Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 8.

8]

Dienstag, den 13. Januar.

( Nachdrud verboten.)

Der Müllerbannes.

Roman aus der Eifel von Clara Viebig . Na!" Hannes wurde nun auch gereizt durch den be­fehlenden Ton. Wurscht wider Wurscht!" Die Empörung überkam ihn, als er jetzt, da Nero an ihm in die Höhe sprang, das blutende Auge des Tieres sah. Wann dat Tier blind wird, schicken ich Euch die Rechmmg. Aber fürerscht soll Euren dreckige Jung""

Seine aufs neue erhobene Hand wurde festgehalten, der Laufeld schrie ihn an, zitternd vor unterdrückter Wut:

,, Untersteht Euch! Wißt Ihr dann net, wen Ihr vor Euch hat, rührt den Jung' net mehr an! Ich schicken Euch den Scherschant auf den Hals- int Kittchen mit dem. den un­schuldige Kinder schlägt!"

Oho!" Des Müllers Augen fingen gefährlich an zu funkeln. Wen seid Ihr dann, dat Ihr hei dat große Maul habt!? Ich sein affarat so viel. wie Ihr. Den Müllerhannes braucht sich für Keinem zu schenieren, für Euch am aller­wenigsten, dat Ihr't wißt. Hei hafte noch einen" er hieb dem Jungen noch einen derben auf, un mu lauf' un erzähl', den Müllerhannes hat Dir den Hintern beschlagen!"

Heulend lief das Josefche fort. Ein paar Weiber und Kinder hatten sich schon angesammelt, nun fanden sich auch noch einige Männer dazu. Sie zogen alle lachend die Mäuler breit und freuten sich, daß die zwei Großen sich zankten. Der Müller stand wie ein streitbarer Rede. Die Weiber gudten nach ihm: was war der Müllerhannes doch für ein schöner Kerl!"

Jacob Laufeld fühlte sein Ansehen schwinden. Nicht, daß er dem andren an Länge nachgestanden er war auch hoch wie ein Baum aber er hatte nicht die gleiche Ochsenfraft. Der Klügere giebt nach, und er war der Klügere.

" Ich gehu eweil," sprach er, die Kirch' darum zu ver­fäumen, wär' wahrhaftigens Gott Sünd'. Aber geschenkt is' t Dir net, Müllerhannes mir zwei sprechen uns noch einmal!" Und damit eilte er, anscheinend ruhig, zur Kirche hinüber.

Hannes sah ihm nach mit schallendem Lachen. Dann büdte er sich und untersuchte seinen Hund. Ein gefälliges Weib füllte einen Napf am Brunnen und brachte auch ein Stüd altes Schürzenzeug. Gefährlich verlegt schien das Auge des Hundes weiter nicht, das Bluten hörte gleich auf, und Hannes wurde sehr vergnügt. Lange nicht hatte ein solches Gefühl der Genugthuung seine Brust gehoben. Dem Hoch­mütigen Kerl, der dem Besucher nicht einmal entgegentam, dem hatte er's jegt ordentlich gegeben! Fröhlich lud er die Leute, die sich so teilnehmend gezeigt, zu einem Schöppchen ins Wirtshaus.

1903

So ging das den ganzen Nachmittag. Die Dorfstraße hinunter brauste der Jubel, und die Kunde flog von Haus zu Haus: Den Müllerhannes is in Schneiders! Juhe, juhe, lassen mir auch dahin geh'n!"

Auch die Kinder rannten herbei und drängelten sich an der Wirtshausthür. Müllerhannes rief ein paar näher, das flachstöpfige Karlchen und das schwarzhaarige Pittchen. Er strich ihnen über die wassergestrählten Scheitel und steckte jedem von ihnen einen Groschen in die Hand:

Lauf', fauf' Dir ebbes!"

Glückstrahlend stoben die Beiden davon. Und nun faßte bettelten. Wie eine Tracht junger Füchse lauerten sie. Ein eine ganze Schar auf der Gasse Posto, viele Kinderaugen besonders kühner stimmte das Martinslied an: Heiliger Sanft Märte Mit den sieben Kerze

Flieg' zu' nem reichen Mann Bring' mir en Thaler dann, Mir einen Dir einen,

Den frechen Kindern gar keinen!"

Hannes hatte sich erhoben und war ans Fenster getreten; schon stand er nicht mehr ganz fest, sein rundes, jetzt sehr rotes Gesicht strahlte wie die liebe Somme.

Da wurde der Gesang immer fecker, die Kinder bekamen Mut. Er nichte ihnen zu, sie nichten wieder, die Kinderaugen lachten, die seinen auch.

Hah!" Ein staunendes Aufatmen. Müllerhannes hatte in die Tasche gegriffen, wie ein Stern schoß ein blanker Thaler durchs Fenster. Nun lag der auf dem Pflaster. Hah-!" Noch einer und noch einer! Ein gellender Jubelschrei stieg empor. Hei! wie die Kinderschar über­einander stürzte! Sie rannten, stolperten, purzelten, kugelten. Gin Snäul wälzte sich auf der Gasse. Braun, blond, schwarz, Aermchen, Beinchen, Höschen, Röckchen, dicke Mädchen, dünne Mädchen, rote, blaue, grüne Strümpfchen alles durch­einander, hundert Fingerchen packten zu, Raufen, Stoßen, Schlagen, Buffen, Streijchen, Jauchzen, Lachen und Weinen. Der große Mann am Fenster lachte sich halbtot. Wieder griff er in die Tasche:

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Lenche, Trinche. Kettche. Juppi, aufgepaẞt!" Die erdarbten Thaler des Bäckers Driesch flossen als jilberner Negen auf's Straßenpflaster; und nicht nur die Steinen fingen den auf, auch die Großen. Das war ein Jubel ohne Grenzen. Ein donnerndes Vivat brauste, zog die Dorfgasse entlang hin zu des Laufeld Haus und stieg jauchzend empor bis zum Abendstern.

Nicht einen einzigen Thaler behielt Müllerhannes zurück; es machte ihm gar zu viel Spaß.

Vis spät in die Nacht dauerte die Trinkerei. Nun war es Die Pferde wurden ausgespannt und in den Stall ge längst kein" Trinken" mehr. Die Soliden waren heim­führt. Der Hund bekam als Schmerzensgeld einen ganzen gegangen, aber die ledigen Burschen, die eben vom Militär Teller Braten, der Herr ließ sich auch ein Essen auftragen. zurückgekehrten oder die bald dazu kamen, die hielten bei Und jetzt hub das Trinken an. Aus einem Schöppchen wurden Hannes aus. Mitternacht war schon vorbei, da tönte noch viele. Die Wirtsstube saß gestopft voll, einen Freitrunk ließ das Gröhlen zu den Fenstern heraus und störte die auf, so sich keiner entgehen. Und sie hatten den Müllerhannes wirklich schlafen wollten. Wüste Schreie gellten doppelt laut in der alle gern. Die Freude trattieren zu können, stand dem auf schweigsamen Nacht und ärgerten die wachsamen Hunde, daß; dem Gesicht; jeden neu Dazukommenden begrüßte er

mit Hallo.

Das war ein Anstoßen: Prost! Euer Wohl! Ihr sollt leben!" Hannes, auf Dein Specielles!"

Das war ein Gläserklirren, ein Austrinken und Ein­schenfen, ein auf den Tisch stoßen und nach neuem rufen, ein Tabaksqualm und ein Späßemachen, ein dröhnendes Gelächter und ein wirres Durcheinander. Jeder drängte sich heran, dem Hannes die Hand zu schütteln.

Die Wirtsstube faßte längst nicht mehr alle Gäste. Draußen unterm Fenster standen die, die nicht mehr hinein fonnten; man reichte ihnen von innen die gefüllten Gläser heraus. Manch ein Glas ging dabei zu Scherben, aber das machte nichts, der Müllerhannes zahlte ja alles.

Der war felig, berauscht von dem vielen Händeschütteln, dem unausgefeßten Zutrinten. Jeder hob sein Glas gegen ihn: Proft, Hannes!" Er kannte sie gar nicht alle.

fie aus ihren Hütten fuhren und Antwort heulten. In den Stoben grunzten die Schweine, verschlafene Hähne fingen an zu trähen. Das ganze Dorf wurde wach gehalten. Nur die harmlosen Kindlein schliefen und träumten vom Thalerregen. Der Laufeld drehte sich in seinem Bett: so ein Standel! Aber er freute sich, mochte der nur saufen, immerzu, immerzu!

VI.

Der Maarfeldener Noldes, wie sie den Herrn Pfarrer Arnoldus Cremer au Maarfelden gemeinhin nannten, saß in seiner Stube und flocht eine Aalreuse. Ostern war vorbei- er freute sich, nun mußte es bald lenzen. Dannt waren die Aale dick und fett, und er hoffte ihrer recht viele in den Gräben des bäuerlichen Wiesenlandes zu fangen.

Vor sich im Wasserbottich hatte er die Weiden eingeweicht, die waren schon recht storr und zerstachen ihm die Finger, nun, bald gab's junge Nuten, die den Händen nicht so weh thaten, dann wollte er wieder Störbe flechten mit Eifer und Luft, wenn