Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 179. angi

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Die Stadt.

Sonntag, den 14. September.

( Nachdrud verboten.)

Roman von Nicolaus Krauß.

Herr Nitschelwißer ist verlobt?" fragte Lene erstaunt. Softfrau, und wie!... Hier hat er eine und daheim eine Bauerntochter. Aber die Egrische heiratet er nicht, hat er g'sagt. Die ist nur die Ausgehbraut... Männer, habt's den Professor Botter g'sehen? Der streicht schon seit heute mittag herum... auf allen Wegen im Wald. Zwei kleine Schiveinderln" soll er schon beim Rauchen erwischt haben. Die sind morgen angezeigt, wie's Amen im Gebet..." Den Frik habt Ihr nicht gesehen?" Sofort erhielt Lene zur Antwort: Aber ja! Der hat's heute noch feiner gegeben als An einem der weißgedeckten Tische vorne am Hause, bei den Herrschaften ist er gesessen und hat Kaffee ge­trunken, mit der Frau Von, natürlich, und noch einer andren Madam' und dem jungen Glazköpfigen draußen aus der Bank..." Mit Frau von Bartelnus?"

sonst.

" Ja, Kostfrau, ja! Natürlich!... Aber er ist schon fort! Schon vor einer Viertelstunde sind sie alle miteinander in einen Wagen gestiegen...

Die alte Frau Berger erhob sich.

" Dann müssen wir halt auch gehen, Annerl!... Sie schimpft fonft..." Lene schüttelte den Kopf. Also deshalb hatte er sich so früh gedrückt? Und er hatte ihr nichte davon gesagt?... Sie hatten ihn überall gern, weil er so schön Piano spielen konnte, auch die Frau Hauptmann hatte ihn schon einigemal hinunterbitten lassen... Jedesmal hatte er gefragt und dann erzählt, wie die Gesellschaft ge­wesen... Nein, aber das, heute!... Das schickte sich nicht! Unter feinen Umständen! Was sie nur denken mochte, diese. So einen jungen Burschen!.. Ihr Blick fiel auf das Kleine, das traurig dasaß. Und sofort regte sich in ihr das mütterliche Gefühl, das sie von Anfang an dem Verwaisten entgegengebracht.

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Möchtest halt am liebsten auch mitgehen?... Ja?... So geh' mur, geht mit der Großmutter!... Aber paßt im Walde gut auf! Weißt d', Kleines, die Wurzeln, da stolpert

man leicht."

Die beiden Kinder faßten einander an der Hand und schritten vor der alten Frau einher. Für sie war der Tag

voll des Glückes gewesen.-

Vogt hatte das Stück Zeitung betrachtet, in dem er die Würste gebracht. Plötzlich stellte er sich in Pofitur und frähte mit der ganzen Würde des städtischen Austrommlers: Zur Aufklärung.

slim Nach eingehender Untersuchung wurde festgestellt:

Der Esel, der vorgestern auf dem Markte den Auflauf

verursachte, ist nicht wütend. Er ist sonst ein guter und ein braver Esel. Nur etwas jung. Vorgestern war er schwer gereizt worden. Der Thäter wird sich die Folgen nur selbst zuzuschreiben haben. Man ist ihm auf der Spur.

Der amtierende Stadtrat.

Lene hatte versucht, dem Ausgelassenen das Papier weg­zureißen. Vogt aber drehte sich im Streise und schrie wie ein Bahnbrecher. Als er geendet, brüllte die ganze Nachbarschaft: Bravo  , Esel!"

" Junger Efel!... Guter Efel!.. Stadrat- Esel, sie sind dir auf der Spur!

A

Lene eilte ins Freie. Hinter ihr her ihre Kostgänger. Vom Musikpavillon tam ein Hornsignal.

Das erste Zeichen!..." that der Mazz wichtig. In einer halben Stunde geht's los.. das Gehen!..." ste Lene drängte sich mit ihren Studenten durch die sitzenden und trinkenden, promenierenden und plaudernden Menschen­gruppen. Der Bratwurstdampf hatte etwas nachgelassen, aus dem Bayreuther   Winkel strich ein frischer Wind herein und wehte Rauch, Dunst und Brodem dem Egerthale zu.

Mütter schrieen nach ihren Kindern. Die Väter stolperten heran.

..Hat's epper was?"

Als sie erfuhren, daß es sich nur um die Kleinen handelte, zogen sie sich aufatmend zu ihren Kumpanen zurück.

1902

Einem Schüßen, dessen Knie im rechten Winkel standen und dessen herabhängender Schnurrbart nur so triefte, wurde bor versammeltem Volke von seiner Eheliebsten das Bohnen­lied gesungen.

Aber Kath!!" Und drei Schlucker, dann ergab sich der unglückliche in ſein Schicksal, das ihn für heute zu ewigem

Durst verdammte.

Die Honoratiorentische waren fast leer. Auf einem stand noch ein halbvolles Wasserglas. Einige Buben drängelten sich den Stühlen entlang. Und Lene Hörte, wie der eine maulte:

Müssen große Herren gewesen sein; sie haben Wasser gefoffen!..

Vor dem Saal, in dem sonst getanzt wurde, standen die Gewehre in Pyramiden zusammengestellt. Die Patronen­taschen Tagen zwischen den Kolben. Vor den Waffen schritten zwei Schüßen mit gezogenen Säbeln auf und ab. Hinter dem Wirtshause war es etwas ruhiger. Jung­volt und Frauen lagen im Grase und blickten nach dem Kirchlein und dem Armenhause hinüber, vor dessen Thür alte Männer und Frauen auf Holzbänken saßen und vor sich hin­Hier traf Lene die Bäckersfrau wieder. Die war ganz unglücklich.

dämmerten.

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Sie müssen schon entschuldigen, Frau Försterin, wenn morgen das Gebäck nicht so ist, wie's sein sollte. Aber er hat g'sagt:" Heut bin ich Schützen- Feldwebel, und Du hast mir gar nichts zu befehlen!.. Wenn's ihm nur noch gut thäte!..." Sie fant wieder ins Gras zurück. Bei den Küchenfenstern blieb der Mazz stehen und schnupperte.

" Hätt' auch zu abend da bleiben können!... Mein Doktor hat mich eingeladen... Hätte sicher Schweinernes

friegt.

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" Jessas, Jessas, Jessas! So ein Tauben- Zipfel und so­viel Glück!" Der Lehrerssohn trommelte dem Doppelstudenten" mit beiden Fäusten auf den Rücken. Vogt!... Matz!"

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Auf dem Wege war ein Wagen vorgefahren. Zur Hinter­thür heraus trat ein Herr in Schüßenuniform, dem der Mit drei Schritten war er ani Wagen. Hoch!" schrieen die Buben. Der Schüßen­schlohweiße Bart zur Bruft sich wellte. major und Bürgermeister dankte. Als die beiden Rappen an 80gen, erklang auf dem Armenhause die Abendglocke. Die alten Leute erhoben sich und schritten ins Haus.

Lene kam ein Frösteln an. Sie blickte auf. Hinter Sanct Anna war die Sonne in einer Wolfenvaid versunken. Zum erstenmal, seit er seine Kostfrau getroffen, that jett der Netsch seinen Mund auf.

Kostfrau, haben S' schon g'sehen? Gelbe Kirschen!..." Er wies nach dem Querweg, der von dem Wirtshaus nach der Chaussee führte. Und alle gingen ein paar Schritte vor, bis zum ersten Baume. Buben kamen ihnen nach und junges Volt, und sie alle schauten und starrten zu den Kirschen empor, die vor Ueberreise schon Sprünge bekommen hatten; manche leckten sich die Lippen, und da und dort stieg ein Seufzer empor.

Die schwarze Wand hinter Sanct Anna war schnell empor­gerückt. Der Wind bauschte schon die weißen Tücher der Honoratiorentische.

Da ertönte das zweite Signal und gleich darauf das dritte.

Und sofort begann das Gedränge nach der Kirschenallee. Nach zehn Minuten kamen endlich die Schützen. Voran die Musik. Sie versuchte einen flotten Marsch. Das Publikum schloß sich, ohne einen Zwischenrmm zu lassen, an die Vierer­reihen der Bewaffneten. Der Weg konnte die nachdrängende Menge nicht fassen; man sprang über Kartoffeläcker, lief über Raine, manch einer mußte die Erfahrung machen, daß ein ausgewachsener Kirschbaum nicht auf eins, zwei über den Haufen zu rennen sei. Auf der Chaussee löste sich der zu­fammengepreßte Schwarm, die Musik schwieg, das eigentliche Marschieren hatte ein Ende.

Lene war von ihren Studenten gleich hinter den Schüßen mitgerissen worden. Im Anfang empfand sie dieses Drängen,