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Die Alten hatten Wohnung im Dorf genommen und die fort. Die winseln, weinen, betteln: Ach bitte, Herr Schußmann, Mühle dem jungen Paar ganz allein überlassen. Beim Sohn wir wollen ganz artig sein. Doch der Herr Schuhmann ist unerbittlich. auf dem Altenteil zu bleiben, das paẞte dem Müller- Matthes Er sperrt die Unholde in das kleinste Zimmer ein, und krachend nicht; von seinem Bater selig wußte er's noch, wie unzuträglich fällt die Thür ins Schloß, die er mit all seinen Kräften zuhält. Aber die vereinten Bemühungen der Kleinen überwinden den Wider­es ist, wenn einer da ist, der noch kommandieren möchte, wo stand. Schon sind sie wieder ihrem Sterker entronnen, der Schutz­doch jetzt ein andrer zu kommandieren hat. Wenn Heu und mann mit wilden Geberden hinter ihnen her und alles wälzt Stroh beisammen kommen, dann entsteht leicht Brand; und sich juchend am Boden. In diesem Augenblick schreite ich ein: Aber Wir spielen ,, mau soll sich nicht austhun, bevor man schlafen geht", das Kinder, seid Ihr toll? Was macht Ihr denn da?" war auch ein Sprichwort, das der Müller- Matthes bedachte. doch. Besoffen"! erklärt der Aelteste vorwurfsvoll abwehrend, Dem Sohn hatte er die Mühle übergeben, aber sein bares wir machen Silvester Geld aus dem Sack zu thun, nein, das fiel ihm gar nicht ein! Er wollte auch noch leben und nicht nur um Gotteswillen.

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Indessen ich wollte doch von jenem artigen Mädchen erzählen, das so mürrisch, still und wohlerzogen, die Freude aller Vermieter war. Das war sein Naturzustand, der Vater aber brauchte bloß zu Der Zufall wollte es, daß das Häuschen des Landscheid fagen: Lieschen sei vergnügt!" dann fletschte es die Zähne, grinste zu Maarfelden leer wurde; der Alte hatte lange an der Gicht wahnsinnig und freischte aus vollem Halse. Nach wenigen Angen­gelegen und verstarb, als die Märzstürme über's Maar jausten. blicken war das Phänomen vorüber, Lieschen war wieder still, ge­Nun wollte die Seph' das Erbe, das einzige, was sie hatte, messen, trübjelig. Der Bater jedoch, stolz über den Triumph seiner gern zu Geld machen, um mit den Geschwistern auswärts sich unfehlbaren Erziehungskunst, gab dem erstaunten Publikum wohl auseinanderzusetzen. So war sie eines Tages jelber auf die noch eine Extravorstellung:" Lieschen sei noch mal vergnügt!" Und das Schauspiel wiederholte sich in gesteigertem Maße. Lieschen Mühle gekommen und hatte gefragt: Wenn es denn wahr sei. lachte, daß sie Bauchweh friegte und nach überstandener Lustigkeit was sie reden gehört, daß der Sohn zum Mai heirate und der behauptete sie, sie hätte auch Kopfschmerzen. Müller eine andre Gelegenheit" suche, ob er dann nicht ihr Anwesen kaufen wolle. Groß sei das freilich nicht, denn Reichtum jei nicht bei ihnen zu Haus gewesen. Sie hatte das letztere mit einem bitteren Auflachen, recht unnötigerweise, zugesetzt wie es bei Landscheids stand, wußte doch jeder im Dorfe und ihre schwarzen Augen waren dabei wild in der Stube umbergefahren mit einem suchenden Blid. Aber der Hannes ließ sich nicht finden. Und als sie nachher draußen vor der Thür stand und zögerte, ob sie ihn vielleicht über den Hof schreiten oder beim Säckcladen hantieren jähe, war auch fein Hannes da. Mit gesenktem Kopf war sie von dannen ge­gangen, ihre große Gestalt schien um einen Fuß kleiner. Da, wo der Mühlenweg zum Maar einwendet, beim Steinkreuz, war sie stehen geblieben und hatte starren Auges in die dunkle Flut gestiert.

Es will mir scheinen, als ob diese Lieschen- Luft die Form der Freude ist, die uns einzig allein noch erschwinglich ist. referviren uns ein paar Stunden im Jahre, in denen wir den Zwang und den Zorn des Daseins abzuwerfen uns verpflichtet fühlen. Alle Zeitungen erheben das Feldgeschrei: Lieschen sei vergnügt und Lieschen lacht und hopst folgsam, und scheut keine Risse im Zwerchfell und feine Beulen in Gehirn, und reißt das Maul auf, indem es sich, der größeren Sicherheit halber, vorher Mut getrunken. Ich möchte eine Silvesternacht so recht froh gewesen, voll tiefer, freier, beschwingter Umfrage ergehen lassen: Seid Ihr in dieser letzten tollenden Freude, war reiner Atem in Eurem Lachen und tanzende, schiebende Seligkeit in Eurem Scherz, war volles Vergessen in Eurer Jahr­wend- Trunkenheit? Ich fürchte, Ihr werdet lügen müssen, wenn Unser Lachen ist nur noch Ihr Eure Fröhlichkeit betenern wollt. eine unvollkommene Narkose, in der die Empfindung für die Schmerzen nicht aufgehoben ist. Der scharfe Wind des kommenden Frühlings zerrte ihr geschriebenen Minute zwischen zwei zehrenden, quälenden Sorgen Wie könnte es auch anders sein! Wie vermögen wir zur Vor­am Haar, daß einzelne Strähnen sich lösten und ihr ums Ge- geschriebenen Minute zwischen zwei zehrenden, quälenden Sorgen der Götterfunken der Freude aus dem toten Gestein zu schlagen! sicht schlugen. Und sie dachte daran, wie sie manche Nacht bei zu dieser zerklüfteten Zeit, da der qualvolle Gegensatz zwischen der Sturm und Unwetter auf den Hannes gewartet und nicht gefehnsüchtigen Erkenntnis des Möglichen und dem gemeinen, finn­merkt hatte, daß es kalt war und rauh. Und nun alles zer- losen Elend des Wirklichen klarer und brennender im Bewußtsein der gangen zu gar nichts, wie der Schaum da, den der Wind auf Menschen lebt als jemals zuvor, in dieser Zeit der zum Fluch ge­dem Maar zusammenpeitscht, und der dann am Ufer trüb' und schändeten Arbeit, der tausendfach gemarterten Freiheit und der schmutzig in den toten Binsen zerfließt. Sie weinte nicht, aber in ewigen Lügen sich duckenden Feigheit, die selbst nicht einmal frei zu stöhu en wagt, wie sollte da die Freude gedeihen! ihre Fäuste ballten sich in den Falten des Rockes.

( Fortsetzung folgt.)

Sonntagsplauderei.

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Dereinst pflegte man die Jahrwende aus strömendem Herzen mit weiter himmelan firebender Schwärmerei finnend zu um pfangen. Unire Großmütter, vielleicht auch noch imfre Mütter haben über Jean Pauls empfindsamer Silvesternacht eines Unglücklichen" glühende Thränen geweint: Ein Greis blidt einfam in die weiße Nacht. Er denkt an seine in Lastern verwelfie und verlorene Jugend zurüd. Jezt ist sein nußloses Leben vorüber. Nichts Gutes hat er jemals gethan, keines Menschen dankbares Erinnern weilt bei ihm. Drüben aber öffnet sich bereits das Grab, in dem er rettungslos versinken wird. zu spät das nagende Zu spät die Reue Gewissen! Bertlos ist jeder Entschluß, sich zum Besseren zu ändern. Der Tod holt mit der Sense aus. Furchtbare mit Phantasien quälen ihn, seine Vergangenheit hezt ihn blutigen Gespenstern. Da schlägt die Mitternacht, und der Unglückliche erwacht aus seinem schweren Traum und er fühlt befeligt, daß er noch ein Jüngling sei, noch ihm die Zeit vergönnt sei, rechtschaffen zu werden.

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Ich kannte ein kleines Mädchen ich bitte: es war wirklich erst fünf Jahre alt das war höchst mürrisch von Angesicht und blickte mit trüben Augen in die Welt. Aber es war ein außerordentlich wohlerzogenes Mädchen, die Freude der Eltern und ein seltenes Vor­bild für alle gegenwärtigen und zukünftigen Geschlechter. Auch meinen Kindern habe ich des öftern von diesem merkwürdig folg samen Wesen erzählt. Leider ohne Erfolg. Eben jezt gewahre ich wieder zu meinem Leidwesen, daß die Tugend unübertragbar ist wie ein töniglich preußisches Retourbillet. Die Meinigen haben Unfre Gegenwart hat wie zu der Freude auch zu der stillen, nämlich etwas von Silvester gehört und mit dem ihnen eignen ererbten weihenden Andacht keine Eignung. Sonst würde sie sich wohl dem Sinn für Aktualität das Jahr 1903 mit einem funfelnagelneuen Spiel Silvesternachtstraum der unglücklichen Menschheit hingeben. begonnen. Die Spielregeln des geheimnisvollen Gebahrens Wenn sie in heiligem Silvester so recht empfände, daß ihr Leben find zivar für die fremden Beobachter, zu denen in greisenhaft zerrimit, daß sie ihre Zeit im Nuglofen und Gemeinen erster Linie der ewige Störenfried, der Vater, gehört, schmählich verthan, und wenn sie dann gemartert von der Qual des nicht ohne weiteres zu durchschauen, aber die äußeren Um- Unwiderbringlich fiebernd erwachte ob fie dann nicht im Gefühl stände, unter denen sich das Spiel vollzieht, lassen sich einigermaßen der Jugendkraft es wagen würde, frei und groß und glücklich schildern. Zunächst tobt die ganze Horde johlend durch die Wohnung, zu sein! und zwar so, daß sie behutsam an jede Thür und an jeden Stuhl anrennen. Wenn ein Möbel umfällt, so gilt das als ein besonderer Erfolg. Auf einmal sinken sie, zu einem wüsten Schlangenfnäuel verklumpt, übereinander: Rajendes Gelächter, Schreien, Henlen. Weil sie nicht recht wieder auf die Füße fommen, fricchen sie mit großer Geschwindigkeit auf allen Vieren vorwärts. Dann gelingt es ihnen doch, sich zu erheben. Aber die Beine scheinen in einer elastischen Sprungfeder- Spiralhülse gebettet zu fein; sobald sie eines auf den Boden setzen, versinkt es scheinbar im Leibe, verkürzt sich und bringt das Geschöpf mit den ingleich langen Beinen naturgemäß zu Falle. Mergerlich über diese Unzuverlässigkeit der Gliedmaßen stürzen sich die Holden Engel nun aufeinander und veranstalten eine Giganten Dann aber dorthin, wo der Silvesterspuk am wildesten brandet, schlacht. Der Lärm wird zu solcher Bollkommenheit gesteigert, daß in die Friedrichstraße zwischen Leipziger und Linden. Und alle ich erschreckt in meinem Mietskontrakt nachsehe, ob denn das gestattet Menschen werden Brüder! Die vornehme Welt flutet auf den ist. In diesem Augenblick erhebt sich der Weltefte aus dem Gewühl, Trottoirs, die Herren in Ladstiefeln und die Damen in unfäglich ganz Würde und Strenge, und schleift die andren an den Haaren I teuren Betzen. Man will die Sensation des wüsten Treibens

Nein, solche tapfere und starke Selbstbesinnung ist nicht zeit­gemäß, und würde auch von der Polizei nicht geduldet werden, die allenfalls noch Geduld übt, wenn die Altohol- Intogitationen" von Sanft Silvester sich auf der Straße erdreisten.

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Ich bin in der Neujahrsnacht durch Berlin geschlendert und habe die Freude gesucht. Ein wenig fand ich wohl in der alten Stadt, da, wo die Straßen still und eng sind und die Menschen nachbarlich vor der Thür standen und Profit Neujahr!" riefen. Die Kinder waren dabei und schrien mit, und eine fleine Schar musizierte, der Trommler voran, auf dem Straßendamm, dem neuen Jahre entgegen. Das mutete traulich und vergnüglich an.