachdenken viel- Blüte dadurch, daß ihre Oeffnung senkrecht zu der des Lichts ein­leicht meinen, daß die Pflanzen das Lichtbedürfnis, das gestellt wird. Diese Blüten werden von Wiesner Vorderlichtblumen sich besonders bei Blättern und Blüten äußert, am genannt und in Gegensatz zu den Oberlichtblumen gefeßt. Zu den Oberlicht­besten und ausschließlich dadurch befriedigen können, daß sie diese blumen gehören z. B. die meisten Vertreter der großen Familie der Schirm­Organe mit der breitesten Fläche möglichst immer der Sonne zu blütler( Umbelliferen). Sie wenden ihre Blütenstände stets dem tehren. So einfach aber vollzieht sich der Vorgang nicht. Wie Pro- Benit zu, und in der That thun sie insofern ganz recht daran, als feffor Wiesner in Wien nachgewiesen hat, erschöpft der bekannte vom Zenit des Himmels die größte Lichtmenge kommt. Die Ober­Begriff des Heliotropismus der Blüten, d. h. ihre Eigenschaft, sich lichtblumen gelangen zu dieser Stellung namentlich durch den Ein­der Sonne zuzukehren, das Wesen der Erscheinung nicht, vielmehr fluß der Schwerkraft, die den Blütenstengel in eine senkrechte Stellung besteht eine große Mannigfaltigkeit von Ursachen, durch die die bringt. Gerät eine derartige Pflanze durch irgend welchen Zufall in Blüten zur Einnahme einer bestimmten zweckmäßigen Stellung zum eine geneigte Lage, so befigt sie die Fähigkeit, in unglaublich kurzer Licht veranlaßt werden. Wiesner unterscheidet unter allen Blüten Zeit die senkrechte Stellung wieder herzustellen. Das bekannteste nach dem Ausdruck, den ihr Lichtdurst in ihrer Stellung Beispiel einer Vorderlichtblume ist die Sonnenblume, deren Blüte findet, zunächst zwei Gruppen, die er als photometrische und mit der größten Fläche seitwärts gestellt ist. Solche Vorderlicht aphotometrische Blüten bezeichnet. Die photometrischen Blüten blumen wehren durch ihre Stellung die stärkste Belichtung geradezu find solche, die dazu im stande sind, infolge der Ein- ab, denn die Menge des verstreuten Tageslichts, das vom Zenit wirkung des Lichtes Bewegungen auszuführen und somit ihre Stellung herkommt, ist mindestens doppelt so groß. gelegentlich aber, sogar in zu den Lichtstrahlen günstig zu regeln. Die aphotometrischen imfren geographischen Breiten, bis zu viermal größer als das direkte Blüten stehen im Gegensatz dazu, sie besigen also diese Fähigkeit Sonnenlicht. nicht. Dennoch können auch die Blüten der zweiten Gruppe eine ganz bestimmte Stellung annehmen, diese wird dann aber nicht durch den Einfluß des Lichts, sondern durch andre Kräfte bestimmt, und zivar namentlich durch die Schwerkraft. Wenn man eine Blüten­pflanze betrachtet, so wird man in den meisten Fällen auch dann eine Wirkung des Lichts deutlich wahrnehmen können, wenn sie sich in der Stellung der einzelnen Blüte nicht ausprägt.

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Professor Wiesner kommt nun noch auf die Frage zu sprechen, ob es Blumen giebt, die sich täglich mit dem Lauf der Sonne drehen. Jm eigentlichen Sinne ist die Frage zu verneinen. Die Drehung der Blüten, die thatsächlich erfolgt, wird nämlich nicht durch die direkten Sonnenstrahlen bestimmt, sondern ebenfalls durch das diffuse Tageslicht. Die Blumen folgen demnach nicht der Richtung der Sonne, sondern wenden sich immer nur nach einem hellen Stück des Es ist ja eine ganz bekannte Thatsache, daß sich ein Gewächs Himmels. Es kann freilich nicht als ausgeschloffen bezeichnet werden, daß nach der Seite hin, von der es das meiste Licht empfängt, stärker es Blumen giebt, die den täglichen Gang der Sonne nachgehen, entwickelt. Die fräftigsten Zweige der Bäume, das üppigste aber wahrscheinlich ist es nicht. Dagegen gilt es als eine feststehende Laubwachstum wird immer mehr nach Süden gerichtet sein Thatsache, daß manche Pflanzen gegen die tagsüber sich vollziehende als nach Norden oder, wenn die Pflanze nicht frei steht, Schwankung in der Richtung der stärksten Beleuchtung höchst nach derjenigen Seite, von der aus fie am wenigsten beschattet ist. empfindlich find. Junge Wickenpflanzen z. B. drehen sich im Ver­Auch die Blüten entwickeln sich auf dieser Seite zahlreicher lauf von 12 Stunden allmählich um 180 Grad. Manche Gewächse, und gesünder. Wenn man beispielsweise ein Exemplar des wie der Fingerhut oder Wachtelweizen, haben noch verschiedene be­Alpenhahnenkamms( Rhinanthus alpinus) einer einseitigen Besondere Einrichtungen zur zweckmäßigen Einstellung ihrer Blüten leuchtung gussetzt, so entwickeln sich nur auf der belichteten Hälfte gegen das Licht, deren eingehende Erörterung jedoch zu weit führen der Pflanze gesunde Blüten, während die Knospen auf der Schatten- würde. seite sämtlich verkümmern. Auch für diese Erscheinung hat die-Wiener Namen für Brotformen. In der Wiener Wissenschaft einen besonderen Namen schaffen müssen, als welchen Abendpost" veröffentlicht Dr. Nagl über die Bedeutung der Wiener Wiesner den bezeichneten Ausdruck Phototrophie vorgeschlagen hat. Namen von Brotformen ein Feuilleton, dem wir folgendes ent Bei den phototrophischen Pflanzen haben die Blüten an sich also nicht nehmen: Kipfel, das ist das gekrümmte Gebäck; das aussieht wie die Fähigkeit, das Licht zu suchen, infolge dessen müssen diejenigen die Kipfe" oder Stemmleiste des Bauernwagens. Baunzer, Blütenanlagen, die bei der Lichtverteilung schlecht fortkommen, zu ursprünglich Bauzerln, verkleinert von Bauz'n oder Bauze. Das Grunde gehen. Diese Pflanzen müffen eben damit zufrieden sein, Gebäck ist ganz rund geformt und hat, während der Rücken flach ist, wenn sie auf einem Teil ihrer Stiele oder Zweige Blüten zur Ent- oben eine Serbe über seinen ganzen Durchmesser herab, so daß es widlung und Befruchtung bringen können, und sie unterstützen diesen leicht in zwei Teile gebrochen werden kann. Bauzen heißt eine Borgang dadurch, daß sich alle ihre Gewebe und einzelnen tuollige Teigform, der Buz'n oder Boz'n des Apfels oder der Birne Organe nach der stärker beleuchteten Seite hin kräftiger ist das Kernhaus, Beuzel ist eine Geschwulst, Beule. Krapfen ausbilden. Besonders merkwürdige Verhältnisse bieten die:( Pfannkuchen) tommt vom althochdeutschen chraphu, das Haten be jenigen Blüten dar, deren Stellung zum Licht nicht durch deutet. Heute sind die Krapfen rund, ursprünglich waren sie aber dieses selbst, sondern durch die Einwirkung der Schwerkraft bedingt gekrümmt. Das Wort ist verwandt mit dem Worte Krampf". wird. Sie stehen unter dem Befehl der Schwerkraft nämlich nur, Breßen oder Brezel stammt wohl aus dem italienischen braccia­so lange sie unbefruchtet sind, sinken aber in eine beliebige Lage tello, bracciatella. Braccio heißt der Arm, und die Brezze hat die abwärts, sobald die Befruchtung vollzogen ist. Eine solche Pflanze Gestalt, wie die Schultern mit den ineinandergeschlungenen Armen. bietet zur Blütezeit einen wunderbaren Anblick, indem nämlich inner- schradi, eine Semmel aus derberem Mehl als das Baunzerl halb eines Blütenstandes ein Teil der Blüten, also die noch un- mit auf der oberen Seite sich frenzendem Längs- und Querschnitt, befruchteten, nach oben gerichtet sind, während die Deffnung der hat ihren Namen von schräen", das bedeutet in kleine Stüde ge übrigen, bereits befruchteten nach unten weist. Eine Erklärung riffen werden, sich teilen". Der Wecken oder Weck bedeutet ur­dieses Zustandes liegt nicht fern. Die Befruchtung der Blüten voll- sprünglich so viel als Keil und hat seinen Namen von seiner spigen zieht sich gewöhnlich unter Mitwirkung von Insekten, und die Schöne Form.­farbigkeit und der Duft der Blüten dient ja eben hauptsächlich dazu, die Insekten anzulocken. Eine mit dem Kelch nach oben gewandte Blüte hat nun selbstverständlich mehr Aussicht, von Insekten bemerkt zu werden, als wenn sie die umgekehrte Stellung hätte. So ist es für die Pflanze zweckmäßig, wenn die Blüten durch die Schwerkraft nach oben gerichtet werden, falls derselbe Erfolg nicht durch das Licht selbst erzielt wird. Haben aber die Insekten ihre Arbeit gethan, ist die Blüte befruchtet, so fällt auch die Notwendig teit dieser Blütenstellung fort, und nachher ist es kein Schaden für die Pflanze, wenn sich nunmehr die Blütenteile abwärts neigen; es ist vielleicht sogar ein Vorteil für sie, indem dann die Samen mit größerer Sicherheit auf den Erdboden gelangen.

Musik.

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Als am Sonnabend nach der erfolggesegneten Berliner Erst aufführung von Weingartners Orestes" die Sänger und der seelenvergnügte Komponist und der Kapellmeister( Steichen­berger) und der Aufführungsleiter( Harlacher) und der Maschinenheld( Brandt) ungezählte Male hervorgerufen wurden, da mußte einer fehlen, der doch zu dem Ganzen das Schöpferischste gegeben hatte. Der alte Aeschylos ist nun ausgerechnet 2358 Jahre tot. Allein weder diese Jahresmenge, noch auch die Feinde und schlimmeren Freunde des Griechentums, noch auch die klebsüße Liebens­würdigkeit der Weingartnerschen Musik konnten ihm etwas aubaben oder Am besten sind natürlich die Gewächse gestellt, die einen ganz werden ihn etwas anhaben können, wenn nach wiederum 2858 oder freien Standort haben, wohin das Licht von allen Seiten zutreten nach 235 oder auch schon nach 23 Jahren in der Musikgeschichte die kann. Es ist daher auch ganz begreiflich, daß sich bei solchen Pflanzen Leistung Weingartners als ein folides Wert fühl registriert sein wird. am seltensten besondere Einrichtungen finden, die den Blüten eine Aeschylos ist es, der die griechische Tragödie und mit ihr wohl den bestimmte Stellung zum Licht erteilen. Auch bei den Blättern ist das Grundzug all dessen, was wir an hoch stilisierter Dramatik befizen, nicht mehr der Fall, sondern die ganze Pflanze kann ihren Lichtdurst aus ureigner Produktionskraft geschaffen hat. Eine seiner eigen­stillen, ohne besondere Anstrengungen hierfür aufzuwenden. Licht- lartigsten Schöpfungen: die Gestalten der Erinyen( Eumeniden oder