Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 2.

2].

Sonntag, den 4. Januar.

( Nachdruck verboten.)

Der Müllerbannes.

1903

aus dem Gewirr all der niedrigen Höhen der Mann im Wagen stand plößlich, riß den Hut ab und grüßte den heimat­lichen Berg mit langhallendem, jugendlichem Schrei. Ein trunkener Glanz lag dabei auf seinem Gesicht; die Zügel ließ er fahren und riß mit beiden Armen sein junges Weib zu sich in die Höhe.

Roman aus der Eifel von Clara Viebig . Der Abend war sehr dunkel geworden, so dunkel, daß ,, Suckste, Tina, lav mi hän,*) den Mosenkop!" Er Hannes, der noch spät die Mühle verließ, beinahe ins Maar schwenkte noch einmal den Hut:" Boschur!**) Ich sein eweil gepatscht wäre, hätte er nicht so genau gewußt, daß man da, widder hei! Un fuck hei, dat Tina is mein Frau ich han wo die finsteren Berge der Thalschlucht auseinandertraten und se! Hallo- hoh hoh!" fich jäh erweitern zum Kessel des Maars, nicht rechts um- Das Echo war erwacht und antwortete aus allen biegen muß beim Steinkreuz, sondern links, wo das Fuß- Schlünden und Schründen. Die stille Nacht war plötzlich laut ,. fällchen den Pfad durch die moorige Wiese zum Dorfe weist. wie erschreckt von der starken Stimme. Im Gebüsch rauschten Kotzdonner noch ehs!" Hätte er sich doch eine Laterne Vögel, ein aufgescheuchtes Reh setzte in Sprüngen über den mitgenommen! Weg, und ein Fuchs stahl sich schlau bei seite. Zurück gen Die Hände in den Hosentaschen, schrill pfeifend, trabte Manderscheid , und unten im Bach den Grund entlang, bis er voran. Vom Maar her zog's, der Maarwind kam und hinauf zum Mosenberggipfel und noch höher, bis an die stieß ihn in die rechte Seite. Da blieb er einen Augenblick Wolfen, bis zum blanken, glänzenden Rund des Mondes stehen. Allerhand Getös war in der schwarzen Nacht, der gellte der Ruf: auch der Schnee fein Licht gab. Aber sein scharfer Blick sah ,, Dat Tina is mein Frau, hoh, hoh!" doch das Maar, den farblosen Spiegel, umkränzt von nackten Hannes schlang den linken Arm um den Nacken seiner Höhen, die jetzt, ins Ungeheuerliche vergrößert, an den Himmel Jungangetrauten; er mußte sich ein wenig stüßen, aber es stießen. Und dort, ganz im Winkel, dem steilen Hange an- war nicht all der genossene Hochzeitswein, der ihn taumeln gequetscht, in mächtigem Flor: Maarfelden. machte. Mit der Rechten wies er hinauf zum Berggipfel.

Wandrer gingen nicht gern hier bei Nacht, der Boden Der Mond streichelte den Kopf des alten Riesen, jeder Grat, schwankt eigen unter der Last des Tritts. Hier war vor Zeiten jedes Grätchen, jede Schrunde, jeder Riß war sichtbar im einmal alles Maar gewefen. Maar, wo jetzt die Hütten vollen Licht. Auch auf des Hannes Gesicht lag Mondglanz, stehen und die Kirche mit dem tiefblauen Schieferdach

Ausgelassen rief er:

Maar, wo jetzt die schilfigen Wiesen sich breiten Maar, die aber da war noch feine Falte, kein Fältchen; alles glatt. Wände des Kessels bis hoch hinauf bespülend, wo jetzt die winzigen Aeckerlein sich herauswinden aus Ginstergestrüpp und Brombeergerant. Die Maarfrau fitt, in die Tiefe gebannt, jetzt unten in ihrem Kämmerchen und spinnt, zieht den Faden, lang und fein, wie ihr dunkles Haar, und lauert, daß sie sich einen herunterziehe zum Zeitvertreib.

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Lina, kuckste, den Mosenkop, den es nach meinem Chs.***) Lao steht hän schon an de tausend Jahr un fehrt sich'n Dreck, wat de Welt macht. Siehste, lao boven, lao bauen ich noch ehs en schön Haus. Groß muß dat sein un commod. Dann sehn ich de Mosel un den Rhein-un ich spauzen) de Leut uf den Kop!" mi

Hatte er zuviel getrunken? Die junge Frau hielt ihn fast

Mühlenhannes lachte hinüber die Maarfrau, puh, was ging die ihn an?! Landscheids Seph', das hatte noch längeres und schöneres Haar, Strähnen wie schwarze Seide! ängstlich am Arm fest. Drei Tage hatten sie Hochzeit ge­Jedermann wußte es im Dorf: Landscheids Seph' war feiert, dann waren sie heut morgen von Haus fort; sollte der des Müllerhannes Schatz, feit der vom Militär Heimgekommen. Abschiedstrunk, den die Verwandten und Gefreundte ihnen Jetzt schlief sie noch nicht; sie lauschte. Der Wind stieß den fredenzt, als sie schon auf dem Wagen saßen, noch so nach­Laden vor ihrem Fenster auf und klapperte mit dem Riegel wirken?! Sie suchte seinen Blick, aber er erwiderte den nicht; horch, ob er wohl noch kam?! Sie konnte es nicht abwarten. er sah sie gar nicht. Glänzend waren seine Augen auf den Mit Mühe öffnete sie die kleine Scheibe im verquollenen Berg gerichtet. Und er rechte sich, atmete tief und brach dann Rahmen und zwängte den Oberkörper hinaus. Der Wind in ein so anhaltendes Gelächter aus, daß das Pferd die Ohren Stemmte sich ihr entgegen und stieß sie vor die Brust. Aber spitzte, den verständigen Trott aufgab und in ganz un­fie wich nicht; sie war groß und stark, und lebenswarm lief vernünftigen Sprüngen, den Wagen hinter sich drein ihr das Blut durch die Adern. fchlenkernd, bergab jagte. Das ging wie der Blitz. Die

Der Wind wurde zum Sturm und scheuchte die finsteren Kehren hinab, rechtsum, linksum, die Ebereschenbäumchen an Wolfen überm Maar auseinander, wie eine Herde schwarzer der Absturzseite flogen wie Schatten vorüber. Schafe mun gab's ein wenig Licht, ein wenig zitternden, Tina schrie erschrocken auf und haschte nach den Zügeln, gejagten Mondschein. Der verfing sich in der Seph' Haaren aber ihr Mann stand ihr nicht bei er hatte sich hintenüber und goß blankes Silber auf den schwarzen Scheitel. Der auf den Sitz geworfen und klatschte sich die Zenden. Angst?! heftige Wind hob die schweren Strähnen und wehte sie lang Warum denn? Ei, das war gerad' schön! Er ergriff die zum Fenster heraus. Die nackten Arme des Mädchens, Peitsche, berührte noch die Seiten des Pferdes und hieb dann, blinkend im nächtlichen Dämmer, streckten sich aus, dem derbknallend, in die Luft: Müllerhannes entgegen.

II

He, he, voran gemacht, he, he!"

Immer rascher, rascher. Tina hätte weinen mögen Das war eine wundervolle Mainacht! Eine Nacht, in vor Angst. Windschnell waren sie unten. Nun verfiel das Ser alle Winde schlafen, in der der Mond Silber streut, eine Pferd von selber in ruhige Gangart, denn der Weg war Nacht, in der das Springen der Knospen zu hören ist. Der steinig, stieg bald und fiel bald, immer auf und ab, jeder Wildbach fließt ruhig, und, wo er bergab ins Gefälle kommt, Windung der Kleinen- Kyll folgend. Auch Hannes wurde scheint er die Steine zu füssen, über die er sich hinschmeichelt. ruhiger im nächtigen Schatten des tiefen Thals, dessen Grund Es duftet nicht nur der Waldmeister, der im Buchenbusch der Mond nicht erreichte. unter den braunen Blättern vergangener Herbste sprießt, nicht die Anemonen, die Veilchen und Himmelsschlüssel allein, die am grünen Wegrain blühen alles duftet, die Luft, das Wasser, die Erde. Es duftet voll herber und doch füßer Frische, es duftet nach Jugend.

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Die großen Kehren, in denen sich die Straße von Mander­ scheid hinunter zum Thal der Kleinen yll schlängelt, fuhr ein Chaischen hinab. Ein Paar saß darin.

Hott- hah!" rief der Mann dem Pferdchen zu, aber nur aus Gewohnheit, denn acht hatte er nicht. Gut, daß das Roß die Straße fannte! Vorsichtig bog es an den gewohnten Stellen um; sanft rollten die Räder zu Thal.

Und immer höher hob sich der Mosenkopf, der Herrscher]

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Er zog Tina an sich und füßte sie zärtlich- verliebt, wahrhaftig, es that ihm jekt bitter leid, daß er sie geängstigt! Sie vergaß ganz, daß sie ihm eigentlich böse war wegen der tollen Fahrt so leichtsinnig ohne Zügel und Bremse. Und sie flüsterten mit einander. Müde wurden sie dar­über; und eine Sehnsucht stieg in ihnen auf nach ihrem Heim. nach dem neuen Glück, das ihrer harrte.

*) Da.

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**) Von: bon jour". ***) Nach meinem Geschmack. ) Spucken.