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wohl im Laufe des Nachmittags."- Beim Abendessen: Er aber es gab kein Entrinnen. Nirgends leuchtete ein Strahl kommt noch zur Nachtzeit." der Hoffnung.
Aber Philipp kam nicht und ihre Aufregung steigerte sich bis zu einem unerträglichen Grade. Ihr Blick hing an der Uhr; die Minuten schlichen mit bleierner Trägheit weiter, die Stunden dagegen flogen mit Blitesfchnelle davon. Es ging ihr wie einem Angeklagten, der auf sein Urteil wartet. So oft die Uhr zum Schlage ausholte, fühlte sie sich in ihrem Verhängnis um eine Stunde näher.
Die Spannung verwirrte sie immer mehr. Sie machte es Philipp zum Vorwurf, daß er sie dieser grausamen Ungewißheit preisgab; sie erlitt die Qualen eines Herzens, das gleichzeitig lieben und hassen möchte. Dann machte sie sich selbst wieder Vorwürfe, den Tag der Hochzeit verändert zu haben, und suchte Philipp durch ihre Hast zu entschuldigen. Sie tam sich vor wie eine Here, die durch ihren eignen Zauber verbrennt. Die Hoffnung verließ sie und ihr Wille brach kraftlos zusammen. Gleichwohl war sie zu einem Aufschub der Hochzeit entschlossen.
Das war Sonnabendnacht. Am Sonntag früh war sie einen Schritt weiter gegangen. Der legte armselige Hoffnungsschimmer, daß Philipp dazwischen treten würde, schien jezt erloschen, und sie hatte sich entschlossen, was auch kommen mochte, gar nicht zu heiraten. Dann brauchte sie nicht um Petes Verzeihung zu bitten und hatte nicht nötig, Philipps Geheimnis zu verraten. Alles, was sie zu sagen brauchte, war, daß sie nicht heiraten wolle und keine Macht der Erde sie dazu zwingen werde.
Mit diesem Entschluß und einem Gefühl unermeßlicher Erleichterung ging sie hinunter. Cäsar kam eben aus der Betstunde zurück und Pete aus dem neuen Hause in Ramsey. Sie setzten sich zum Mittagessen. Nach Tische beabsichtigte fie, sich zu erklären. Cäsar schärfte das Vorlegemesser am Stahl und sagte:„ Wir haben die Christiane Killip heute wieder in die Gemeinschaft aufgenommen."
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„ Das arme Ding," meinte Grannie. Schade, daß sie überhaupt je ausgeschlossen worden ist." Mag sein mag auch nicht sein," sagte Cäsar.„ Notwendig war's jedenfalls. Ein räudiges Schaf kann die ganze Herde anstecken."
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" Und hat denn die Trauung die Sünden des verirrten Schafes in Gnaden zugedeckt, Cäsar?" fragte Pete.
" Sie ist nun Mrs. Robbie Teare und ein ehrbares Weib," erwiderte Cäsar, indem er den Rinderbraten zerteilte, und das ist alles, was eine christliche Kirche zu bedenken hat."
Spät am Sonntagabend saßen sie alle zusammen in der Küche, Käthe in ihrem gewohnten Siz am Kamin, Pete auf dem Stuhle an der Torfkammer, zum Schlot hinausrauchend. Cäsar las laut vor, Grannie hörte zu und Nanch bereitete das Abendessen, als die Thür zur Vorhalle aufgerissen wurde und jemand eintrat. Käthe fuhr zusammen, sprang mit einem Freudenschrei auf, sah sich begierig um, ward glühend rot und setzte sich wieder.
Es war Christiane Killip, ein blasses, schwächliches, ein. geschüchtertes Wesen und ängstlich wie ein scheues Wild. " Ist Mr. Quilliam hier?" fragte sie.
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" Hier ist der Mann selbst, Christiane," sagte Grannie. Was wollen Sie von ihm?"
,, Ach, Gott segne Sie, Herr," sprach das Mädchen zu Pete, Gott segne Sie immer und ewiglich!"
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Dann sich zurück an Grannie wendend, setzte sie ihr nach Frauenart mit vielen Worten auseinander, daß ein Unbekannter ihr den Tag zuvor durch die Post zwanzig Pfund für das Kind geschickt hätte. Sie habe erst erraten, wer es sein müsse, nachdem ihr John, der Küster, erzählt, was Pete vorige Woche gesagt hätte. hüllte sich in Rauchsagte er.„ Glauben John sagt jedenfalls
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Pete fnurrte, blickte seitwärts und wolfen. Schon gut, Frau, schon gut," Sie nur nicht alles, was Sie hören. mehr als sein Amen."
" Ich bitte Sie um Verzeihung, Miß," sagte jetzt die Frau zu Käthe, aber ich mußte ihm danken. Wirklich, ich fonnte nicht anders- ich fühlte" und damit brach sie in Thränen aus.
„ Und wo ist das Kind?" fragte Pete, mit wildem Blick aufspringend. Was?- Sie haben das kleine Ding doch nicht im Schlaf allein gelassen? Machen Sie unverzüglich, daß Sie wieder zu ihm kommen. Gut' Nacht!"
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Gute Nacht; Gott segne Sie, und wenn Sie morgen berheiratet sind, möge Gott auch Ihrem Weib Glück und Segen schenken."
,, Gut, gut", fnurrte Pete und drängte sie nach der Thüre. " Sie verdienen eine gute Frau und möge Gott Ihnen beiden gnädig sein."
„ Still, still!" fagte Pete und schob sie sachte zur Stube hinaus.
Sie streichelte das Haar ihres Kindes diese Nacht noch zärtlicher als je und füßte es wieder und wieder.
Käthe verging fast der Atem; es wurde ihr schwarz vor Käthe aß an diesem Tage nichts zu Mittag; auch sprach den Augen. Ihr Stolz und ihr Wille waren völlig gebrochen. fie fich nicht aus, wie es ihre Absicht gewesen. Eine über- Dieser großherzige Mann liebte sie. Er würde sein Leben natürliche Macht schien ihr im letzten Augenblick den einzigen hingeben, um im Notfall das ihre zu retten. Morgen wollte noch übrigen Ausweg verschlossen zu haben. Sie war er sie heiraten. Hier war der Fels, der ihr Schutz bot, dieser mitten im Sturm. Das Gewitter drohte auf sie her starke Mann ihr zur Seite. nieder zu krachen. Wohin konnte sie fliehen, um Schuß zu
fuchen?
es drängte sie mit unsichtbarer Hand vorwärts. Philipp nicht fam, um sie zu befreien, mußte sie Pete heiraten.
Sie konnte nicht länger gegen ihr Schicksal ankämpfen; Wenn
Ihres Vaters Worte über jenes Mädchen hatten ihr dessen Leben gezeigt und zugleich ein Licht auf ihr eignes Verhältnis zu Philipp geworfen. Der Gedanke an die möglichen Und Pete? Sie glaubte Pete fein Leid anzuthun. Sie Folgen, denen sie mit so viel Freude entgegengesehen, weil sie hatte die Sachlage noch nicht von Betes Standpunkt aus beihr Macht zu geben schienen, hatte jetzt in ihr das Bewußtsein trachtet. Wenn sich in der Wüste die Sandwolfe über dem ihrer moralischen Lage geweckt. Sie war ein gefallenes entfetten Wanderer entladet, flüchtet er unter den Sattelsac Weib! Oder was war sie sonst? Und wenn jene des Kamels und findet dort Schutz. Was aber wird aus dem Folgen wirklich eintraten, was würde dann wohl aus Ramel selbst, das mit seinem Haupt dem Sturm Trotz bieten ihr werden? Bei den stark pietistischen Ansichten ihres muß? Bis der Sturm vorüber ist, denkt der Wanderer nicht Vaters würde die Schande seinen ganzen Haushalt daran. So erging es Käthe mit Pete.
aus den Fugen bringen, seine Sekte zu Grunde richten und seine religiösen Ansprüche mit der Wurzel ausreißen. Räthe zitterte bei dem Gedanken, daß durch sie ein solches Unheil herbeigeführt werden könne. Sie sah sich schon von Heim und Haus vertrieben. Wohin konnte sie fliehen? Und fände sie auch eine Zuflucht, sie würde doch alle, die sie zurückließ, in Kummer und Schande gestürzt haben, ihre Mutter, ihren Vater, Pete und alle andren.
( Fortjeßung folgt.)
III.
Unter den älteren deutschen Malern, deren Bildern man in den Secessionsausstellungen stets begegnet, kommt in diesem Jahre eigent= Wenn sie nur das Vergangene aus ihrem Leben hätte lich nur Max Liebermann mit einer Ueberraschung. Neben herausreißen können, so brauchte wenigstens die Heirat nicht einer frischen Studie" Im Meer", in der er ein ähnliches Motiv zu stande zu kommen. Sie würde sich auch vermeiden lassen, giebt wie in einem wirkungsvollen Strandbilde im Vorjahre, und wenn sie ein Mann wäre, denn ein Mann kann fündigen und neben einem freundlichen Bilde„ Altfrauenhaus in Leyden", die doch der Zukunft mit festem Blick entgegensehen. Aber eine Frau beide ihn in seiner bekannten Art zeigen, bringt er zum erstenmale ist zwar Herrin ihrer Thaten, doch deren Folgen sind für Moment dargestellt, wie Delila" dem erschlafft auf ihrem Schoß eine große Figurenkomposition Simson und Delila". Es ist der fie unberechenbar. O, das Glend, ein Weib zu sein! Sie liegenden Riesen die Locke geraubt hat und sie triumphierend fragte sich, was sie beginnen sollte und wußte teine Ant- den im Hintergrunde lauernden Volksgenoffen entgegenhält. Man wort darauf. Sie konnte das Netz der Verhältnisse nicht zer- sieht nur auf einem großen weißen Lager die beiden nackten reißen. Ihre Lage mochte falsch, sie mochte unehrenhaft fein, Figuren, die gegen einen dunklen Vorhang gesetzt sind. Es will
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