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muß ich sein; das gehört zu inem Geschäft," schrieb er noch im März 1896 an einen Freund. Als die Gebrechen des Alters famen, peinigte ihn der Gedanke, daß die Kraft und das Jugendgefühl ihn verlassen sollten. Er wies jede Hilfeleistung zurück und empfand es, wenn man seinen mühsam gewordenen Gang oder seine schwer gewordene Bunge bemerkte. In Konstanz wollte er, der schwere, Siebzigjährige Mann, bei Verwandten eines seiner Söhne ein Fahr rad besteigen, zum erstenmal in seinem Leben; den Abmahnenden entgegnete er: Das kann ich schon!" Vor dem Abgrund packte ihn zuteilen dämonische Lust, dem Alter und dem Tod herausfordernd entgegenzulachen. Als feine jungen Zechgenossen bei einer der Häufigen Zusammenkünfte in San Domenico ein burleskes Leichenbegängnis veranstalteten, indem sie einen der ihrigen auf eine Bahre oder etwas Aehnliches legten und herumtrugen, stellte sich der greise Böcklin an die Spike des Zuges und schlug mit zwei Pfannendeckeln die schaurige Totenmusik. Und andrerseits verlor der sensible Mann das innere Gleichgewicht so leicht, daß er der geringsten Widerwärtig feit ausbog. Oft öffnete er Briefe nicht, die nach ihrer Herkunft ettva Unangenehmes zu enthalten drohten, und er trug so fort während ein kleines Archiv von ungelesenen Dokumenten in der Rocktasche mit sich herum. Die Furcht vor Erschütterungen hielt ihn vom Theater fern. Schon als Vierzigjähriger erklärte er, er gehe so ungern dorthin, weil er bei einer Situation, die ihn ergreife, untvillkürlich weinen müsse, daß ihm die dicken Thränen die Wangen herabliefen. Als er in Zürich seinem Vorsatz einmal untreu wurde, am den" Fidelio" zu hören, bemerkte man, wie er sich während der Kerkerscene wiederholt die Augen wischte. Ein Nichts, ein Eindruck, ben ein andrer kaum spürt, legte sich seinem Schaffen leicht in den Weg. Der Bildhauer Bruckmann, sein Schwiegersohn, trat eines Tages ins Nebenatelier, in den Anbau, wo er zu arbeiten pflegte, und begann, ohne zu wissen, daß sein Schwiegervater nebenan war, Caut die Marseillaise zu pfeifen, hörte dann aber nach den ersten vier Taften auffällig auf. Böcklin fonnte nicht anders, er mußte die Melodie weiter pfeifen, fam dann herüber und sagte:„ Hergott, jetzt hast Du mir glücklich ein Motiv totgepfiffen."
Völkerkunde.
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maschine aufmerksam gemacht. In der letzten Sigung der Freien Photo. graphischen Vereinigung ist nun ein recht interessantes und beachtens. wertes Verfahren von Dr. Hesekiel zur Entwickelung photographischer Platten ohne Dunkelfammer vorgeführt worden. Die Bemühungen, die lichtempfindliche Platte ohne Dunkelfammer oder doch bei hellerem als dem rubinroten Lichte fertigzustellen, sind nicht neu, haben aber bisher zu keinen befriedigenden Resultaten geführt. Auch die vor drei Jahren von Amerika aus eingeführte Methode, die Entwickler mit einem roten Farbstoff zu durchsetzen, hat sich infolge der damit verbundenen großen Umständlichkeiten, namentlich für den Amateurphotographen, nicht einzuführen vermocht. Das neue, von Dr. Hesetiel vorgeführte Verfahren der Entwicklung photographischer Platten bei jeder Beleuchtung besteht nun haupts sächlich darin, daß man die zu entwickelnde Platte zunächst in eine rote chemische Lösung, Corin genannt, bringt. Diese Thätig feit ist die einzige, welche ohne Zutritt von Licht ausgeführt werden muß. Dieses fann man aber in sehr einfacher Weise durch Verwendung einer Wechselkassette oder eines leicht herstellbaren Wechselfackes, ja im Notfalle unter einem dunklen Tuche betvirken. Die Platte wird im Corinbade, welches ungefähr einen Centimeter über der lichtempfindlichen Schicht stehen muß, zwei Minuten gelassen. Durch die Aufnahme des roten Corins werden die lichtempfindlichen Teile der photographischen Platte gewissermaßen in eine Schicht eingehüllt, welche die weitere Handhabung bei natürlichem und jedem fünstlichen Licht gestattet. Die weitere Bes handlung der aus diesem Vorbad genommenen Platte geschieht in der üblichen Weise, wobei natürlich die Beobachtung des Fortschreitens der Entwicklung viel leichter als bei dem rubinroten Lichte der Dunkelfammer ist. Bei dem Auswaschen der Platten wird das rote Corin innerhalb einer halben Stunde vollständig entfernt, wobei auch das Natron des Fixierbades herausgewaschen ist. Das Verdienst, diese namentlich für Amateurphotographen wichtige Erleichterung durch die Anwendung des Corins in der Lichtbildkunst herbeigeführt zu haben, gebührt Johann Ludwig aus Mainz .
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Humoristisches.
Vom Dorftheater. Bauer( der zugleich Theater direktor ist, zu seinen Knechten und Mägden): Wollt Ihr Guern Lohn oder Eure Gage... Eins muß ich Euch schuldig bleiben!"
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- Mütterliche Ermahnung. Schriftstellerin sein! Im Leben diefes jungen Menschen bist Du höchstens eine Laß doch endlich einmal die Liebeleien ( zu ihrer Tochter): Episode"!... Du mußt Dir einen suchen, in dessen Leben Du zur Katastrophe" wirst!"
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- Vor Gericht. Automobilist( der Sachbeschädigung angeklagt):" Den einen Herrn Schöffen lehne ich wegen Be= fangenheit ab den hab' ich mal überfahren!" ( Fliegende Blätter. ")
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Notizen.
gc. Die Deiarra muschel auf Neupommern . Von allen Naturvölkern wird die Muschel mit Vorliebe als Schmuck verwendet; vielfach werden die Schalen in Stücke geschnitten, zu runden Scheiben poliert und auf Schnüre gezogen. Besonders berühmt find die Muschel- Schmuckgegenstände, die als Delvarra auf Neupommern in unfre Museen gewandert sind. In alten Zeiten mag das Dewarra als zierliche Muschelfette den Hals dieser Leute ge= schmückt haben; dann aber kam eine Epoche, in der die zierliche Schmur zu einem gewaltigen Kragen auswuchs. Als die Europäer sich nun auf Neupommern niederließen, war dieser Kragen gerade im Verschwinden begriffen, weil das Dewarra als Geld sich umgestaltet und einen viel zu großen Wert angenommen hatte, um noch zur Leibesverschönerung bergeudet" werden zu können. Das besonders präparierte Dewarra steht, wie Leo Frobenius in seinem soeben erSchienenen Werke„ Aus den Flegeljahren der Menschheit"( Hannover , Gebr. Jänicke) mitteilt, bei den Bewohnern der Gazelle- Halbinsel (( im Norden Neupommerns) in hohem Werte. Dewarra zu erwerben- Erich Schlaitier schimpft in Naumanns Beit", weil und einen möglichst großen Schab davon zu sammeln, ist daher das wir ihn, als ihm Hermann Sudermann wegen längst vergeffener eifrigste Bestreben der Eingeborenen, denn für Dewarra kann er sich Schimpfereien eins auf's Dach gegeben, im Vorwärts" nicht alles verschaffen. Mit Dewarra fauft er seinen Schmud, seine weiterfchimpfen ließen. Was will der Mann beim„ Vorwärts"? Frauen, mit Dewarra fauft er sich aus allen Verlegenheiten und Er lief von ihm fort, wurde bald darauf hoftheaterfähig, also Berwickelungen los, mit Dewarra besänftigt er seinen erbitterten „ Geschwister Lemke", ein vieraftiges Volksstück von Feind selbst wenn er dessen nächsten Verwandten erschlagen hat. Richard Skowronnet und Leo Walther Stein, ist Das Dewarra stellt in Neupommern eine ungeheure Macht dar. Wer vom Lessing Theater zur Aufführung angenommen worden. am meisten davon besitzt, genießt das höchste Ansehen, übt den größten Hanns Fischer vom Deutschen Theater ist für das Einfluß aus. Die Frauen müssen ihr Lebelang von morgens früh Dresdener Hoftheater engagiert worden. bis Sonnenuntergang arbeiten, um Dewarra für den Mann zu er Das Bunte Theater bringt furz nach Weihnachten zwei werben; die Männer finnen und trachten, wie sie dem Nachbar seinen Novitäten: Die Epidemie", eine einaftige Komödie Schatz entwenden können. Zur Bestreitung der täglichen fleinen von Octave Mirbeau , und„ Boule de Suif " von Ausgaben pflegt der Mann ½ bis 4 Faden von dem Muschelgeld M 6 ténier nach Maupassant . bei sich zu tragen; das übrige hat er im Dewarrahaus. eine Hütte,- Die Moderne Bühne" wird demnächst In Fesseln" die eigens bestimmt ist, das Vermögen aller Bewohner eines Dorfes, von Baul Gottschalt aufführen. sowohl die Tausende von Faden der Reichen wie die kleinen Er„ König Saul", eine Tragödie von Eberhard König , sparnisse der Armen darin aufzubewahren. 50, 100 und bis zu ist vom Dresdener Hoftheater zur Aufführung angenommen 250 Faden iverden zusammengerollt und die Rollen mit bunten Blättern umividelt. Geringere Beträge liegen lose in fleinen Körben. Das Delvarrahaus ist stets von mehreren Wächtern umstellt, die sofort Lärm schlagen, wenn demselben Gefahr droht. Männer, Weiber und Kinder eilen dann herbei und beladen sich mit einer Last Dewarra, um fie in Sicherheit zu bringen. Es wird gesagt, daß eine vom Feinde verfolgte Frau eher ihr Kind fallen läßt und preisgiebt, ehe sie das Dewarrageld von sich wirft. Seinen im Dewarrahaus verwahrten Schahz greift der Eigentümer nur bei ganz besonders vichtigen Gelegenheiten an, etwa wenn er den Kaufpreis für eine Frau bezahlt. Sonst wird derselbe erst nach dem Tode des Eigen tümers herausgenommen, um beim Begräbnis ganz oder teilweise verteilt zu werden. In der Wohnhütte behält jeder nur soviel Dewarra, wie er zum gewöhnlichen täglichen Bedarf nötig zu haben glaubt.
Technisches.
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worden.
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- Die neue, gestern eröffnete Secessions- Ausstellung ( zeichnende Künste) umfaßt gegen 900 Werke und ist von 176 Künstlern des In- und Auslandes beschickt. Die größte Zahl von Arbeiten hat der in Paris lebende Schweizer Theophil Steinlen auf der Ausstellung; seine Sammlung umfaßt allein 125 Nummern.
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Die Ausstellung von Erzeugnissen der Brettchen weberei im Schlüter- Saale des Kunstgewerbe museums wird bis Sonnabend, den 6. Dezember, zugänglich bleiben. Am 2. Dezember wird von 1 bis 22 Uhr die Technit der Weberei noch einmal vorgeführt werden.
-Wir lesen im„ Berliner Tageblatt": Unser Mitarbeiter Frit Stahl wurde von Herrn P. Lindhorst, Nitterstraße 45, zum Besuch seiner Nordischen Kunstausstellung unter Bei fügung eines Hundertmarkscheins eingeladen. Die Bank gr. Entwidelung photographischer Blatten ohne note ist dem naiven Aussteller zurückgesandt; eine andre Besprechung Dunkeltammer. In der vorigen Sonntagsmmmmer des Unter- als die hier gegebene wird die Nordische Kunstausstellung in unfrem haltungsblattes hatten wir auf eine photographische Entwickelungs- I Blatte nicht finden. Berantwortlicher Redakteur: Carl Leid in Berlin .
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