Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 132.
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Donnerstag, den 10. Juli.
( Nachdrud verboten.)
Der Manksmann.
1902
Ihnen langes Leben und Gesundheit beschieden sein, damit Sie Ihre Pflichten unsträflich und zur Ehre Ihres Landes erfüllen können."
Nachdem noch einige andre Reden gehalten worden, antwortete Philipp. Er sprach mit fester Stimme flar und gut. Eine Rüderinnerung an seinen Großvater rief Beifall hervor. Seine Bescheidenheit und sein natürliches Benehmen machten einen tiefen Eindruck." Der Gouverneur hat doch gar keine fo üble Wahl getroffen", raunte man sich zu.
Roman von Hall Caine . Autorisierte Uebersetzung. Jm nächsten Augenblick wurde der enge Eingang von einer mächtigen Gestalt verdunkelt. Eine schwere Hand legte sich auf Philipps Schulter und eine kräftige Stimme rief: Nachdem noch einige andre Geschäfte erledigt waren, brach Hallo, Chriftian, bin stolz. Sie zu sehen, mein Junge. die Versammlung auf und nun begannen sich die Zungen zu Sie haben den alten, lahmen Klepper überholt; ich wußte lösen. Draußen auf der Straße, während die Wagen ja längst, daß das so kommen würde. Ein bißchen ängstlich der Reihe nach vorfuhren, wurden Glückwünsche, Ein-nicht? Ihre Hände sind kalt wie Eis. Kommen Sie nur, ladungen und Ermahnungen wiederholt. Der Gouverneur man braucht sich darüber nicht aufzuregen."
Es war Philipps alter Lehrherr, der Kanzleidirektor; er faßte ihn unter und wollte ihn mit sich fortziehen; aber Philipp sah noch immer nach der Straße zurück und sagte stockend:" Sahen Sie vielleicht einen Mann, einen jungen Mann durch die Thür hinausgehen?"
,, Wann?"
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Als Sie eintraten."
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bat Philipp zum Mittagessen. Dieser entschuldigte sich jedoch damit, daß er versprochen habe, bei seiner Tante in Ballure zu speisen. Die Damen baten ihn, sich ja zu schonen und rieten ihm, sich einige Tage Erholung zu gönnen; der Kanzleidirektor aber, der wie ein Pfau hin und her stolzierte und die Miene eines Beschützers annahm, rief: Das kann er noch nicht, er hält morgen früh schon den ersten Gerichtstag in Ramsey... Ziehen Sie sich den Ueberrock an, Christian. Es wird eine fühle Fahrt werden. Wackere Männer sind selten."
Nicht daß ich wüßte," sagte der Kanzleidirektor zweifelhaft; dann schien ihm plötzlich ein Licht aufzugehen:„ Trug er einen runden Hut und eine lange, enganschließende Jacke?" Ein geschlossener Wagen fuhr endlich vor; auf dem ,, Mag sein ich weiß es kaum ich gab nicht darauf Rutschbocke saß Jem- y- Lord und Bete ging neben dem Pferde, acht." streichelte ihm den Hals und kraute es hinter den Ohren. Das wird wohl der Mann sein. Er hat mir den halben Morgen feine Ruhe gelassen, um Zutritt zu der Ratsversammlung zu erlangen. Sagte, er hätte Sie Zeit Ihres Lebens gekannt. Rauh wie ein Dornbusch und doch konnte ich's dem Burschen schließlich nicht abschlagen. Er muß aber schon drinnen sein."
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„ Es ist nichts," dachte Philipp. Wieder eine bloße Einbildung des müden Hirns. Jemmys Rede über mein verändertes Aussehen, mein Spiegelbild in den Ladenfenstern, die plötzliche Dunkelheit nach dem blendenden Sonnenlicht, das ist's und nichts weiter, nichts weiter. Schlaf, ich brauche
nur Schlaf."
Nachdem der Gouverneur seinen Sit eingenommen und Philipp den Stuhl zu seiner Linken angewiesen hatte, während der erste Deemster ihm zur Rechten saß, lief ein unwillfür liches Gemurmel durch den Saal, weil allen der sonderbare Gegensatz auffiel. Der eine Deemster war sehr alt, mit rundem, röflichbraunem Gesicht, raschen, leuchtenden Augen und einem behaglichen, noch jugendlich fröhlichen Ausdruck; der andre, sehr jung, hatte langgedehnte, blasse, strenge Züge, große Augen und ein altersmüdes Aussehen.
Philipp legte feine Bestallung vor; der Amtseid wurde ihm abgenommen. Nachdem er ein in Leder gebundenes, abgebrauchtes Exemplar des Neuen Testaments gefüßt hatte, wiederholte er die Worte des Gouverners mit heiserer Stimme und schwerer Zunge:
Bei diesem Buch und seinem heiligen Inhalt und bei den großen Werken, die Gott so wunderbar oben im Himmel und unten auf der Erde in sechs Tagen und sieben Nächten erschaffen hat, schwöre ich, Philipp Christian, daß ich ohne Rücksicht auf Gunst oder Freundschaft, Liebe oder Haß, Verlust oder Gewinn, Blutsverwandtschaft oder Verschwägerung, Neid oder Böswilligkeit, die Geseze dieser Insel handhaben will. Wie die Heringsgräte genau in der Mitte des Fisches liegt, so will ich die Rechte unsres Staatsoberhauptes, der Königin, und die Rechte ihrer Unterthanen auf dieser Insel samt den Ansprüchen aller streitenden Parteien genau abwägen und ohne Ansehen der Person richten."
Während Philipp diese Worte sprach, war er sich nur eines einzigen Gesichts in der Versammlung bewußt. Nicht der Gouverneur, der Bischof oder irgend ein andrer Würdenträger der Kirche oder des Staates fesselte seine Aufmerkjamfeit, sondern ein kräftiges, lebhaft erregtes, dunkles Gesicht, dessen schwarzen Kinnbart eine große braune Hand umfaßte: ein Gesicht mit sprühenden Augen, geöffneten Lippen und dem Ausdruck findischen Stolzes es war Petes Antlitz.
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Es bleibt mir nun nur noch übrig," sagte der Gouverneur, Euer Gnaden zu dem hohen Amte zu beglückwünschen, das es Ihrer Majestät gefallen hat, auf Sie zu übertragen. Möge
,, Ei sehen Sie, Christian," sagte der Kanzleidirektor,„ da ist ja der große Bursche selbst, von dem ich Ihnen sprach. Run, junger Mann," und er flopfte Bete auf den Rücken, haben Sie Ihren Deemster den Eid ablegen hören?" „ Es ist mein Vetter," sagte Philipp.
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,, Better! Wirklich!... da ist er vielleicht... Ach ja, natürlich, gewiß... Der gute Mann stotterte und stockte, als ihm die Heirat von Philipps Vater einfiel. Er öffnete den Kutschenschlag, damit Philipp einsteigen sollte, aber Philipp sagte:
Bete der Aufforderung. Als Philipp neben ihm Plak nahm, " Steig ein, Pete," und mit verschämtem Gesicht folgte entstand ein Geflüster unter den Umstehenden.
Nun, wie Sie wollen; guten Tag, mein Junge, guten Tag," rief der Kanzleidirektor und schlug die Wagenthür zu. Der Wagen sette sich in Bewegung.
Guten Tag, Euer Gnaden," schrien mehrere Stimmen aus der Menge. Philipp grüßte. Die Männer schwenkten die Hüte und von den Mädchen und Frauen trocknete sich manche die Augen. XIV.
Während Pete und Philipp auf der Straße nach Douglas dahin fuhren, saß Räthe mit dem Kind auf dem Schoße vor dem Feuer im Ulmenhaus. Ihre Augen schweiften unruhig umher, ihr ganzes Wesen war ruhelos. Von Zeit zu Zeit sah sie durchs Fenster. Hinter dem Hause war es noch taghell, weil die Strahlen der untergehenden Sonne in den durchsichtigen Blättern des Frühlingsgrüns fchimmerten.
,, Möchtest Du nicht den Festzug heut abend sehen, Nancy ?" fragte Käthe.
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Ach, ich brenne drauf", sagte Nanch. Doch will ich nicht um Erlaubnis bitten. Sorge für mein großes und mein Kleines Mädchen, hat er gesagt."
,, Du kannst gehen; ich will auf das Kind achten", sagte
Räthe.
" Doch der Mann selbst, Frau; er wird so hungrig sein wie ein Wolf, wenn er heimkommt."
" Ich will auch für sein Abendessen sorgen. Nimm nur den Schlüssel mit, damit Du Dir selbst aufschließen kannst und sei um halb acht wieder zurück."
Nancy lief wie ein Wiesel in der Küche umher, füllte den Kessel, zündete die Lampe an und legte die Nachtkleider des Kindes zurecht. Käthe beobachtete sie und sah nach der Uhr. War die Stadt ruhig, als Du nach dem Schinken gingst, Nancy ?" fragte sie.
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,, Ganz ruhig," sagte Nancy, wer nicht auf den Quai hinaus mußte, war schon auf der Straße nach Lezayre unterwegs."