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Life schlug sich mit beiden Händen auf's Knie. Peut!... Leut!. Leut!... Ich sag's ja... Bis so ein Stadtrat g'scheit wird, ist er jedesmal schon wieder ab ' jekt... Da hätten sie ja die Toten auf dem Friedhof auch aufschreiben können!... Die können auch net mehr lesen und schreiben...

Lene wandte sich zum Ofen. Sie konnte das Lachen nicht mehr verbeißen. Der Alte hatte seine Strafe redlich verdient, aber leid that er ihr doch. Einmischen wollte sie sich nicht; das hätte die Lise noch rabiater gemacht.

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Einige Minuten war es still.

Da biß die Lise den Faden ab und sagte: So!... Fertig!"

Der Stadt- Seff wollte zugreifen.

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Sie legte schnell beide Arme über den Rock. Halt!.. Noch eins!... Wenn Euer Stadtrat den amt- ir- en- den- mein ich- glaubt, den egrischen Taglöhnerweibern das Strenholen aus dem Wald verbieten zu können, dann hat er einen starken Glauben und kann sich als heiliger Christophorus an der Pfarrkirchen abmalen 3. lassen... Wir brauchen die Dangeln zum Mist und den auf die Raubfelder. Von den Erdäpfeln müssen wir leben Und er soll sich nur auf den Kopf stellen, 3' Holz gehen wir doch!... Das sagen S' ihm!..

Sie reichte ihm den Rod.

Vom Keller

Dom Keller zur Alm.

einer ebenso glüdlichen wie geraumen Zeit bürgerliche Blätter. Sie übten einen überwältigenden Eindruck auf mich; denn sie erzählten die fürchterlichsten Dinge von unfrem Parteitag, Wir hatten uns beschimpft, gebissen, gefragt, wir hatten wie Todfeinde untereinander gerungen, Haß, Neid und Schmähsucht beherrschte die Verhandlungen, wir waren zerspalten und zerflüftet, und auf ein Haar wäre es zu Thätlichkeiten, Raufereien und schweren Körperverlegungen mittels Alle diese schrecklichen und gefährlicher Maßkrüge gekommen. empörenden Dinge wurden bewiesen durch Berichte, die hinter jeden Worte schlimme Zwischenrufe einflammerten; denn industriöse Reporter wiffen längst, daß sie ohue solche Slammer- Bitanterien ihre Ware nicht los werden und so verwandeln fie durch das einfache und wirksame Mittel der Zwischenbemerkungen eine ernste Diskussion in einen Tingeltangelult, eine leidenschaftliche Auseinanderiegung in ein Markigezänke, ein nüchternes Referat in eine Kagbalgerei. Bus gleich darf dann auf Grund dieser Berichterstattung Doktor Schmock wie alljährlich beteuern, daß die Socialdemokratie sich standalös auf­führe, innerlich morsch sei und überhaupt den Höhepunkt überschritten babe: seit einem Menschenalter überschreitet die Socialdemokratie wöchentlich fiebenmal den Höhepunkt.

Nach meiner Rückkehr aus München las ich zum erstenmal feit

Ich aber las all diefe blutigen und empörten Schlachtberichte

mit einem frohen Erstaunen. Zwar war ich mir bewußt, nur ganz

selten ein Biertelstündchen die Verhandlungen eigenmächtig aus­gesezt zu haben, während ich im allgemeinen mich als ein eifriger Hörer und Zuschauer bethätigte, dennoch hatte ich nichts vou all den

So, und da haben S' Ihre Kutten und nun bedanken Greueln bemerkt, die ich in den Berliner Blättern studieren durfte. Sie sich bei der Frau Försterin!"

Set Der Stadt- Funktionär bedankte sich.

Lise sprang zur Thür, riß sie auf und that ganz füß: ,, Adje, Herr Seff! Laffen S's buen gut geh'n!.. reichend verdächtig hält, ein langes mit einem kurzen a verwechselt Und schenken& uns wieder einmal die Ehr'!...' s muß ja net gleich fein.

"

Sie rieb sich die Hände und lachte wie ein Kobold. Aber Life!.. Der?

Das ist ein Haupt- Hallunk!. Seit seine Alte tot ist, lauft er jeder Schürzen nach. Ob sie jung ist oder alt... Wenn ich den einmal in die Finger frieg!... Jeffas!

Die Lise zuckte zusammen. Fehlt Dir was?"

Ach, seit ein paar Tagen hab' ich so Stiche im Leib... Ich weiß nicht... Muß mich mit was verhoben haben." " Du, pass' auf!

"

"

Ach,' s wird schon wieder werden

Die Studenten drängten in einem Rudel herein. Kostfrau, ich bin Vorzugsschüler worden!"

Lobenswert hab' ich aus Religion!"

"' m Professor Jakob sein Sohn muß eine Wiederholungs prüfung machen..."

Kostfrau, Kostfrau, der Pfarrer" ist wieder der erste in feiner Klasse!"

Von allen Seiten hoben Hände ihr Zeugnisse entgegen. Dann kam der Maß als letter. In seiner maulfaulen Weise quäfte er von der Thür her:

" Frau Tant, ich bin durchg'fallen! Moch!... Jetzt hab' ich ausg'studiert und werd' Schreiber beim Herrn Dottor Leutwein..."

Vincenzi- Tag!

VI.

Der letzte Sonntag im August.

Had munn

Das Egerland feiert sein Erntefest. Was Beine hat und einen Knopf Geld in der Taschen, wandert nach der Stadt. Am Nachmittag sind die Dörfer wie ausgestorben, dafür sprengt der Festjubel in der Stadt schier

die Mauern.

Schon von acht Uhr an späht der Türmer der Nikolai­firche aus seinen Fenstern, die nach allen Himmelsgegenden schauen. Da kommts heran, von allen Seiten. Etwas Dunkles, das sich wie in Ringen und Gliedern weiterschiebt, einem riefigen Heerwurm vergleichbar. Bei jeder Wegeinmündung sezen sich neue Glieder an den Wurm, an dessen Kopf zwei flatternde Dinger wie Fühler sich bewegen: Aus jedem Pfarr­dorf, dessen Patronat bei der Stadt Eger ist, zieht die Pro­zession herein.

Sie fommen näher, über eine Bodenwelle, und aus dem schwarzen Wurm wird ein bunter Zug. Die roten Fahnen mit den bergoldeten Stangenknöpfen, die geblümten Tücher, roten und weißen Röcke der Frauen und Mädchen, alles blikt, glänzt und schimmert in der klaren Sonne des hellen Morgens.

( Fortsetzung folgt.)

Gewiß, wenn wir Schreibers! eute mit einander unzufrieden sind, dann entfalten wir einen an sich bewunderungswürdigen, aber über­flüssigen polemischen Ehrgeiz aber was ein Schriftgelehrter der Universität seinem Amtsbruder anthun kann, wenn er ihn für hin­zu haben, das darf sich schließlich auch ein roter Akademiker leisten, um seine Unzufriedenheiten zu entäußern. Schließlich bildet die Socialdemokratie und auch ein socialdemokratischer Parteitag eine Welt für sich, die nicht im mindesten Rücksicht auf die feinen, aber laugen Ohren der hämischen und unverständigen Gaffer draußen nimmt. Wir sind uns selbst genug und reden öffentlich wie unter der schützenden Diskretion von vier Augen.

In Wirklichkeit waren die Münchener Tage trotz aller schärferen Zwischengeräusche voll versöhnlichem Humor, voll lebensstarter Freude und einem festen und innigen Einheitsgefühl, fester und inuiger denn je zuvor.

Kein deutlicheres Zeichen unsrer Kraft und Einheit als der Zug harmloser und lustiger Selbstverspottung, der zum erstenmal in München energisch zur Geltung fam! Der ist unüberwindlich, der über sich selbst zu lachen vermag. Die Münchener Genossen hatten eingesehen, daß die Wige, die unsre Gegner über uns machen, gar zu traurig, falzlos und eintönig seien, und so produzierten sie selbst einen stattlichen Vorrat von Parteiwitzen. In München hat sich die Socialdemokratie auch von dem Spott der Feinde emancipiert; die Wige über uns machen wir jetzt selber. Ein Beweis der Sicherheit und Stärke war es auch, daß gerade die vom Wiz Gelizelten und Gestriegelten am heitersten in das Gelächter einstimmten. Und dieser Wizz war ein demokratischer Bursch, der die Könige" in unsern eignen Reiben verulfte; die Majestätsbeleidigung war sein höchstes Gesetz. Es tränkte auch nicht, daß der derbe Schalt derbe Wahrheiten geigte. Im Gegenteil: man empfand die Selbstverspottung als ein heil­fames Mittel der Selbsterkenntnis und Selbstzucht. Der Falsche faat sowohl, der mit frecher Hand die heiligsten Güter der Socialdemokratie antastete, wie die spitzen Schandverse vom Haberfeldtreiben haben nicht nur erheitert, sie fehrten auch in be freiender Weise all die unerquicklichen, nervös gespannten Dis­tuffionen der letzten Jahre aus: Jm Gelächter heilten die Narben vollends zu.

Die Münchner erwiesen sich geradezu als Verschwender der Gast­freundschaft. Selbst die Preußen, ja jogar wir Berliner wurden in das naturwüchsige Behagen ihrer reichen Feste treulich aufgenommen. Der bayrische Bartikularismus bewährte sich darin, daß er uns un­angenehme Gesellen aus dem trüben Norden mit besonderer Hin gebung die Kunst leichtsinniger, gesunder, frischer Lebenslust lehrte. wir nordischen Barbaren haben uns freilich auch unsrerseits dankbar erwiesen. Wir haben für alle Zeiten dem Berlinischen Sprachschatz zwei bayrische Kleinode eingefügt, den bayrischen kategorischen Imperativ: Noch eine Moaß" und die grimme Haberfeldfrage: Je dos woahr?" Die rechte Aussprache überanstrengt zwar unfre norddeutschen Lippen, bei ihrer Heimkehr ihre Frauen mißverständlich als Deandl" mit dennoch übt man sie opfermütig. Einige unsrer Berliner Brüder sollen sogar einem Grüag Got" angeredet und darauf unheimlich gejodelt haben

Die Reihe der Bergnüglichkeiten begann, wenn man von der Empfangsfeier absieht, am Montag mit dem Kellerfest im Haderbräu. Eben noch hatte der Streit über die Neue Zeit" und die Socia listischen Monatshefte" wild getobt, da versant aller Hader in der Heiterkeit dieser unvergeßlichen Veranstaltung. Niemals habe ich Socialdemokraten fröblicher gefehen. Es war ein endloser Jubel, aus tiefstem Herzen strömend. Ein schlicht packender Prolog, stimmungs volle Ansprachen, die in leichtem Ton doch dem Arbeitsernst des Parteitags gerecht wurden, mächtig emporsteigende, tünstlerisch