Ueber Hecken, Bach und Graben #Schreiten, trippeln, schwenken, traben, 26 Stillsteh'n plötzlich ohne Ruck;

ni ods!

Und an mir vorbei mit allen Gluten

Rauscht das Leben, wie des Stromes Fluten Dort am Brüdennepomut."

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denfenden Menschen unvermeidlich herantritt, schwerer als die meisten andern: so zunächst die Auseinandersetzung mit den religiösen Dingen. Seit ihm die katholische Frömmigkeit seiner Kinderjahre abhanden gekommen war, hat ihn fortgesezt die Frage nach Sinn und Be­deutung von Weltall   und Menschenleben gemartert, ohne daß er zu einem festen Standpunkt zu gelangen vermochte. Der Atheismus Mit ebenso gutem Grunde, wie die Sammlungen seiner kleineren war nichts für ihn, mit dem Pantheismus versuchte er es- im Geistestinder, ließ Lenau   seine größeren epischen Dichtungen", in" Faust" vergeblich, den Weg zu einem pofitiven, aber freiheit. denen übrigens auch das lyrische Element bei weitem überwiegt, Erfolg, und beim refignierten Haltmachen vor dem Unerforschlichen lichen Christentum im, Savonarola  " außerhalb der östreichischen Grenzpfähle drucken. Denn wie in dem" Savonarola  "( 1838) die polizeiwidrigsten Ideen zum Ausdruck vermochte er sich nicht zu beruhigen. Aber die reine Stepfis, gelangen, so tragen auch Die Albigenser"( 1842) ihren Unter- in der er sein Leben lang steden blieb, hätte zweifellos nicht solche titel Freie Dichtungen" nicht allein nach der formellen Seite mit Verwüstungen in seinem Inneren anrichten können, vollem Recht. In den melodischen Strophen des Savonarola  " ver- hätte, wenn er in innigere Beziehungen zur Welt der Wirk­wenn er weniger Zeit zu unfruchtbarem Grübeln gehabi Herrlicht Lenau   jenen Florentiner Mönch, der zu Ende des 15. Jahrlichkeit

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betrat er ohne dauernder

hunderts bei dem Versuche, im Widerstreit mit Medicäern, Adel und lichkeit getreten wäre. Das war sein größtes Unglück, daß er nie­Hierarchie eine radikale Demokratie am Arno zu begründen, den mals eine geregelte Thätigkeit gehabt hat, die ihn in Anspruch Fenertod erlitt. Es war, wie Lenan selbst mit stolzer Freude über genommen hätte. Er hat Philosophie studiert, Jurisprudenz, Land­den Eindruck des Wertes fagte: ein Gericht gegen den verstockten wirtschaft, Medizin; bei keinem von diesen Berufen hielt er es aus Absolutismus meines Vaterlandes". Savonarolas Rede für die Re- und fand auch sonst keinen passenden Wirkungskreis. Das erklärt publik in dem Sang über den Tod Lorenzos des Erlauchten, um sich teils daraus, daß die Wissenschaften den hochfliegenden An­nur eins herauszugreifen, hätte den Wiener   Censoren Ohnmachts- forderungen, die er an sie stellte, nicht genügten, teils und vor allem anfälle zugezogen. Nun gar in den düsteren Bildern aus dem un- deffen jeder selbständigen Regung feindlicher Despotismus einem so aus den unglücklichen politischen Verhältnissen seines Vaterlandes, glücklichen Freiheitstampfe der Albigenser im 13. Jahrhundert zeigt freien Geiste wie Lenau teinen Raum zu angemessener Bethätigung der Dichter schon in der Einleitung den demokratischen Pferdefuß, im praktischen Leben ließ. Hieraus ist auch Lenaus zeitweilige Aus daß es den Tyrannenfragen" gelte: wanderung nach Amerika   zu begreifen, wo er bessere Verhältnisse zi finden hoffte: tisk pa " Du neue Welt, du freie Welt, An deren blütenreichem Strand, Die Flut der Tyrannei zerschellt, Ich grüße dich, mein Vaterland!"

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Millionen wunde Herzen seh ich bluten, So viel Thränenströme seh' ich fluten,

Von frecher Willtür weit die Welt zerrüttet,

Der Menschheit Freudenschlösser rings verschüttet..."

Und am Schluß zieht der Dichter das Facit in den unzweideutigen Bersen:

lomus

od

d

Das Licht vom Himmel läßt sich nicht versprengen, Noch läßt der Sonnenaufgang fich verhängen

d) Mit Purpurmänteln oder dunkeln Kutten; Den Albigensern folgen die Hussiten

und zahlen blutig heim, was jene litten; Nach Huß und Ziska kommen Luther  , Hutten, пізнсарин Die dreißig Jahre, die Cevennenstreiter, This Die Stürmier der Bastille, und so weiter."

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Sein Jdealismus aber fühlte sich von dem nüchternen Geschäfts finn der Yankees angeekelt, und so fehrte er schon nach einem Jahre ( 1833) mit einem Steinwurf auf die verschweinten, nicht vereinten amerikanischen   Staaten" nach Deutschland   zurüd, um eine Ent täuschung reicher.

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Hier lebte er nun teils von einer Erbschaft, teils von den Erträgnissen seiner vielgelesenen Gedichte in der alten Weise weiter, und der Niß in seinem Inneren flaffte immer weiter. Dahin wirkten nun auch als bedeutsamer Faktor seine unglücklichen Liebesverhältnisse. Schon seine erste Liebe zu jener untreuen, Bertha", Als die mit dem vielsagenden Undsoweiter" prophezeiten Er- der so manches prächtige Gedicht gilt, hinferließ einen dauernden eignisse endlich eintraten, lebte Lenau   zwar noch aber als lebendige Stachel in seinem Herzen. Und aus jeder neuen Beziehung zum Leiche, in die Nacht des Wahnsinns versunken. Hätte er den Sturm Weibe ging er mit einer neuen Wunde hervor, die nicht heilte. Am von 48 noch wachen Geistes erlebt, so hätte das seine Rettung vor zerrüttendsten wohl wirkte sein langjähriges Verhältnis zu der ver­dem bejammernswürdigen Geschick werden können, das seinen heirateten Sophie Löwenthal, die er leidenschaftlich liebte, während Genius vor der Zeit erstickte, das seine Schatten aber schon lange sie ihm bloß Freundin sein wollte, aber andrerseits mit unverkenn vor dem wirklichen Eintreten vorausgeworfen und Lenau   immer barer Eifersucht auf ihn Beschlag legte. Er hielt auch dann noch schon verhindert hatte, der Sache der Freiheit das zu fest an ihr, als er sich 1844- mit einem jungen Mädchen werden, was er ihr unter günstigeren Verhältnissen hätte aus Frankfurt   a. M. verlobt hatte. Die daraus resultierende werden fönnen. Gewiß ist die herkömmliche Aufzählung Seelenpein verbunden mit seinem Mangel an einer gesicherten Lenaus unter den politischen Lyrikern der vormärzlichen Zeit be- Existenz, mit den alten weltschmerzlichen Grübeleien und rechtigt: er ist sogar der bedeutendste östreichischer Herkunft. Aber in einer nervenzerrättenden Lebensweise) gaben dem Dichter den seinen gesammelten Werken nimmt das politische Element nur einen Nest: im Oftober 1844 überfiel ihn in Stuttgart  , nachdem ein verhältnismäßig geringen Raum ein gegenüber ganz andren Stoffen. Nervenschlag vorangegangen war, der Wahnsinn. Man schaffte ihn Selbst im Savonarola  " und den Albigensern" tritt es zurück nach Winnenthal, später in die Jrrenanstalt von Ober- Döbling   bet hinter religiös- metaphysischen Grübeleien, die dritte unter Lenaus Wien  . Deren Leiter, Lenaus Freund Dr. Görgen, hatte den Dichter vollendeten größeren lyrisch- epischen Dichtungen, der" Faust", be- in gefunden Tagen einmal eingeladen, die Anstalt zu betreten, aber handelt fast ausschließlich solche Fragen, wie sie sich dem zerrissenen der Dichter hatte ahnungsvoll, wie ihm denn oft das Gräßliche ges Innenleben des Dichters darstellten, und vollends in den kleineren schwant hat, geantwortet: Nein, nein, durchaus nicht! Ihr kriegt Gedichten giebt der Weltschmerz, die Verzweiflung über die Unlösbar- mich vielleicht ohnedies noch früh genug hinein!" keit der Welträtsel, die Klage über das entschwundene Glück und den berlorenen Seelenfrieden der Jugendzeit, schließlich das unerschöpfliche Thema der unglücklichen Liebe den Grundton an. Ein Blick auf die persönlichen Lebensumstände des Dichters ist notwendig, um zu be= greifen, wie es dazu kam, daß der mit so warmem Herzen für alle Unterdrückten fühlende Lenau   doch wieder so haltlos hin- und her­schwankte, daß er schon im Alter von dreißig Jahren es einmal für völlig gleichgültig erklärte, ob man zum Wohle der Menschheit thätig oder ein teuflischer Verbrecher sei; alles menschliche Thun und Treiben

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" Ist just so wichtig, als: ob nur im Kreise Einförmig stets das Aufgußtierchen sch: vimmt, Ob es vielleicht nach rechts die große Reise, Vielleicht nach links im Tropfen unternimmt." Noch kurz vor der Katastrophe entringt sich seinem gequälten Herzen der verzweiflungsvolle Aufschrei:

,' s ist eitel nichts, wohin mein Aug' ich hefte 1" Ein schwermütiges Temperament war Lenau   angeboren: Du geleitest mich durchs Leben,

Sinnende Melancholie!

Mag mein Stern sich strahlend heben, Mag er stufenweichest nie!"

Sie muß ivohl als ein mütterliches Erbteil gelten, und, da seine Mutter sonst ein leichtgläubiges Wesen war, auf den Umstaud zurückgeführt werden, daß sie in der Zeit, bevor Lenau   geboren wurde, den Schmerz er lebte, ihren Mann bei einem Att offenkundiger Untreue zu ertappen. Jeden­falls, ihr geliebter und verzogener Sohn Niti nahm alles, was an den

Die Krankheit war unheilbar, und es blieb dem Armen die Erfüllung jener Wünsche versagt, die er einmal so geäußert hat: Drei Dinge hätt' ich gern vollbracht: Gestanden einmal in der Schlacht,

Ein holdes Weib als Braut umschlungen, fur Ein Söhnlein froh im Arm geschwungen."

Was man auch sonst von jenem ersten Wunsch halten mag, er hätte Lenau   bei seiner heißen Liebe für die Freiheit auf die Schlachtfelder von Ungarn   oder die Oktoberbarrikaden von Wien   geführt, wenn der Dichter als gesunder Mann die Revolutionszeit erlebt hätte. So dämmerte er während der bewegten Zeit ein tierisches Dasein in der Irrenanstalt von Ober- Döbling   hin, deren Abgeschiedenheit von dem Entscheidungskampfe zwischen der Wiener   Demokratie, und den Horden des Fürsten Windischgräß weiter nichts zu verspüren bekam, als daß eine verirrte Kanonenkugel in das Gefängnis der lebendigen Toten einschlug. Erst beinahe zwei Jahre später, am 22. August 1850, erbarmte fich der Tod über den wahnsinnigen Dichter. Seine Werke haben ihn überlebt. So vieles darin gehört zu dem besten, was die deutsche Litteratur auf dem Gebiete der Lyrik befizt: seine Schilf, Wald- und Meereslieder, seine prächtigen Stimmungs­bilder aus der Pußta   und vieles andre. Und die Nach

*) Unmäßiger Genuß von Tabak und Kaffee, dazu ein bes ständiges Hin- und Herreifen. Bald haufte er in Wien  , bald in Jfchl, bald und mit Vorliebe bei seinen Freunden, den schwäbischen Dichtern, in Stuttgart  . Allein in zwei Sommermonaten des Jahres 1844, also kurz vor der Katastrophe, hat Lenau   644 Poststunden im Eil­wagen zurückgelegt!