Anterhaltungsblatt des Vorwärts

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Donnerstag, den 26. Juni.

( Nachdruck verboten.)

Der Manksmann.

Roman von Hall Caine . Autorisierte Uebersetzung. Alles stand auf und fah hin. Eine große pechschwarze Krähe war durch die offene Thüre der Mühle hereingefonimen, ruhig und gelassen, wie das ihr Brauch war, um das Korn zu holen, das gewöhnlich hier lag.

Es bedeutet Scheidung," sagte der schwarze Tom. ,, Scheucht sie hinweg," schrie jemand.

" Die junge Frau muß es selbst thun," sagte ein andrer. Wo ist Käthe?" rief Nancy .

Aber Käthe fah nur vor sich hin und lachte noch immer. Die Krähe wendete sich um und ergriff selber die Flucht vor einer so aufgeregten Gesellschaft. Dann sagte Pete: Wer glaubt noch an solche alte Weibermärchen?"

Und Cäsar antwortete: Niemand natürlich! Auch nicht an Zaubergeschichten! Ich habe die ganze Nacht draußen auf Cronk ny- airy Lhaa geschlafen nämlich vor meinen Gnadentagen und habe nie etwas von Feen und Elfen gesehen."

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V

Es müßte auch eine närrische Fee sein, die sich vor Euch hätte sehen lassen," sagte der schwarze Tom.

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Um neun Uhr stand Cäsars Gig vor dem Thore der Manks- Fee", um die Braut und den Bräutigam nach Hause zu fahren. Man hatte Mylecharae" und" Keerie fu Snaigthy" und ,, IIunting the Wren" und The Win that Shook the Barley" gesungen, und dann trug man die Tische hinaus und tanzte nach John, des Küsters, Fiedel und der Klarinette Jonaique Jellys. Käthe hatte mit wilden Blicken und glühenden Wangen an allem teilgenommen, doch so ungestüm, leidenschaftlich und stürmisch, daß die Leute an­fingen, sich über ihre Ausgelassenheit zu wundern. Cäsar flüsterte Bete zu, er solle sie nach Hause bringen, und ließ den Gig vorfahren, um sie zur Eile anzutreiben.

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Ein Mann soll Vater und Mutter verlassen und seinem Weibe anhangen," sagte Cäsar. Kommen Sie, Herr, Sie haben noch Zeit genug. Treten Sie ein!"

Aber der Mann war Philipp in diesem Augenblick ver­haßt; das Haus und das Geschwät drinnen schienen ihm un­erträglich, und er schlüpfte unbemerkt fort.

doch nicht entfliehen: Seiner verlorenen Liebe, seinem ver­Zu spät! Den Qualen seiner eignen Gedanken konnte er lorenen Glück, den Einnerungen an das Vergangene, den Träumen der Zukunft. Eine Stimme- es war seine eigne Stimme raunte ihm fortwährend höhnisch zu:" Du warst für Dich verloren;! und was hast Du zum Ersatz gewonnen? ihrer unwürdig. Du hast ihren Wert nicht erkannt. Sie ist

Das Deemsteramt! Das war jetzt von keiner Bedeutung für ihn. Ein Name, ein nichtiger Name! Liebe war das einzig Begehrenswerte, und es war dahin! Ohne die Liebe war alles andre nichts, und er hatte sie von sich gestoßen. an seine Thorheit war ihm unerträglich, die Erinnerung an Er war ein Ungeheuer, er war ein Thor gewesen. Der Gedanke seine Selbstsucht erdrückend, der Gedanke an seine Berech nungen und Erwägungen zerrte ihn aufs neue herab in den Staub. So, von dem Gefühl vernichtender Scham über­wältigt, stürzte er die dunkle Straße hinab und mühte sich ab, nicht mehr an den Gig zu denken, wie er schwankend vor ihm davonfuhr.

Er wollte die Insel verlassen. Morgen wollte er nach England segeln. Gleichviel ob er dadurch die Aussicht auf Beförderung verlöre. Morgen, morgen! Doch diese Nacht? Bie konnte er die Stunden bis zum Morgen aushalten mit den schwarzen Gedanken, welche die Finsternis gebärt? Wie konnte er schlafen? Wie wach da liegen? Gab es ein Be­täubungsmittel, das ihm Vergessenheit bringen würde? Sein Käthchen! Pete! Diese Nacht! O Gott, o Gott!

XXV.

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Kaum sechs Schritte hatte das Pferd in die Dunkelheit Käthe ging hinauf, sich Mantel und Hut zu holen. Unter- gethan, so war Käthes hysterischer Anfall vergangen. dessen bildeten Grannie und Nancy Joe in vollem Staat den Mittelpunkt einer Gruppe von Frauen, die sich nach allem erfundigten, ihnen hochachtungsvoll zuhörten und ihre Teil­nahme fundthaten.

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,, Es ist mir ganz unbegreiflich, wie sie sich so lange auf­recht erhalten hat," sagte Grannie.

Und der Himmel weiß, wie ich's aushalten werde, wenn fie fort ist", sagte Nancy mit der Schürze an den Augen. Stäthe fam fertig herunter. Alle folgten ihr auf die Straße und umstanden den Gig, dessen Laternen ihre Gesichter beleuchteten, während Pete seine Frau mit starkem Arm zu ihrem Site hinaufhob.

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Um' ner Lumperei willen sprängen Sie wohl heute abend nicht ins Wasser, was meinen Sie, Kapitän?" rief ihm

jemand lachend zu.

" Ich werd' mich hüten!" rief Pete, schwang sich zu Käthe hinauf, griff in die Zügel, knallte mit der Peitsche und fort ging's.

XXIV.

hatte den ganzen Tag die Herrschaft über sich verloren; jetzt war sie wieder sie selbst. Sie wurde ruhig und still, ja fast feierlich ernst; Pete aber schwagte in seiner fröhlichen Weise immer weiter fort über die Ereignisse des Tages. An den Häusern, bei denen sie auf der Straße vorüberfuhren, standen die Leute im Halbdunkel vor den Thüren und winkten ihnen Grüße zu, die Pete unter Jubel und Lachen erwiderte. As sie zur Brücke imbogen, sahen sie eine kleine Gruppe am Ein­gang des Kampfhahns" stehen.

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Da drüben sind Leute, die uns erwarten," sagte Pete, die Mähre mit der Peitsche berührend,

,, Laß uns rasch weiterfahren!" flüsterte Käthe ihm ängst­lich zu. Wir wollen sie nicht in ihren Erwartungen täuschen. Laß Ach, das wäre wenig freundnachbarlich!" meinte Bete. uns eine Minute lang mit verändertem Kurs segeln und die Zeit mit einem Galopp wieder einholen. Pr, Pr, Du alte Mähre! Pr, mein Diruchen, Br!"

Als der Gig an der Thür des Gasthofs vorfuhr, rief eine Euch und Eurer Gattin! Langes Leben und Gedeihen Euch Stimme in der Vorhalle: Glück auf, Kapitän! Glück mit beiden! Möge der Herr Euch Kinder geben, und Gesundheit, sie aufzuziehen, und mögt Ihr noch Eurer Kinder Kinder sehen und von ihnen gesegnet werden."

Philipp hatte an der Eingangsthür gestanden; er rang nach Fassung und bot alle seine Straft auf, um heiter und vergnügt auszusehen. Als aber Käthe an ihm vorüberging, sah sie ihn mit einem flehenden Blick an, und nun wurde ihm auf einmal alles klar, daß sie einen furchtbaren Mißgriff begangen hatte und sich dessen bewußt war; daß ihr Lachen bitterer ,, Schenken Sie alle Gläser voll. Mrs. Kelly!" rief Pete.,

ge vesen als Thränen; daß sie irgend welchem Zwang gehorchte und ein unglückliches, elendes Weib war!

Laß uns fort!" bat Räthe in ängstlichem Zon und zerrte an Petes Aermel. Im nächsten Augenblick war sie an ihm vorübergefchwebt, heraus, das späte Heu der Wiese sandte seinen füßen Duft Die Sterne tamen zum Vorschein, der Mond guckte von duftigen Spitzen und Wohlgeruch umgeben, und mun kami eine solche Flut der Zärtlichkeit, des Mitleids, der wahn- durch die Nacht. Käthe fröstelte und Pete schlug ihr ein sinnigen Eifersucht über ihn, daß er kaum im stande war, sich stücke after Lieder zu singen. Er sang aus allen Liedern, die wollenes Tuch um die Schultern. Dann fing er an, Bruch­zu beherrschen. Einen Augenblick hatte er vermocht, sich 3 rückzuhalten da setzten sich die Räder des Gigs schon er jemals gehört hatte, kam aber dazwischen immer wieder in Bewegung, das Pferd war im Trab, die Frauen hatten auf ein altes mantisches Liedchen zurück, welches mit den Worten beginnt: sich wieder ins Haus zurückgezogen; er sah nichts mehr vor sich als den breiten Rücken des furzatmigen Cäsar, der durch die Dunkelheit den verschwindenden Laternen des Gigs nach­sah und schwer feuchte.

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Du rotes Vöglein vom Torfmoorgrund, Wo schliefst du wohl lezte Nacht?"

So sang er, unbekümmert wie ein großer Junge, wäh­