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wirr, und das Herz schwer. Was bedeutete das alles? Wo die zwingende Geschlossenheit und in ihr die Fülle. Er, ist er denn? fragte er sich und seine Augen blieben an den in dem naturalistischen Schauspiel ein Meister des furzen beziehungs­dicken Balken der schwer lastenden Decke hängen. Im eigenen reich andeutenden Wortes, das den Höreru gespanntem Lauschen Hause nicht, das war sicher. Vielleicht bei einem Freund? zwingt, malt hier lyrisch- episch mit breiter Jambenrethorit. Der Auf dem Herd glomm das Feuer. Er hört Stimmen.Binte wiederholende, doppelt und dreifach unterstreichende Rede. Klang der Verse reißt ihn mit sich fort, berauscht ihn. Statt leiser Jakuten? Und er begann auf die Stimmen zu achten. In der Scenenführung ist derselbe Mangel an Spannung erregender Er kann alles!.. Jakutisch sprechen. Und reiten kann Gedrungenheit. Wird der Eindruck, den das furchtbare Elend des er, rudern und Netze auswerfen, besser als ein Jakute. Die ganze Gegend, jeden Weg kennt er ein großer Jäger!" Warum auch nicht? Die werden doch all' ihre Bücher nicht vergeblich lesen! Ist er gut im Umgang?"

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Es wär' sündhaft, über ihn zu klagen! Am Aldan sagen die Leute, daß er gut sei, und unterwegs, wenn wir eingekehrt sind, hat er alles bezahlt. Aber Frau und Kind das kann einen Menschen schon ändern."

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Gewiß! Und die Frau, hat sie viel Geld mitgebracht?" " Wird schon so sein. Sie hat schöne Kleider, goldene Ringe, eine Uhr. Eine wirklich feine Frau aus dem Süden!"

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,, Wird sie sterben?"

Ganz gewiß! Sie quält sich sehr. Meine Frau ist schon ganz müde. Wohl zwanzigmal des Nachts muß sie auf stehen. Sie muß fie stügen, wenn sie hustet. Solch eine große Dame kann nicht so allein.."

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Wenn sie stirbt, dent' d'ran, Gevatter.. Ruf um den Sarg zu zimmern oder das Grab zu machen.. giß es nicht Der Fremde wird wohl gut zahlen.. der muß schon! Er kann sich nicht rausdrehen."

mich, Ver­Ach,

Still, er scheint wach zu sein!" Die Stimmen schwiegen. Alerander richtete fich auf und begann auf leisere Töne zu achten. Die Kranke mühte fich flüsternd, um sich der Jakutin flar zu machen.

Julia, was willst Du, ich werde es übersetzen." Schläfst Du nicht mehr? Ich wollte Dich nicht wecken fassen, Du bist so müde. Sie sagen, daß Du in den Kleidern eingeschlafen bist."

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Wie geht es Dir?"

Besser, Geliebter; das Wetter ist schön und da geht mir's immer besser. Sag' der Wirtin, bitte, daß sie in meinen Sachen das Pfännchen mit dem Deckel heraussuchen soll, um Milch darin aufzusetzen. Ich möchte Dir Katao vorfeßen, den hast Du wohl lange nicht getrunken.. Auch ich nehme gern eine Tasse. Das wird ja ein richtiges Mahl! Ich fühl mich heute so wohl. Noch zwei Tage, und wir können uns auf den Weg machen.

Bis zum Abend gab es keine Veränderung in ihrem Zustand. Alerander schöpfte wieder Hoffnung. Er wagte sogar zur Station zu fahren, um Wein zu holen. Wein bekam er nicht, denn es gab feinen, aber er schrieb an feinen Haus­genossen und erfuhr, daß man eine amtliche Persönlichkeit erwarte, vielleicht auch den Doktor, um ein Gutachten über die Leichen der tartarischen Ansiedler zu fällen, die in geheimnis­voller Weise in ihrem Hause im Noslig") verbrannt waren. Uebernachten Sie hier, das Pferd wird ausruhen.. Und es wird ein Unwetter geben, glauben Sie es nur. Ich bin ein alter Mann und fenn' das schon. Wir werden bei einem Glas Thee und einem Happen Brot plaudern. Ich hörte, daß es unweit von ihnen eine geheimnisvolle Feuersbrunst gab," fagte der Beamte,

( Fortsetzung folgt.)

Der arme Heinrich .

( Deutsches Theater.)

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Die Aufnahme von Hauptmanns neuer Bühnendichtung im Deutschen Theater war ganz ähnlich, wie sie nach den Berichten im Wiener Burgtheater gewesen ist. Nach dem ersten Afte ein Abwarten, nach dem zweiten stürmischer Beifall, der sich auch weiterhin nach jedem Fallen des Vorhanges am Schlusse allerdings erst nach einigem Zögern der Enttäuschung wiederholte. Hauptmann mußte wieder und wieder hervor. Aber es waren Ovationen, die, wie ich empfand, wohl mehr dem Dichter, dem größten lebenden Dramatiker Deutschlands , als dem Werke selbst gelten sollten. So sehr ich es anders gewünscht, mir wollte, was er diesmal gab, nicht als Lebendiges erscheinen. Es fehlt dem Drama

*) Noslig ist ein Einzelteil jafutischer Selbstregierung und entspricht einer Dorfgemeinde. Jakutische Ansiedelungen bilden kein Dorf, sondern einzelne Kolonien, die sich vereinzelt auf einer um­geheuren Ebene befinden. Es giebt Gemeinden, die die Ausdehnung eines Bezirks haben, sogar eines Gouvernements.

armen Heinrich auf uns macht, dadurch gesteigert, daß der Dichter bei der Schilderung des Jammers so ausführlich verweilt? Und wie seltsam kontrastiert damit die haftige Kürze, mit der der seelische Prozeß die innere eigentliche Handlung, auf die das Drama abzielt, behandelt wird!

Sartmann von der Aue entnommen. Ein glänzender Ritters­Den Stoff hat Hauptmann der berühmten Dichtung des mann wird von dem Aussat, der furchtbaren durch die Kreuz­züge aus dem Orient nach Europa geschleppten Volksseuche, befallen. Ein Ausgestoßener, bon furchtbaren Qualen gefoltert, hadert er mit Gott . Kein Arzt vermag zu helfen, es sei denn, eine reine Jungfrau sei bereit, unter dem Seciermesser ihr Herzblut für ihn zu opfern. Das zwölfjährige Töchterchen eines Bauern, bei dem er Aufnahme gefunden, will in findlichem Mitleid ihr Leben für den Stranten hingeben. Hartmanns Ritter zögert nicht, die weiche Ueber­schwänglichkeit des Kinderherzens für sich auszunuzen. Er zieht mit ihr gen Salerno zu dem arabischen Wunderdoktor. Aber im letzten Augenblid, als die Kleine macht und hilflos daliegt und der Arzt zum Messer greift, erwacht sein Gewissen: das Blut der Unschuldigen soll nicht um ihn vergoffen werden. Er zieht mit dem Kinde über die Alpen zurück. Und nun, nachdem er, Gott vertrauend, sich in sein Los ergeben, die Herzenshärtigkeit von sich abgethan, gesundet er.

Der eine

Hauptmann hat die abstoßenden Züge der Legende gemildert. gebes Blut von seiner Strankheit heilen könne, noch den barbarischen Sein Heinrich hat nicht den barbarischen Glauben, daß ihn Otte Billen, das Opfer anzunehmen. Ganz flüchtig nur, in fiebernden Phantasien durchzuckt ihn der Gedanke, um dann im nächsten Augen­blicke wieder zu verlöschen. Aber damit ist zugleich der eigentliche Nerb der Handlung zerstört. Hauptmanns Heinrich bedarf gar nicht jener Umwandlung, die sich bei dem Helden des Hartmannschen Gedichtes in letter Stunde vollzieht. Ehe sie zu flarem Wollen sich verdichten fonnte, hatte er im Keime schon die Versuchung überwunden. Welche Bedeutung hat es da noch, daß er, der mit inmigſtem Bitten in das Salerno zieht und wartet, bis der Arzt das Messer züdt? Er preist Mädchen dringt, von ihrem Plane abzustehen, trotzdem mit ihr nach im letzten Afte fich als einen Entsühnten. Aber was sollte er fühnen? Hauptmann hat uns nur sein Elend, nur die Bitterkeiten, bie es aus sich erzeugt, schauen laffen, nichts was wir als ernste Schuld empfinden können. Die egoistische Verhärtung, die das Opfer fremden Lebens für fich annehmen will, fehlt diesem Heinrich, so aber auch der Kampf des Verzichtens. bom ethischen Handeln hinweg in Schwerpunkt ist mystische Symbolik verschoben. Heilung durch das Opfer glaubend, aus Menschlichkeit entsagt, stellt Nicht als einen, der an fichere ihn Hauptmann dar, sondern als einen, der, jenem blinden Bahne innerlich fremd, nicht durch bewußtes Handeln, sondern durch ge heimnisvolle Wunderwirkung, die von der opferfreudigen Liebe Ottegabes ausgeht, in das Reich des Lebens zurüdgeleitet wird. Heinrich ist fein Handelnder. So wendet sich von ihm das ganze Intereffe der jungen Bauerntochter zu, die als seltsames Doppel­wesen durch die Dichtung geht. Sie schillert in dem Lichte zweier Hauptmann- vielleicht die Grundidee, aus der das Drama ihm Welten. Es war ein feiner und tiefer Gedanke des Naturalisten erwachsen ist, den Opferwillen des Mädchens hervorleimen zu lassen aus den ekstatischen Verzüdungen einer ersten, ihr selbst noch böllig unbewußten Liebe? Aber wie pagt dieser Ausgangspunkt zur fatholisch- mystischen Gloriole, in welcher die Ge­stalt erstrahlen soll? Während in Hanneles Himmelfahrt " die Visionen als bloßer Wiederschein der Sehnsucht, die in der armen Kindesseele lebt, sich einfach und natürlich dem Gefüge der Wirklich feiten einpassen und uns im tiefsten erschüttern, flafft hier der Zwiespalt. Naturalismus und wundergläubige Verklärung fließen zu undurchfichtiger Mischung zusammen. So oder so, wie man auch die Gestalt erfaßt, stets bleibt ein unbegriffener Neft in dieser Dichtung. Die Ekstase, die sie treibt, ist rührend und ergreifend, aber je flarer Hauptmann die irdischen Quellen, denen jene Ueber­schwänglichkeiten fließen, mit sicherer Hand aufbedt, um fo weniger bermag der Hymnus Heinrichs auf die Heilige" die Mittlerin", in den das Drama austlingt, lebendige mitschwingende Empfindung in uns zu erzeugen. Die symbolistische Wendung hat etivas Unvermitteltes, das überrascht.

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aus

Die ersten drei Afte find Exposition. Heinrich, an dem die Seuche nur erst heimlich zehrt, sucht seines alten Pächters Gott­fried Hof auf, um sich vor der Welt zu bergen. Ehe er zur Kreuz fahrt ins gelobte Land zog, hat er, ein junger Bursch, mit der fleinen Ottegele harmlos fröhlich gespielt. Nun steht sie, die er damals sein kleines Gemahl" genannt, mit stodendem Atem, entseelt im Schauen, laum fähig, seiner freundlichen Frage zu antworten, vor ihm. Sie wird ihm, als die Krankheit weiter schleicht, zur treuesten Hüterin. Ein Knecht hat ihr die Mär erzählt, daß einer Jungfrau Herzblut dieses Gift zu bannen ver möge, und nun treist all ihr Sinnen nur um diesen einen Punkt. Heinrich aber, der zu sehen meint, wie in Furcht und Ekel vor dem