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falls brüllte: Ruhe Nuhe! Absolute Ruhe will ich haben!" gelitten unter uns. Da er außerdem notorisch das dimmste und erst dann huschte ein Lächeln der Befriedigung über des Lehrers unbefangenfte Gesicht mit dem feinsten Instinkt für immer neue Büge und feine Lippen öffneten sich zu dem ewig wiederholten Nuancen unfres Its machen konnte, so war er meistens Hirte der Worten: So ist's gut, so will ich's haben" Blählämmer". Forst liebte ihn, da er seine Gerissenheit nie durch­schaute.

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Einmal hatte Forst einen alten Wecker zum Vater dieser Hoff­mungsvollen Pflanze getragen, damit er repariert werde. Das Ding war prompt zurückgebracht, ohne natürlich besser zu funktionieren und mehrfach hatte Forst seinen Liebling beauftragt, ihm die Rechnung über die Reparatur von seinem Vater mitzubringen. Dies

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Einmal war selbst uns abgebrühten Sündern die Sache durch lange Wiederholung langweilig geworden. Wir hielten großen Kriegsrat und beschlossen, uns einmal alle als Blähläummer zu be­nehmen. Keine Fallen wurden aufgestellt, teine Schnapsflasche auf gehängt, sogar der Ofenschirm blieb an seinem Plaze und der Erste Ser Klasse schloß behutsam den Klassenschrank. Still und gefittet faßen wir auf unsren Blägen, als Forst die Thür aufriß und wie die Vorgeschichte. gewöhnlich sein energisches Ruhe! Nube! Ebsolute Ruhe will ich haben!" ertönen ließ. Ja, Ruhe hatte er. Einen ängstlichen, erivartungsvollen Blick warf er auf uns, dann suchten seine Augen, wie traumverloren, die berühmte" Dorstflasche", suchten die Tinten flecke auf dem Sessel und die greulichen Worte an der Wandtafel. Aber nichts, nichts war zu sehen. Untadelig schwarz erglänzte die Tafel und heiter blickte das behäbige Geficht des Landesherrn von der Wand.

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Da packte entseglicher Grimm unfren Forst, wie ein rasender Ajar rannte er durchs Zimmer, schleuderte seinen Cafar mitten unter uns und schrie: Das lasse ich mir nicht gefallen! Das ist eine elende Verschwörung! Das ist ein gemeiner Bubenstreich!

Ein geradezu infernalisches Geheul verschaffte ihm Erleichterung: diesmal bildeten wir alle den Chor der Nauhbeine.

Wenn Forst die Nacht durchgebracht hatte, verschmähte er es, feiner glasig- triben Augen wegen, in das Lehrerzimmer zu gehen und dort seine Garderobe abzulegen. Dann tam er immer gleich zu uns. An solchen Tagen wurde er immer ganz besonders feierlich empfangen. Die ganze Klasse stürzte auf ihn los, um ihm den Ueberzieher und den Hut abzunehmen, und heroische Ringkämpfe entspannen sich um diese Objekte. Nur drei oder vier Grunzer" stellten sich dann seitwärts auf und protestierten im Namen der Menschheit gegen den überhand nehmenden Sklavenfinn der Jugend.

Eines Morgens hatte Forst noch eilig vor Beginn dieser turbu Tenten Scene sein Halstuch in die Tasche des Ueberziehers gepfropft. Im Eifer des Kampfes wäre dieser Umstand fast übersehen worden, wenn nicht einer der Grunzer ihn bemerkt hätte. Kaum hatte am Schluß der Stunde Forst das Lokal verlassen, als dieser Biedere mit grinsendem Gesicht aus den Tiefen des Forstschen Ueberzieherfutters die Tasche war natürlich zerrissen das Halstuch" hervor zauberte. Das heißt: ein Halstuch war es eigentlich nicht, sondern es war ein weißer Strumpf, dem der Fuß abgetrennt war. Forst batte ihn nur in Ermangelung eines Halstuches umgebunden. Starres Staunen ringsum: so etwas war noch nicht dagewesen! Hurra! Ein Strumpf!" Natürlich von Dorsten seiner Haus­hälterin!"" Bravo , bravo, ein Strumpf von der Haushälterin, von Eurykleias zimperlichen Beinen!" so schrie alles durcheinander, und dabei wanderte die Sehenswürdigkeit von einer Hand in die andre. Da aber zupfte einer an dem Werke Hausmütterlicher Strick er riebelte auf," ein andrer riebelte weiter und nach einer Minute wanderte ein- Bündel Wollfäden in die Tiefen des Ueberzieherfutters zurüd.

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Kaum hatte die nächste Stunde geendet, als wir auf Forst zu stürzten, um ihm beim Anziehen behilflich zu sein. Schon wollte der Unglückliche die Klasse verlassen, als ihm jener scharfsichtige Grunzer" zurief:" Herr Forst, vergessen Sie Ihr Halstuch nicht!" Na, der Blick, als Forst die traurigen lleberbleibfel des weißen Strumpfes hervorholte, um dann, wie von Furien gepeitscht, der Stätte des Schreckens zu entfliehen.

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Um sich von Zeit zu Zeit das Gefühl überlegener Kraft wenig­stens in seiner Juufion zu erzeugen, hatte Forst sich eine besondere Art von Bestrafung zurechtgelegt. Wenn er so unter uns trat, um fürchterlich Musterung zu halten, dann wappnete er sein Herz mit fiebenfachem Kernholz. Alles, was seine Bhantasie nur erfinnen konnte, drohte er uns an: den wollte er aus dem Fenster werfen, jenen am Röstfeuer langsam zu Tode braten, den dritten von einem wilden Pferde schleifen lassen, und so fort ins Unendliche. Wer so zerschmettert" worden war, pflegte zum Schluß der Stunde eine große Mitleidskomödie aufzuführen. Hochaufgerichtet, wie ein römischer Imperator auf seinem Triumphwagen, stand dann Forst, angethan mit der ganzen Würde seines Amtes auf dem Katheder und ließ gnävig die Bußfertigen an die Stufen seines Thrones treten, um ihnen nach längerem Parlamentieren zu erklären, daß er , für diesmal" noch von der Strafe des Scheiterhaufens Abstand nehmen wolle. Jubelgebrüll. Würdevoller Abmarsch. Protest der Grunzer", die die Gnade für das Merkmal schmählicher Ver­weichlichung erklärten. Allgemeiner Gänsemarsch hinter unfrem lieben Dorst her.

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Um mal wieder etwas Neues zu probieren, hatte Otto, so hieß das Uhrmacherföhnchen, bald darauf eine Tasche voll Knallerbsen mitgebracht, die wir mit Geschick und Eifer während des Unter­richts" explodieren ließen. Forst zeigte relativ wenig Verständnis für unfren neuen Sport und schivur daher, als er sogar seinen lieben Otto beim Hantieren mit den Wurfgeschossen ertappt hatte, er werde ein Exempel statuieren:" Du nichtsmußiger, bombenfchmeißender Anarchist", so fuhr er ihn an, ich werde Dich windelweich prügeln- am Ende der Stunde."

Nun, das Ende der Stunde fam. Rasch sprang Forst aufs Katheder, setzte sich in Positur und erwartete den Kanossagang des lebelthäters. Aber Otto that, als merke er gar nichts. Er sammelte die übrig gebliebenen Knallerbsen ein und verwahrte sie sorgsam in seiner Federbüchse. Dann wandte er sich eifrig seinem Butterbrote Zil. Sprachlos vor Erstannen über dieses stoische Verhalten rief endlich Forst ihn an: Aber Otto, Otto, hast Du mir denn gar nichts zu sagen? Hast Du mir denn wirklich nichts zu sagen?" Backen tauend, " O doch, Herr Forst", antwortete ihm der Frechdachs, mit vollen Ihr Wecker kostet eine Mark fuffzig!"

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Jahre waren ins Land gegangen. Auch aus Schlingeln waren Männer geworden. Mancher von ihnen ist mir sogar ein treuer Kamerad geblieben auch dort, wo es etwas andres galt als Dumm­heiten zu vollbringen. Oftmals hatten wir uns wohl von der Tragikomödie moderner Erziehungskunst" auf deutschen Gymnasien unterhalten und uns gelobt, unser Bestes daran zu segen, eine Aenderung auch solcher Zustände mit vorbereiten zu helfen. Nicht der Jugend die Jugendlust zu unterbinden, sondern sie so zu er ziehen, daß sie auch im Uebermute den wahren, echten Mut sich wahrt, der eine feste Gesinnung und die Achtung vor den Schranken der Sittlichkeit mit umfaßt, das ist unser Biel geworden. So war ich, ein andrer im Denken, Fühlen und Handeln, einmal wieder in meine alte Gymnasialstadt eingekehrt.

Abends traf ich auch Forst beim Bier. Ich hatte gehört, daß er jetzt die Quinta regierte, da es in der Tertia doch nicht mehr hatte gehen gewollt. Mir that der wunderliche Philologe, dieses Opfer unfrer eigenen Scheusäligkeit leid. Ich trat an seinen Tisch und be­grüßte ihn. Sofort erkannte er mich und lud mich eifrig zum Sigen ein. Na, haben Sie Ihren alten Lehrer noch nicht vergessen", so be­gain er; ja, ja, mein Lieber, es war eine strenge Schule, in der ich Sie gezogen habe, aber hoffentlich hat sie gut gewirkt. Ich weiß, ich habe mit eiserner Strenge unter den damaligen Tertiauern ge­wirkt, aber es ging nicht anders. Der Ernst der Sache forderte es. Sie haben wohl gehört, daß ich jetzt in der Quinta unter­richte? Ja, so geht's, wenn man zu ich streng ist war 811 energisch, zu spartanisch für die Tertia; jetzt erschlaffen die Knaben, die dort sizen... Man wagt gar nicht mehr zu strafen... Ha, da war ich doch anders nicht wahr?"

Er hatte sich ganz in Eifer hineingeredet und trank hastig. Was sollte ich dem bemitleidenswerten Manne sagen? Ich leistete ihm Gesellschaft und hörte geduldig seine Renommiftereien Stunden, bis ich den schwer Berauschten nach Hause brachte, diesen an. Ich merkte, ihm that das wohl. Ich büßte etwas ab in diesen Kinderspott, der, an falsche Stelle gestellt, auch ein armseliges Opfer unsrer herrlichen Ordnung" ward.­

Kleines Feuilleton.

- Ueber gesundheitsschädliche Wirkung der Grundwasser­schwankungen veröffentlicht Baurat Moormann- Hildesheim im Centralblatt der Bauverwaltung" einen längeren Artikel, dem wir folgendes entnehmen: M. v. Bettenkofer hat den unzweifelhaften Nachweis geführt, daß die Typhus - und Cholerahäufigkeit sich uns mittelbar abhängig von den Grundwasserschwankungen zeigte. Als Erklärung dieser Erscheinung nimmt man in ärztlichen Kreisen an, daß die Grundwasserschwankungen entweder die Entwicklung der be­treffenden Krankheitserreger im Boden unmittelbar beeinflussen oder aber daß lettere durch die Borenströme, die infolge der Haarröhrchen­traft im Boden hervorgerufen werden, bei wechselndem Grundwasser­stande besonders reichlich an die Oberfläche angeschwemmt und von dort auf den Menschen übertragen werden. Die Sache scheint aber oft wesentlich einfacher zu liegen, wie ich dies fürzlich zu beobachten Wir hatten in unsrer Klasse einen fleinen, schmächtigen Uhr- Gelegenheit hatte. Bei einem aus der Mitte des vorigen Jahr­macherssohn. Weil er, sehr geschickt in mechanischen Arbeiten, immer hunderts stammenden Gerichtsgebäude waren in der Familie des für die nötigen Lärminstrumente, Spieluhren und dergleichen für jeweiligen Gerichtsdieners schon wiederholt Typhuserkrankungen uns durchaus unentbehrliche Gegenstände sorgte, war er sehr wohl beobachtet worden. Das gleiche trat auch in diesem Frühjahr ein.

Bedenklich wurde die Sache, wenn einer, aufgestachelt durch er­barmungslose Grunzer, auf sofortiger Exekution bestand. Da tam Forst häufig in die schwierigsten Situationen, die manchmal nach Schluß der Pause noch nicht geklärt waren. Aber die beste Geschichte ereignete sich einmal so: