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Damit saß ich wieder. Die Rotte links lachte wie besessen. Bassermann rief Bravo ! Und dann nahm man den Zolltarif an! So ist das große nationale Werf zu stande gekommen, weil mir Arendt auf die Schulter geflopft, ich im Spiel gewonnen und Haby mir mein Haar in der Mitte gescheitelt! Joo.
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Immerhin hielt ich es nicht lange im Saale aus und ich| Schon Aeschylos hat gesagt: Es liegt Verstand im findischen vertrieb mir die Zeit mit Streifzügen durch das hohe Haus. Spiel. In diesem Sinne habe ich Ihnen tausendmal erklärt, daß Einmal war ich in der Hofloge. Da ist eine Toilette, sag Ihr Zolltarif für die Regierungen unannehmbar ist, in jedem ich Euch, eine Toilette, ich will nie beffer wohnen! Auch im Stadium. Und weil er nur in jedem Stadium, und deshalb Lesesaal ist es sehr hübsch, nur störte mich das umfangreiche Schnarchen. nicht in diefem Stadium mannehmbar ist, billigen die Beim Heben und Senten der vielen Bäuche wurde ich unwillkürlich verbündeten Regierungen Ihre Beschlüffe, alle Zeit bereit, das Wohl schwindlich. Ich kam mir vor wie in einem Erdbeben. Einmal stieg des Vaterlandes, die Interessen der Landwirtschaft und das Gedeihen ich auch in den Entenpfuhl. So nennt man die Journalistenkneipe. der Industrie zu schützen." Sie ist sehr geräumig, fast halb so groß wie die Toilette in der Hofloge. Von den 40 Millionen, die das Gebäude gekostet haben foll, hat man beinahe 135 M. für den Bau und die innere Ausstattung dieses Raumes verausgabt. Ich finde es, offen gestanden, nicht gerade nötig, daß man so viel Umstände mit den Schmier finken gemacht hat. Auch sonst verhätschelt man das Entenvieh unglaublich. Wer hier etwas essen will, braucht es nur 14 Tage vorher zu bestellen, und wenn dann der Tag herankommt, wird ihm wirklich ein unverdientes Entgegenkommen bedeutet, daß eben die letzte Portion vergriffen fei. Ich ließ mir indessen einen Journalisten der Fremden- Zeitung" vorstellen, der mir auf Ehrentvort versicherte, daß er bereits innerhalb 14 Tagen dreimal Effen erhalten hätte. Nur die Nörgler könnten sich beschwert fühlen. Es sei nicht wahr, daß die Küche brei deutsche Meilen von dem Entenpfuhl entfernt sei; er habe die Entfernung genau gemessen und könne beschwören, daß sie nur drei Kilometer betrüge. Ebenso unwahr sei es, daß die Speisen in fibirischer Temperatur wir mit de andern sieben Hundert auf'm Boden anfangen.") So, Fräulein Mariechen, dett wär' nu geschafft, nu können serviert würden; fie wären stets nur ein geringes unter Fräulein Mariechen war das Mädchen für alles, sie stand am der Temperatur des Wetters geblieben und wären selbst an den tältesten Tagen Herd und goß den Kaffee durch. Sie lächelte gutmütig: Na, ruh'n Tagen nicht unter 15 Grad Minus ( Reaumur) gesunken. Endlich sei es eine Verleumdung, daß Se fich man erst aus, Bater Scholz, trinten Se' n Töppten sie teuer und ungenießbar feien. Er selbst habe von den Kaffee mit?" Wenn Se det übrig haben, Fräulein Mariechen, aber sehre jerne." drei Malen nur zwei Mal die Portionen stehen gelassen, das dritte " De jnädje Frau braucht ja nischt zu wissen, die würde Sie schob dem Alten einen Becher
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Kleines feuilleton.
schweren Preßkohlenkasten in die Küche. Er stellte ihn auf den th. Der Kohlenmann. Zum drittenmal kam der Alie mit dem Küchenstuhl und begann das Hundert zwischen Herd und Spind auf
zuschichten.
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Mal aber sei es gar nicht teuer gewesen, weil er im Augenblick des Zahlens in den Sizungssaal gerufen wurde und die Kleinigkeit schimpfen, aber trinken Se man. dann vergeffen hätte. Kurz, das seien alles niederträchtige Ber- Staffee hin und legte ihm eine Schrippe dazu:„ Sie tönn'n dächtigungen der unverschämten Juden. Ich habe mich fofort von e ruhig nehmen, Vater Scholz,' t is meine, ich eß nachmittags nischt." der Richtigkeit seiner Angaben persönlich überführt. Wahrlich, wenn ich nicht gesetzgebender Stellvertreter Moriz Lehmanns wäre, möchte ich Parlamentsjournalist werden.
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Schrippen gegessen und womöglich drei Schrippen mit Butter, wie Das war nun eigentlich eine Lüge und sie hätte recht gern drei drin im Speisezimmer die gnädige Frau. Der fleine Alte that ihr aber leid, er fah so erbärmlich aus, so verradert und mitgenommen, fie gönnte ihm den Kaffee und ihre einzige Schrippe.
Der Mte schlug die Arme ein paar Mal um einander und setzte sich an den Tisch:" Nee, was Sie jut sind, Fräulein Marien, immer haben Se wat for mir übrig, man wird aber ooch wit..ich janz steif: immer so de Preßzkohlen hin und her schleppen und' n Rüden frumm und de Arme über de Brust, als wär man so'n, na wie nenn'n se'n dett? So'n Automate." Er tauchte seine Schrippe in den Kaffee und bis in das Gebäck.
Aber das parlamentarische Leben ist auch nicht ganz gefahrlos. In einem begeisterten Augenblid flopfte mich einmal der Abg. Arendt derfelbe Arendt, dessen Gipsabguß im Anthropologischen Muſeum als Typus des reinen, staatserhaltenden und grinsenden Germanen tums aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts" aufbewahrt wird freundschaftlich auf die Schulter. Daheim gewahrte ich zu meinem Schreck, daß ich meinen einzigen, parlamentsfähigen Rock unverzüge lich in eine chemische Reinigungsanstalt schiden mußte. Das fraß Geld; ich fonnte wirklich nicht mehr bei dem Thaler bestehen. Und ich mußte daran denken, meine Einnahmen zu vermehren. Alsobald Fräulein Mariechen stand am Herd und fah seinem gefunden fam mir eine glückliche Idee. Ich zog mich mit einigen meiner Appetit mit einem stillen Lächeln zu. Daß Sie das überhaupt so ausintimen Fraktionsfreunde in ein abgelegenes Bimmer zurüd, halten, Water Schola, inumer de Kohlen schleppen und manchmal nach und wir spielten täglich bis in die Nacht hinein Meine de Böden, fünf Treppen hoch und' n janzen Tag von früh bis späte, Tante, Deine Zante". Meine Kollegen mogelten zwar dett is doch keene Arbeit nich for ihr Alter." schauderhaft- sie hatten nicht umsonst die hohe Schule" Unbequem ist es manchmal und noch dazu wenn't friert, und des Zolltarifs durchgemacht dennoch gelang es mir, allnächtlich man sich so tnapp uff de Beene halten kann, und der Wind pfeift mit einem hübschen Gewinn das hohe Haus zu verlassen. Uebrigens uff'm Lagerplatz, dett' s ne Art hat. hat man sich eben warm hatten wir das Spiel umgetauft; wir nannten es" Die Würde des geradert, zieht es einem durch de Knochen. Ja, ja." Der Alte war Hauses" ins Erzählen gekommen.
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Die Verbefferung meiner Finanzen und die immer sicherer werdende Aussicht, daß ich auch die Extraprovision verdienen würde, erhöhte noch meinen Ehrgeiz und stärkte meine Thatkraft. Längst hatte ich gemerkt, daß, wer im Parlament etwas bedeuten wolle, das Haar in der Mitte gescheitelt tragen müsse. Ich hatte es jetzt dazu und ging zu Haby , der mir binnen 70 Minuten eine staatsmännische Zoйfrisur schuf. So gerüstet, betrat ich am Donnerstag das hohe Haus.
Es fiel mir auf, daß mich der Thürhüter mit besonderer Ehrfurcht begrüßte. Da ich an diesem Tage die Absicht hatte, mir auch einmal das Zimmer des Bundesrats anzuschauen, in das ich bisher noch nicht gekommen war, ging ich durch die langen Couloirs. Ms ich die Thüre dieses wunderbar bornehmen Raumes öffnete, das für Regierungsmenschen einer Jdealwelt stilisiert zu sein scheint, bemerkte ich, wie drinnen der Graf Posadowsky nervös auf und abwandelte. Ich wollte mich schnell und unbemerkt zurückziehen. Aber Posadowsky hatte mich schon gesehen, zog mich am Rock hinein und schrie mich erregt an: Schnell, schnell, Sie müssen sofort reden."
Worüber denn", fragte ich faffungslos.
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Natürlich über den Zolltarif und die Zollfituation." " Aber ich habe diesen Tarif nie gesehen, geschweige gelesen." " Eben deshalb", schrie Posadowsky.
In diesem Augenblid lingelte es. Posadowsly nahm mich am Arm und fast trug er mich in den Sizungsfaal. Und plößlich saß ich auf dem ersten Sessel am Bundesratstische, und ehe ich mich bersah, erklärte der Präsident: Der Herr Reichskanzler hat das Wort."
Graf Pojadowsky trat mich auf den Fuß und ich schnellte empor. Verdammte Lage. Alles hing atemlos an meinen Lippen. Ich Unseliger aber stand nun einmal. Das eine war mir flar. Es war ein großer Moment. Ich mußte Weltgeschichte reden. Da nahm ich allen meinen Wiz zusammen, steckte die Hände in die Hosentaschen und sprach:
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Fräulein Mariechen schüttelte der. Kopf: Ja ich sag' auch, aber daß Se' s so machen können, Vater Scholz, bei Ihre Jahre.
Wat soll man denn machen, Fräulein Mariechen? Leben will man doch und kommt man wo anders hin, heeßt dett immer ejal weg: zu alt. Se thun aber ooch manchmal weh genug de ollen Knochen und in de Nacht lieg ick und schnappe nach Luft."
" Dis is auch gar teen Wunder, so'ne Arbeet für so'n alten Mann." " Ja, ja", der Alte nickte. Dann glitt auf einmal ein listiges Lächeln über fein Runzelgesicht und feine Augen blickten schalthaft auf:„ Aber wissen Se, Fräulein Mariechen, dett is mu eigentlich jar nich hübsch von Ihnen, dett Sie mir absolut zu so' n ollen Knopp machen wollen, der schon anfangt mit'n Kopp zu wackeln, so alt bin ich noch lange nicht."
Das Mädchen lachte hell auf.
Wat denten Se denn, wie alt id bin? Der Alte sah sie schmunzelnd an:„ Raten Se eenmal, Fräulein Mariechen, wenn ic wollte und' n juten Rock hätte, denn friegt' id och noch' ne Frau." ,, Ach, na ja, Vater Scholz, wer'n Se man nich eitel!" Fräulein Mariechen lachte wieder. Sie noch' ne Frau! Fünf undsechzig find Se mindestens."
Siehste, wie De Dir irrst, mein Dochter, jrade fufzehn Jahre zut biel jeraten 14
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Ach nee, Vater Scholz, find Se nich' so ullig, fufzig? Sie woll'n erft fufzig alt sein?"
" Fufzig, Fräulein Mariechen: wat man bei reiche Leute de besten Jahre nennt. Je kann aber jrade nich behaupten, dett's vor mir de besten sind."
Ree, aber fufzig erst?" Das Mädchen war ernst geworden, sie schüttelte den hübschen Kopf: Fufzig erft! Dett is ja- dett is ja knapp so alt wie der jnädige Herr und der sieht noch nich mal fo alt aus."
nee
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Wird wohl auch nich dreißig Jahre geschuft' haben in be Fabriken und auf de Baupläge in Wind und Wetter Der Alte lachte etwas höhnisch. Und frag' mal, ob er ooch mal
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