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Giebt's denn keinen Erfte Klasse Wagen auf der Station?"| Wirtschaft bekamen fie int Jahre kaum ein paar Schweine fett, weil Hängt doch' nen Schlafwagen an."„ Drüben steht ja' n leerer sie nicht wußten, woher das Futter nehmen. Die Fleischer aber wollen Kohlen- Lowry."" Uff d'er Straße kommt ja' n Henwagen. Hängt nicht noch mehr für das Stück bezahlen, weil sie ohudies Mühe hätten, doch den Heuwvagen an. Das bedeitet Glick. Hähähä! Hähähä!" das Fleisch loszuwerden. Bei den schlechten Zeiten bleibe ihnen fast Der Baron klemmte das Monocle ein und musterte die Spötter alles liegen. Die Leute lebten von Brot und Kartoffeln. Nein, wenn mit einem schneidigen Blick.„ Meine Herrschaften, es giebt ein sie Arbeit und Mühe, Risiko, Fracht, Bahnfahrt und alles aufSprichwort über das Lachen und wen man daran erkennt. Ich rechneten, blieben ihnen kaum ein paar Thaler übrig. branche es Ihnen wohl nicht erst zu citieren."
„ Oho! Oho!" Die Fahrgäste nahmen drohende Mienen an. Aus dem letzten Abteil der zweiten selasse aber beugte sich ein buckliger Herr heraus und freischte mit einer dünnen Stimme: ,, Erlauben Sie' mal, wie meinen Sie das?"
Allgemeines Gelächter. Gleichzeitig kam der Schaffner angefeucht: Also, Herr Stationsvorsteher, ooch die zweite Selaffe is ieberfüllt. Wenn der Herre mit will, muß er dritte fahren."
Ernentes Hohngelächter. Der Baron wurde förmlich blaß. " Herr, jest reißt mir die Geduld! Meinen Platz oder... Schockschwerenot!"
" Herr Baron," sagte der Stationsvorsteher.„ Das kann' mal passieren. Warten Sie zwanzig Minuten, dann kommt der Dresdner Personenzug
tann nicht warten."
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" Ich muß in Dresden den D- Zug Wien - Berlin erreichen, ich Ju Tharandt wird' ne erste Klasse frei," beschwichtigte der Schaffner,' s sein Herren von der Forstakademic drinne."
Ich verlang' meinen Platz!"
Der Zugführer fam angeschossen. Mir müssen fort. Mir ha'm ohnedies zwölf Minuten über die Zeit, ige is' schonn über' ne Viertelstunde..
„ Also, Herr Baron", resumierte der Stationsbeamte, entweder benugen Sie bis Tharandt , was frei ist, oder Sie müssen sich bis zum nächsten Zug geduldigen... Ferrt- i- g!!"
Der Baron stürzte auf das offenstehende dritte Klassenabteil, der Zugführer riß dem Jungen den Stoffer weg und stieß ihn derweilen in den Gepäckwagen. Die Fahrgäste begleiteten die Lösung
des Playstreites mit einem höhnischen Bravo.
Abfahrt!" Der Zug fuhr.
" Ich werde Prozeß führen!" schrie der Barou.„ Ich mache in Dresden ' ne Eingabe an die Staatsbahn- Verwaltung! Das wollen wir doch' mal seh'n!"
Klatsch. Der Schaffner warf die Thüre zu und der Baron sank mit einem Fluche auf die harte Holzbant. Zum Unglück war's ein älterer Wagen und das Abteil war beschmußt durch Ruß, Kohlenstaub und Schmutz von der Strecke. Auf dem Boden lagen Papier
abfälle, Cigarrenaiche und Stummel. Dazu erfüllte den schmalen
Raum ein dicker Tabaksqualm.
" Berdammter Geftant! Der Baron stieß die Lüftungen auf und riß das Fenster herunter, daß es trachte. Er war von einer solchen Wut erfaßt, daß er am liebsten den ersten Besten verprügelt hätte. Er sah sich im Abteil um. Ein paar ärmliche Leute saßen da, drei Männer und eine Frau, wohl Bauern, die in ihr Dorf zurückfuhren. Sie erschienen verlegen über den noblen Zuwachs, sahen sich schweigend an, und als der Baron das Fenster aufriß, drückten die Männer ihren Cigarrenstummel aus und stellten das
Qualmen ein.
Am Ende kannten diese Kerle gar nicht den Sachverhalt und hielten ihn für einen Dresdener Reise- Onkel. Das mußte man ihnen doch versetzen!
Er drehte auffällig seine erste Klassekarte in den Fingern und fnurrte:„ Einfach empörend erste Klasse wegen Blaz mangels dritter Selaffe eingesperrt. Muß mir passieren, dem größten Rittergutsbefizer in der Gegend."
Er schielte die paar Bauern an. Im selben Augenblick warf der Luftzug den ganzen Kohlenqualm von der Maschine ins Abteil. Der Baron riß fluchend das Fenster wieder hoch.
Die Frau, die mit dem Rücken nach der Fahrtrichtung saß, nahm sich ein Herz.
Sie wer'n entschuld'gen, wenn Sie gerne dahie sitzen. Sie bot ihm ihren Play an.
...
,, Dante, liebe Frau," sagte der Baron wohlwollend, bleiben Sie nur figen. Aber is's nich' empörend? Erster Klasse hab' ich und dritter muß ich fahren?"
Die Frau bekam Kurage." Ja, ja", meinte fie, so is's äh'm uff d'r Eisenbahn. Mir rutschen ja sonst vierter, aber was d'r Schnellzug: is, der hat feene vierte, und so müssen mir dritter fahren. M'r soll immer' s Billigste nehm'n. Wenn Sie vierter fahren, tost's Sic bloß den vierten Dheel und Sie kommen ooch nach Dresden ."
Der Baron fuhr auf, und da einer der Männer den Mund verzog, schnauzte er:„ Was giebt's denn da zu lachen!"
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Entschuldigen Sie, Herr Baron v. Schlachwig, aber ich ho'n nich gelacht," sagte der Mann.
Daß er sich gekannt wußte, stimmte den Heren wieder milder. „ Sie sind wohl aus der Gegend?" fragte er herablassend. Mir fein fleene Oekonomen," erklärte der Mann, mir ha'm in Freiberg ' n paar Schweine verkooft. Itt geht's wieder heem." Schweinehändler! Der Rittergutsbefizer zog die Nase noch höher. Aber er saß doch mal da und der Zug jagte dahin. Na, so mußte man eben gemütlich sein, das war am Ende das Beste. „ Na, da habt ihr ja nun die Tasche voll Geld, was?" Aber da kam er schön an. Die Männer lamentierten. In der
Herr v. Schfachwiz lehnte sich zurück, schlug die Arme übereinander und nahm eine gelehrte Miene an. Die Leute mußte man mal aufklären. So that man noch ein gutes Werk.
„ Lieben Leute", sagte er, ich bin ja schließlich auch bloß' n Bauer... im großen Maßstabe natürlich. Mir gehts nich' besser, mir, mit dem größten Rittergute in der ganzen Gegend. Man schindet sich, und für was? Für nichts."
Die Bauern sahen erst den Baron, dann sich einander mit großen Augen an. Der Junker v. Schkachwiz, der mehr auf der Eisenbahn als auf seinem Gute war und immer von einem Pferderennen zum andern fuhr, der schindete sich also.„ Ja, ja," sagten sie dann.
Der günstige Erfolg ermutigte den Baron und mit Zuversicht und Schneidigkeit setzte er sein Aufklärungswerk fort.
Daß für Schweine und Ninder die Verkaufspreise lange nicht hoch genug jeien, wäre leider wahr, aber auch fürs Getreide, für alles was der Landwirt baut, ge: vinnt und mästet, sei dasselbe der Fall. Das käme eben daher, daß die Industrie, die kloziges Geld verdient, die Agrarprodukte aus dem Auslande bezieht, und so die Preise drückt. Deshalb müßten die Auslandsprodukte eben durch bobe Zölle verdrängt werden, dann müßten die Städter dem einheimischen Landwirt zahlen, was er verlangt und so könnten wieder lohnende Preise für Schweine, Rinder, Getreide......
" Ich verloofe gar fee' Getreide", sagte der eine Bauer trocken. " Ich voch nich", sagte der andre. ,, Mei' bill' Hafer langt nich' für's Pferd, da muß' ch noch zukoofen un' was mei' bill Roggen un' Weizen is, den schaff' ch zum Müller, der liefert mir' s Jahr durch Brote dafür."
dreiste mehr für's Getreide rechnet, nachher rechnet er sich noch' s " Ei ja", sprach nun auch die Frau, und wenn der Müller ooch
Brot teurer. Wo bleibt nu' der Profit?"
Der Baron sah die Frau an." Na", sagte er dann, so verdient Ihr an den Marktprodukten desto mehr."
Aber die Frau schüttelte beharrlich den Kopf.„ Ich verkoofe blos Butter, un' Eier, Gemüse und Kartoffeln. Wenn's Brot teurer wird, wer'n fie's trocken essen, Butter, Eier un' Gemüse wird mir liegen blei'm, wenn's gar so tener is. Wo bleibt der Profit?" Na, zum Donnerwetter, aber Fleisch und Vieh?"
ooch's Jungvich teurer. Wenn mir die Mast verkooft ha'm, müssen Die Bauern wehrten ab.„ Wenn's Fleisch teurer wird, wird wir Jungvich koofen, un wenn mir ize' n paar Dhaler verdienen, legen mir nachh'r den ganzen Verdienst von der Mast beim Jungvieh druff." Und die Frau wiederholte hartnädig:" Wo bleibt der Profit?" und so eifrig sich der Baron bemühte, sie zu überzeugen, die Leute blieben verstockt.
Schaffner öffnete die Thüre und meldete:" Herr Baron, es is' ne Der Zug ratterte über die Weichen und hielt in Tharandt . Der Erschte frei geworden."
in Eurer dritten Klasse wohl sein, hähä." Der Baron erhob sich stramm.„ Na, Ihr Leute da, laßt's Euch
Uns wär' noch die vierte gut genug," meinten die Bauern. Recht so, daß Ihr bescheiden seid, aber Euren Profit müßt Ihr wahren. Denkt nach über das, was ich gesagt habe, dann merkt Ihr's bald, wo der Profit bleibt. Adieu."
Er ging stramm am Zug entlang auf die erste Klaffe zu. Plötz lich nahm sich die Bauernfrau ein Herz und schrie ihm nach:" Das wissen wir schon, wo der Profit bleibt. Wenn das durchgeht, daß alles teurer wird, da is' Euch Großen die erschte Klasse nich' mehr gut genug um' mir Kleenen in der vierten müssen überhaupt uff' den Lappen loofen!"
Aber der Baron blieb die Replik schuldig. Er warf sich in die roten Plüschpolster, streckte die Beine von sich und atmete auf. " Ah! Hier figt man wenigstens standesgemäß."
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Kleines Feuilleton.
E. R.
Die Zeit macht alles! Ein Mitarbeiter der„ Frankfurter Beitung", der dieser Tage die russische Grenze passierte, berichtet über ein Erlebnis, das er hatte, in folgendem Dialog:
Ort der Handlung: Eine russische Grenzstation; Zeit: Juni 1902.
Personen: Ein Passagier. Ein Gepäcksschaffner. Bassagier: Ja, aber wo ist denn mein Gepäck?" Schaffner:" Gepäck? Welches Gepäck?"
Bassagier:„ Mein Reisegepäd! Hier ist der Aufgabefchein." Schaffner: ,, Sie sind mit dem Schnellzug gekommen." Passagier: Ja."
Schaffner: No ja
"
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der nimmt nicht alles Gepäck mit."
Passagier:„ Aber zum Teufel: Das hätt' man mir fagen sollen! Ich brauch' es!"
Schaffner: Ja, das ist Ihre Schuld! Hätten mit dem Schaffner dort ein gutes Wort reden sollen. Hätten sagen sollen: