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auch nie tiefer gelitten, und wie er mit milder Güte, mit einer Güte, Die Verrohung des Konzerthörens": dabei halten wir! Ein die in Toras Seele begeisterte Bewunderung entzündet, seine Schuld Publikum, welches das Stumpfe, Rohe im Klavierton nicht mehr gefüht hat. Es ist wunderbar, mit wie tiefer Sympathie und feinem fühlt, zumal bei den zwar tief fünstlerisch gemeinten, doch wesentlich Verständnis Björnson hier in der Spiegelung durch Tora die seinem anders wirkenden Hämmereien Lisztscher und ähnlicher Klavier­eignen robust- energischen kampfftohen Sch so völlig entgegengesetzte kompositionen: ein solches Publikum fühlt auch nicht mehr das Natur gezeichnet, wie er den Schwankenden liebevoll verklärt hat. Stumpfe und Rohe in seiner Klatschgymnastik, mit der es in die Aber eben dies Verhältnis Pauls zu Tora, das ihn verklingenden Schlußtöne des Spielers hineinfährt wie ein Stein­trop aller Irrung hoch über feine Umgebung heraus- hagel in Glas. Die Roheit dieser Gepflogenheit wird nur noch gehoben erscheinen läßt, macht es um so unbegreiflicher, übertroffen von der Roheit des Argumentes, der Künstler bedürfe daß der Schlag, den seine Gegner führen, ihm die Pistole eines solchen Reagierens aus seinem Hörerkreis. Und man sehe nur in die Hand drückt. Ihr Glaube hält dem Sturme, der über den einmal diese Publikumsmenschen, namentlich von dem zarten" Geliebten hereinbricht, unerschüttert Stand. In der Festversamm Geschlecht, wie sie aus ihrer Plauderei während des Vortrages erst lung, wo die Politiker prächtig sfizzierte Pharifäertypen ent- dann aufwachen, wann der Lärm beginnen fann, und vielleicht auch rüstet und beluftigt sich die pikante Geschichte des Berrates" zu- jetzt noch, während sie ihre Arme und Hände schwingen, mit etwas tuscheln, wo Paul Lange als ein Ehrloser beschimpft wird, will sie andrem beschäftigt sind! das Geheimnis ihrer Verlobung vor aller Welt verkünden. Angst­erfüllten Herzens eilt sie am nächsten Morgen zu ihm. Sie rüttelt ihn auf, sein Mannesbewußtsein, seinen Stolz; sie fleht ihn an, zu neuem Wirken, zu gemeinsamer Arbeit mit ihr vereinigt, in die Fremde zu ziehen. Er muß es fühlen, daß sein Tod auch die Geliebte tötlich treffen wird. Alles ruft zum Leben, Glück und Pflicht.

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Die Aufführung war sorgsam vorbereitet. Die Hauptfigur hatte in Herrn Mischke einen ausgezeichneten Vertreter. Die liebens­würdige Sanftmut des Helden und die Tiefe des Empfindens tam in Ton und Bewegung trefflich zum Ausdruck.- dt.

Musik.

Es scheint ein längst erledigtes Thema zu sein, und ist doch faum noch in seiner vollen Weite und Dringlichkeit ausgesprochen: Die Knechtschaft des Musiklebens einerseits und des allgemeinen Bildungsstrebens andrerseits unter der Thrannei des Klavieres. Es fehlt nicht viel, daß dieser Lärmapparat berits die Rolle des Schnapses mitspielte, wie er daheim die Gejitteten und weit draußen die Wilden verdummt und unterjocht. Wenig Mujit, die nicht irgend­wie auf das Klavier zurückführt, und wenig menschliche Be­hausungen, in denen nicht das Klavier wie ein Göße verehrt wird! Was seine Verteidiger zu sagen wissen, das sind eben die Ursachen, die seine Herrschaft begründet haben, sind aber noch keine über diese bestimmte Entwidlungsstufe hinausliegenden Rechtfertigungen. Der springende Punkt ist der, daß auf dem Klavier Mujit auch ohne Musit nachgemacht werden kann. Was immer in dem Bereiche der Tontunst an Klangfarben, in den Seelen ihrer Jünger an Gehörs­feinheit dafür erreicht worden: auf dem Klavier wird es durch dessen furze, trockene Töne abgeftumpft. Wir überhören durch lange Ge­wohnheit den Umstand, daß hier jeder Ton nach dem Anschlag seine eigentümliche Energie verliert, und daß jeder über eine mäßige Stärke hinausreichende Ton auf ihm ein stumpfer Lärm ist und unser musikalisches Hören schädigt. Daran ändern die singendsten" modernen Flügel nichts. Und was immer an Fähigkeit des Musikers, Töne innerlich vorzustellen, erreicht werden kann: das Klavier macht es scheinbar überflüssig und verleitet seine Ver­teidiger zu dem Vorwand, es sei unentbehrlich, um die gesamte Musiklitteratur sich vorführen zu können. Lieber gar nicht als sol Wer ein Musikstück kennen lernen will und nicht original zu hören bekommt, der lese es aus den Noten; und wer sich daraus tein inneres Tonbild verschaffen kann, der lasse das bleiben oder lasse fich musikalisch bilden."

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Dem Ruhme der Angelärmten nachzustreben, sei es auch noch so fernher, beseelt dann die Armeen der Tausende von Berufs­musikern und der Zehntausende von Dilettanten, die dem Banner der holden Kunst" folgen. Bange, schaudernd blättern wir in den neuesten Taschenbüchern des Musikers, deren Zusammenstellungen uns ein Bild von dem gegenwärtigen Mujittreiben geben wollen. Da sind sie wieder wie alljährlich:" May Hesses Deutscher Musiker Kalender 1903"( Leipzig der billigere und vie uns scheint durchschnittlich bessere) und der Allgemeine Deutsche Musiker Kalender für 1903"( Berlin jener im 18., dieser im 25. Jahrgang). Was da an Konzert­aufführungen, Vereinen, Musikschulen, Künstlernamen usw. usw. aufgezählt ist, kann uns noch einmal interessante statistische An­regungen geben. Heute begnügen wir uns mit dem Gedanken daran, wie viel von jenem Treiben schließlich nur auf eine Ver­rohung des Musikhörens hinauskommt. Gut die Hälfte von all dem bedeutet wieder die Welt des Klaviers. Was in der andren Hälfte noch zur Rettung da ist, mag zusammenwirken, um uns von diesem Uebel zu erlösen. Nicht etwa gegen das Klavier einen Kreuz aug eröffnen! Das verstärkt gar zu leicht die bekämpfte Position. Es gilt vielmehr, das Interesse der Beteiligten in der Weise auf Würdigeres zu lenken, daß die Aufmerksamkeit auf das Unwürdigere von selber sinkt. Vor allem der Jugend und ihren Führern be greiflich zu machen, daß Musikbildung nicht im Erlernen eines Instrumentes und am allerwenigsten in dem des unmusikalischsten besteht, sondern in einem Schaffen von sinnlichem und geistigem Verständnis der Musik. Ein Instrument kann dafür nur eine dienende Bedeutung haben. Und von der Verdrängung der Streich­und zumal der Blasinstrumente aus dem allgemeinen Interesse müssen wir zurückkommen; ja, es ist für angehende Musiker heute bereits eine gute Spekulation, sich Instrumenten wie dem Violoncell und den feineren Blasinstrumenten zu widmen, für die ja immer, und bald wohl steigende, Nachfrage ist. An Klavierspielern und relativ sogar guten, fehlt es so ivenig, daß hier geradezu von einer ökonomischen. Ungleichheit und von einer Stauung in jeglichem Sinne gesprochen werden kann.

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Notizen.

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M

SZ.

c. Der französische Staat wird eine klassische Ausgabe der Werke Victor Hugos veröffentlichen. Die Ausgabe wird 45 Bände umfassen und mit historischen und bibliographischen Vor­bemerkungen für jedes Werk versehen sein; außerdem wird jedem Werke eine Reproduktion der ersten Seite der Originalausgabe bei­Liszt war es hauptsächlich, der uns den Fluch dieser Erbschaft gegeben sein, und auch Vignetten aus den bemerkenswertesten aufgeladen hat. Was unter seinen individuellen Händen und Ausgaben sollen wiederholt werden. Die Nationaldruckerei ist mit der epigonisch unter denen der Lisztbuben und Lisztmädeln eine Herstellung des Werkes betraut. ganz einzige Specialität war, würdig der Aufbewahrung in der Zwei Dramen Strindbergs werden nächstens in Berlin Musikgeschichte, das wird in dem dauernden Interesse der großen aufgeführt werden: Das Geheimnis der Gilde" im Massen ein Totschlag der Kunst. Die Transffription", d. h. die Schiller Theater und Kameraden" im kleinen Schiller- Theater Uebertragung andersartiger Musikstücke auf das Klavier, ins- Theater. besondere mit ihrer Ausschmückung" in dessen Virtuositätssprache,- Das Lustspiel Die beiden Schulen" von Alfred ist der Gipfel dieser Unnatur, dieser künstlichen, ganz eigens artifi- Capus geht am 23. Dezember erstmalig im Residenz ciofen Entwöhnung von der Hingabe an gerade das, was der ur- Theater in Scene. sprüngliche Schöpfer eines Stückes in seiner Meisterbeschränkung, Die nächste Novität des Thalia Theaters wird die mit seinen Tonfarben usw. hat sagen wollen. Ausstattungspoffe, Die bösen Mädchen" sein. Man wird vielleicht vermuten, ich komme aus dem Konzert In der Wiener Hofoper wird das Ballett Der eines Klavierstümpers, der mich mißmutig gemacht habe und nun budlige Hans" von Oskar Nebdal im Frühjahr die Erst­etwa gar noch für eine Verrohung der Konzertkritik" verantwortlich aufführung erleben. wäre. Nein, ich komme aus einem Konzert von Leopold-In der Kunstausstellung der Berliner Se Jodowsky, einem der mit Recht geschäßtesten aus der Schar cession sind jetzt Werke des englischen Künstlers Whistler zu der jüngeren Pianisten oder Pianofortisten, und nicht einem der sehen, die bisher noch nicht der Deffentlichkeit zugängig gewesen sind. Fortisten, die herunterhacken, was Zeug und Bechstein hält. Ein neu erworbenes Gemälde von Rubens Die Be­Godowsky spielt fein, weich, ausgeglichen, ohne irgend etwas fehrung des heiligen Paulus" ist im Rubens- Saal des Ediges, das uns munchmal zur Not noch lieber wäre, als diese runde Alten Museums zur Aufstellung gekommen. Accentlosigkeit, mit der hier z. B. das melodische Mittelthema von Als Nachfolger des verstorbenen Profeffors Kürschner ist Chopins Nocturne op. 37 Nr. 2( G- dur) berausfam- accentuieren Redakteur Kühner zum Direktor des Richard Wagner können ja die wenigsten! Allein nicht diese mehr individuellen und Reuter- Museums in Eisenach ernannt worden. Wünsche sind es, die uns hier interessieren. Vielmehr ist es gerade Die diesjährigen Nobel- Preise wurden zu die Vorzüglichkeit eines solchen Spielers, was uns erst recht von erkannt: Professor Theodor Mommsen Charlottenburg ( Litte dem Kunjiwidrigen dieser ganzen Welt überzeugt. Godowskys raturpreis), Profeffor Martens Petersburg( Friedenspreis), elastischer Anschlag- ein Hochgenuß für den Fachspecialisten Dr. Ronald Roß- Liverpool( Medizinpreis), Professor Emil kann nicht verhindern, daß auch ein solches Fortissimo ein Mangmord Fischer Berlin( Chemiepreis), Profeffor Lorenz- Leyden und ist; und er giebt dem Publikum einen Schein von Recht, wenn es Professor Zeemann- Amsterdam( Physilpreis). Dr. Roß ist Lehrer gerade nach den äußerlichsten Leistungen in der äußerlichsten Weise an der Schule für tropische Medizin in Liverpool und hat sich durch ein da capo erklatscht. seine Malariaforschungen verdient gemacht. Druck und Verlag: Vorwärts Buchdruckerei und Berlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.

Berantwortlicher Redakteur: Carl Leid in Berlin .

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