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individuen ihre nenerivorbenen Formen immer weiter vererben. die Bererbung unterbleibt. Immerhin mußte, da die große Autori Werden in Skandinavien Getreideforten, die in der Ebene gewachsen find, auf das Gebirge gebracht, so bekommen sie unter dem Einfluß des Gebirgsklimas die neue Eigenschaft, daß sie ihre Vegetations periode in fürzerer Zeit abschließen, als sie dies in der Niederung gethan hatten. Werden diese selben Sorten aber nun wieder in der Ebene fultiviert, so behalten sie die neuerworbene Eigenschaft der schnellen Entwicklungsfähigkeit über einige Generationen bei. Es zeigt sich also hier ganz deutlich die Macht der Vererbung neu­erworbener Charaktere.

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Neben dem Wiener Professor hat sich nun auch einer der be­deutendsten Berliner Forscher, der Meister der Pflanzenanatomie, S. Schwendener, in der Hauptsache für die neo- lamardistischen An­schauungen erklärt. Schwender weist den Darwinismus, wenigstens so wie ihn de Vries neuerdings vertreten hat, nicht gänzlich zurück, wie das ja auch Wettstein nicht thut. Allein beide halten doch die individuelle Anpassung die direkte Beivirkung, wie schon Nägeli sie nannte für das vorherrschende Princip bei der Artenentstehung. Schwendener macht in seinem sehr flaren Vortrag: lleber den gegen wärtigen Stand der Descendenzlehre in der Botanit"( gehalten im Ferienturfus für Lehrer usw., 10. Oftober 1902) auf die drei Gruppen von Thatsachen aufmerksam, die zur Aufstellung von Descendenzlehren geführt haben. Darivin ging von der Variation innerhalb enger Grenzen bei Haustieren und Kulturpflanzen aus. Er hat bewiesen, daß durch die von Menschen ausgeübte Zuchtwahl sich diese Lebewesen in mannigfaltigiter Weise umgetvandelt haben. Diese Zuchtwahl übertrug Darwin auf die Natur. Und das war sein großer Fretum. Schwendener citiert den Ausspruch R. v. Wett Steins: Mir ist bisher kein einziges Beispiel bekannt geworden, das das Zutreffen des Darwinismus im engeren Sinne im Naturzustande eriveisen würde." Die Zuchtwahl greift nach Schwendener uur in sofern ein, als sie ganz ungeeignetes ausmerzt. Wenn man aber bedenkt, daß durch direkte Anpassung auch ungeeignetes geeignet werden kann, so wird man geneigt sein, der Zuchtwahl noch viel weniger Gewicht bei der Entwicklung der Arten beizulegen.

Auf eine zweite Reihe von Thatsachen hat de Vries hingewiesen, der neue Arten plößlich ohne sichtbare Veranlassung entstehen sah. Es handelt sich bei ihm nicht um das leichte Bariieren innerhalb enger Grenzen, wie es Darivin zur Aufstellung seiner Theorie be­muzte, sondern um ein plötzliches Auftreten sehr ausgeprägter Formen. Schwendener macht zu der Theorie von de Vries zivei sehr wichtige Einschränkungen. Erstens wendet er sich gegen die Ver­allgemeinerung dieser Theorie. Man hat keinen Grund, das, was De Vries an einigen wenigen Pflanzen beobachtete, für alle Pflanzen anzunehmen. Zweitens aber beztveifelt er, ob durch die Mutationen, die richtungslos verlaufen und denen erst durch die natürliche Zucht­wahl Zwedmäßigkeit verliehen wird, ein solches kompliziertes System von zweckvollen Formen und Organen zu stande gebracht werden

Tönnie.

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tät Weismanns gegen die Vererbung erworbener Merkmale auftritt, die Sache noch einmal erörtert werden. Wie Wettsteins Schrift fich hauptsächlich mit dieser Seite des Descendenzproblems beschäftigt. so hat ihr fürzlich auch ein Franzose, J. Constantin, ein Buch ge widmet. In diesem Werke" L'Hérédité acquise"( Collection Scientia) stellt der Forscher ebenfalls alles aufammen, was für eine Vererbung neu gewonnener Eigenschaften spricht. Nach der neuen Anschauung muß man die Thätigkeit oder die direkte Einivirfung der Verhältnisse als das Primäre und das Organ als das Sekundäre betrachten, während nach der Selektionstheorie das Umgekehrte der Fall ist. Jaeckel, der in seiner auch ganz im Geijte Lamards geschriebenen Schrift Ueber verschiedene Wege phylogenetischer Entwicklung"( Jena , G. Fischer 1902) diese That­fache festgestellt hatte, erfährt jetzt in der Naturiv. Wochenschrift" ( 14. Dezember) eine Zurückweisung von 2. Plate. Diefer führt Beispiele dafür an, daß Organe auch früher entstehen tönnen als ihre Funktionen. So sind nach ihm die Stacheln, die Pflanzen zur Ver­teidigung dienen, früher dagewesen, als ihr Stechen. Das muß man aber sehr bezweifeln. Denn vielleicht haben sich gerade diese Organe unter dem Einfluß von Wildverbij gebildet. Die Ziere bissen Ziveige, Blätter, Stengel usw. foiveit ab, bis von ihnen nur noch fleine spiße Stümpfe übrig blieben. Je mehr und öfter sie das thaten, um so weniger konnten sich an den Pflanzen weiche Gewebe ausbilden, und um so härter und stechender wurden die Organe. Unter dem Einfluß der Widerstandsleistung gegen Tierfraß wurden also die Organe erst zu Stacheln. Solche Dinge find natürlich noch nicht eratt bewiesen, aber viel weniger wahrscheinlich ist, daß ein Stachel einer Pflanze angezüchtet worden wäre. Denn ein solches Organ, das erst nüßen soll, nachdem es bereits vorhanden ist, kann doch durch die natürliche Zuchtwahl auf seinen ersten Entwicklungs­stufen nicht erhalten werden. Es ist muhlos, und jeder Anfah dazu würde vernichtet werden. Für die Zuchtwahltheorie sprechen die Bei­spiele Plates jedenfalls nicht. Denn selbst Erscheinungen, wie die Mimicry , tönnen nicht durch die Zuchtwahl entstanden sein. Neber­haupt ist wohl das meiste, was über Schuhfärbung, Warnungs­färbung, Nachahmung lebender oder lebloser Objelte erzählt wird, menschliche Phantasie. Die wenigen wohlbegründeten Fälle aber beweisen ebenso wenig etwas für die Selektionstheorie als gegen den Neo- Lautardismus.

Kleines feuilleton.

h. o. Zwischen Drei und Bier. Ein Billardsaal in einem Kaffee­Haus. Draußen im Westen. Die elektrischen Birnen sind alle aus gedreht, nur über dem ersten Billard mit seinem grünen Tuch Die drille Reihe von Thatsachen betrifft die direkte Bewirkung. weißen Bälle hin und her. Der eine hat sich den Rock ausgezogen; leuchten noch ein paar Lampen. Zwei junge Männer floßen die Die Pflanze bringt unter dem Einflusse der Umgebung Formen er ist ein gedrungener, furzhalfiger Mensch mit roten Baden und hervor, die ihr für diese Umgebung nützlich sind. Schwendener bringt blondem Haar. Der andre, ein schlanker, blasser Mann, scheint trois hier aus seiner eigenen reichen Erfahrung eine Menge von Beispielen der großen Wärme zu frieren; er hat seine Jade bis oben hin zu dafür, wie das Gewebe der Pflanzen, die einzelne Zelle fofort auf geknöpft. Die Partie ist zu Ende. Der Blonde gähnt:" Na die äußeren Einflüffe reagiert, und stvar in zweckmäßiger Weise. Schluß!" Bei den Wüstenpflanzen sind in den Blättern die Spaltöffnungen, Der Blasse schüttelt den Kopf: Erst Revanche!' 8 ist so falt aus denen das verdunstende Wasser austritt, tief eingeſentt. auf meiner Bude." Sie liegen nicht an der Oberfläche der Blattoberhaut, damit die Verdunstung des Waffers, die ja möglichst vermieden werden soll, nicht zu rasch vor sich geht. Das ist zum Beispiel bei der Aloe der Fall. Wird diese( Aloe vera) aber bei uns im relativ feuchten Selima kultiviert, so sind die Spaltöffnungen an ihren Blättern nicht eingesenkt, sondern sie liegen fast ganz an der Oberfläche. Nun kann die Verdunstung wieder ebenso schnell vor sich gehen wie das bei den Gewächser unsres Klimas geschieht.

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fauft!"

,, Laß Dir doch heizen! Hast ja heute' ne Buchjausstattung ver das reicht gerade zur Miete."

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Dein Hauspafcha tann schon noch warten!" Was Du denkst! Der muß doch auch seine Zinsen zahlen. Heut Mittag kam er extra herauf: Sehn' Sie, wenn ich nicht auch meine Verpflichtungen hätte!- Na, da muß man doch schon!"

Der Blonde zuckte die Achseln, während er seinen Queue mit Streide einrieb-- und gähnte.

Einige Schwierigkeiten bereitet dabei Schivendener die Er scheinung, daß bei solchen Versetzungen ausländischer Gewächse in Der andre lehnte sich unterdessen an das zweite Billard. Durch die Verhältnisse unsrer botanischen Gärten oder Gewächshäuser sich die Glasthür konnte er den ganzen vorderen Raum übersehen. Eben oftmals auch solche Charaktere umwandeln, die als unveränderlich fam eine Dame in pelzbesetzten Gummischuhen, glänzendem Abend­galten. Man unterscheidet nämlich an jedem Lebewesen solche mantel und fliegendem Kopfshawl herein. hinter ihr zwei Offiziere. Formen, die zum inneren Bau gehören, sogenannte Organisations - Sie hatte sich für irgend einen Wohlthätigkeitsverein halb tot" merkmale und ferner Anpassungsmerkmale, die unter dem Einflusse getanzt und wollte sich im Café erholen. Die Tische waren alle des Milicus entstanden sind. Daß nun die lehteren sehr wandelbar leer. Nur in einer Ecke stritten zwei Litteraten um eine Kritik. Und sind, das erscheint Schwendener natürlich als selbstverständlich, da dicht am Büffett drusselte ein Trunkener über seiner Taffe, in der das hingegen erfüllt ihn die Veränderlichkeit von Organisationsmert Getränk erfaltete. malen mit Befremden, bis er sich schließlich zu der schüchternen Frage aufrafft: Wer weiß, ob nicht manche der scheinbar echtesten Organi­sationsmerkmale durch direkte Bewirkung in längst vergangenen Zeiten entstanden und seitdem erblich geworden sind?" Daran fann aber doch gar kein Zweifel sein, denn wie soll ein Lebewesen zu seinen Organisationscharakteren auf andre Weise gekommen sein. Schließ­lich ist doch alles einmal entstanden und zivar entstanden durch die das wird über uns sein!" meinte der Blonde gelassen; Macht der umgebenden Einflüsse. Und gerade die Thatsache, daß dann hielt er sich wieder die Hand vor den Mund, um recht herzhaft man zwischen Organisationsmerkmalen und Anpassungsmerkmalen zu gähnen. Nein, das glaube ich nicht!" feine feste Grenze ziehen kann, ist wieder ein Betveis für die Richtig- In diesem Augenblick wurde das Licht ausgedreht. keit der neo- lamardistischen Anschauungen.

Schivendener hält die Vererbung erworbener Eigenschaften, die eine Voraussetzung für den Neo- Lamardismus bilden, für selbst­verständlich, und das ist wohl der richtige Standpunkt. Man sieht doch täglich, daß die Kinder nach den Eltern geraten. Man sollte im Gegenteil eher nach den Gründen suchen, warum in manchen Fällen

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Troßdem das Café so leer war, schwirrte doch in der Luft ein Geräusch wie von einer lauten, vielstimmigen Unterhaltung. Der Blasse sah sich erregt um; da hinten standen die großen, ungefügen Säften der Billards im Dunkeln. Und draußen auf der Straße ging ein einzelner Mensch vorbei.

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Du horch doch mal was ist denn das?"

Was soll denn das 1" fuhr der Blonde auf den Kellner los, der jetzt die Glasthür öffnete:

-Oh- ich dacht, die Herren wollten heim gehen! Ent­schuldigen's, entschuldigen's" " Fällt uns ja nicht ein! Machen Sie mal schleunigst wieder Licht!" Nun blieb der Kellner bei ihnen. Er wurde ganz nervös über